Samstag 07.10.17, 21:52 Uhr

20 Jahre Medizinische Flüchtlingshilfe


Weitere Bilder von der Geburtstagsfeier der Medizinischen Flüchtlingshilfe
Kurz nach 18 Uhr eröffnete Georg Eberwein gestern im Bahnhof Langendreer die Feier zum 20-jährigen Bestehen der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum e. V. (MFH). Sieben weitere Redebeiträge sollten den Worten des Vorsitzenden folgen. Außerdem: fünf Mal Live-Musik und schließlich Disko bis zum Abwinken. Auch bei den spannendsten Redebeiträge wurde es nicht still. Der Ärger darüber wich bei vielen erst, als ihnen klar wurde, dass die Vorträge an mehreren Plätzen im Saal in andere Sprachen übersetzt wurden. Begeistertes Lachen ging durch die Halle, als Liedermacher Danko Rabrenovi schmunzelnd berichtete, wie gut er sich integriert habe. Nur Mitglied eines Vereins sei er noch nicht geworden. Die meisten der mehr als 200 Geburtstagsgäste vergaßen in dem Moment, dass viele von ihnen mit ihrer Mitgliedschaft einen ganz besonders erfolgreichen Verein unterstützen. Er war vor 20 Jahren entstanden, als eine Beratungssprechstunde für Geflüchtete ohne Papiere eingerichtet wurde. Damals wie heute werden die Geflüchteten an Ärztinnen und Ärzte vermittelt, die bereit sind, Menschen ohne Versicherungsschutz kostenlos zu behandeln. Inga Sponheuer (Foto) ist Kinderkrankenschwester und seit 10 Jahren ehrenamtlich in dieser Sprechstunde aktiv. Sie schilderte, wie diese Arbeit aussieht. Es gäbe zwar noch einige Lücken bei bestimmten Fachbereichen, aber insgesamt läuft die Versorgung ganz gut. Dramatisch wird es, wenn in Notfällen PatientInnen im Krankenhaus behandelt werden müssen.

Der Gesetzgeber zwingt die Krankenhäuser, die Daten der „Illegalen“ an das Ausländeramt weiterzuleiten. Damit droht die anschließende Abschiebung. Also riskieren Geflüchtete oft ihr Leben und gehen nicht ins Krankenhaus. Mit fast versagender Stimme erzählte Inga Sponheuer von einer schwangeren Frau, die durch einen Riss in der Fruchtblase in Lebensgefahr geriet, aber trotz aller flehenden Bitten der Beratung aus Angst vor der Abschiebung nicht ins Krankenhaus wollte. Sie habe nie wieder etwas von der Frau gehört. Die Betroffenheit im Saal wandelt sich in Zorn, als Inga Sponheuer berichtet, dass es aktuell eine Reihe von Städten gibt, die die ärztliche Schweigepflicht – bzw in diesem Fall das Schweigerecht – höher werten als die unmenschliche Regelungen des Asylrechtes. Bochum gehöre trotz allem Drängen der MFH nicht zu diesen Städten.

Auch die übrigen Wortbeiträge waren durchweg beeindruckend und die MFH hat versprochen, die Manuskripte zur Veröffentlichung an dieser Stelle zur Verfügung zu stellen. Was bei der Feier etwas fehlte, war neben den Berichten aus der Arbeit der MFH ein solidarischer Blick von Außen auf diesen Verein. Es ist schließlich beeindruckend, welche Entwicklung dieses Projekt in den zwei Jahrzehnten genommen hat. Aus einer kleinen ehrenamtlichen Initiative ist eine hoch professionell arbeitenden Menschenrechtsinstitution geworden, die Gesundheit sehr umfassend begreift und hiermit auch international Impulse liefert. Einen besonderen Respekt verdient die MFH auch deshalb, weil sie sich durch die beachtlichen öffentlichen Zuschüsse nicht hat einkaufen lassen. Sie lässt sich nicht zur bloßen karitativen Sozialdienstleisterin reduzieren, sondern bleibt ein wichtiger und konsequenter politischer Akteur an der Seite ihrer KlientInnen.

Gut gemeint waren sicherlich die Wünsche von Barbara Eßer vom Vorstand der „Bundesarbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer“, für die Arbeit in den nächsten 80 Jahren. Allerdings: Als die MFH gegründet wurde, war es Konsens, dass es oberstes Ziel der MFH ist, überflüssig zu werden. Das gilt sicherlich auch heute noch. Bis dahin der solidarische Wunsch der Redaktion von bo-alternativ: Denkt häufiger daran, welche Bedeutung eine aktuelle Webseite heute für eine Organisation hat, die auf ganz viel Unterstützung angewiesen ist.