Wir möchten an diesem Gräberfeld an die vielen internationalen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter erinnern, die in Bochum ausgebeutet worden sind und eine schreckliche Leidenszeit erdulden mussten.
Auf dem Bochumer Stadtgebiet wurden über einhundert Lager und Unterkünfte für mehr als 32.500 Zwangsarbeiterinnen betrieben. Diese kamen aus Polen, Russland, Weißrussland, der Ukraine, Jugoslawien, Belgien, den Niederlanden, Frankreich und aus anderen besetzen Gebieten. Die Zwangsarbeiter wurden in der Landwirtschaft, in Handwerksbetrieben, in städtischen Betrieben, im Privathaushalt und in der Industrie eingesetzt. Die vielen Zwangsarbeiterinnen in Bochum müssen im Stadtbild unübersehbar gewesen sein. Bis 1942 wurden Schulen, Veranstaltungssäle und Gaststätten zu Massenunterkünften umfunktioniert. Ab Frühjahr 1942 wurden Barackenlager auf Firmen- oder Zechengelände, an Bahnstrecken und an Straßen, sowie in Waldstücken angelegt. Die Ausstattung der Baracken war auf das Notdürftigste beschränkt. In einem Raum befanden sich 15 Bettgestelle, mit Stroh gefüllte Matratzen, ein paar Spinde und Schemel. Als Schutz gegen die Kälte besaß jeder zwei Decken. Häufig fehlte selbst diese Grundausstattung. Insbesondere ab 1942, als fast täglich Transporte aus den besetzten Gebieten in den Ruhrgebietsstädten eintrafen, wurden die Zustände in den Lagern katastrophal. Das enge Zusammenleben, keine ausreichende Heizungsmöglichkeiten, miserable hygienische Verhältnisse förderten die Ausbreitung von Ungeziefer und Seuchen. Vielfach brach in den Lagern Fleckfieber und Tuberkulose aus, was für viele durch Unterernährung ohnehin geschwächte Gefangene den sicheren Tod bedeutete.
Der Oberlagerarzt Dr. Jäger schreibt in einem Bericht:
Es ist buchstäblich so, dass die Wachmannschaften außerhalb der Wohnräume sich aufhalten und schlafen, da man sich nicht in das Lager wagen kann, ohne von 10, 20 bis 30 Flöhen direkt angefallen zu werden. Ein von mir angestellter Lagerarzt hat, nachdem er total verstochen war, das Betreten des Lagers verweigert. Ich selbst, sowohl wie der mich begleitende Herr G. haben nach 2-maligen Besuch immer bös zerstochen das Lager verlassen und hatten erheblich Schwierigkeiten, die kleinen schwarzen Tierchen wieder los zu werden.“
Die massive gesundheitliche Gefährdung der Häftlinge und Zwangsarbeiter war für den Oberlagerarzt Dr. Jäger kein Thema.
Viktor Schmitko wurde als 16-jähriger verschleppt und leistete von 1942 bis 1945 Zwangsarbeit in Bochum. Er berichtete 1992 in Bochum:
„Wir legten uns schlafen und wachten auf mit dem einzigen Gedanken an Essen. Wir legten uns hungrig schlafen und standen hungrig wieder auf. Das war schwer zu ertragen. Ich arbeitete in der Schmiede an der heißen Presse mit heißem Metall, das war eine schwere Arbeit, sonntags mussten wir ebenfalls arbeiten, Reparaturen ausführen, Waggons entladen, auch das war schwer. Ich habe mir damals einen Bruch gehoben.“
Mitarbeiter des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete besuchten Ende des Jahres 1942 das Ruhrgebiet. Über Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Bochum und Wattenscheid berichteten sie:
„Bochumer Verein in Bochum: Arbeiter furchtbar heruntergekommen, Stimmung katastrophal, Lager vernachlässigt und dreckig. Essen unzureichend, Prügel. Familie auseinandergerissen. Fluchtversuche sogar von Frauen. Essen als Prämie – erst Leistung, dann Betreuung. Keinerlei Verständnis bei der Leitung…“
„Zeche Holland in Wattenscheid: Betriebsführer und Lagerführung keinerlei Verständnis, ja sogar Widerstand. Revierstube und Krankenverhältnisse unerfreulich. Baracken und Essraum kalt, unordentlich, schmutzig. Küche an Italiener verpachtet. Das warme Essen wird stehen gelassen. Die gesamten Lagerverhältnisse sind unter aller Kritik.
Die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern wurden mit dem Argument der kriegswirtschaftlichen Sachzwänge billigend in Kauf genommen.
Viktor Schmitko berichtete auch über das Verhältnis zur Zivilbevölkerung:
Die Kränkung bestand auch darin, dass wir entpersönlicht waren. Auch für den, der mit uns arbeitete, waren wir nur Lagernummern. Damals in jener Zeit spürten wir die ablehnende Haltung der Menschen auf der Straße uns gegenüber (…). Man beleidigte uns, vor allem wurden wir von Jugendlichen beleidigt.“
Die Bochumer Bevölkerung scheint die miserable Situation der Zwangsarbeiter als „normal“ wahrgenommen zu haben und verhielt sich weitgehend passiv. Das Massenelend der Zwangsarbeiter in den Lagern, ihre alltägliche Diskriminierung am Arbeitsplatz, die Terrormaßnahmen der Polizei- und Sicherheitsapparate waren von den meisten Deutschen mehr oder weniger akzeptiert worden.
Wir wollen dafür Sorge tragen, dass das unermessliche Leid der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen und die furchtbaren Verbrechen der deutschen Faschisten nicht in Vergessenheit geraten.
Zu Ehren der Zwangsarbeiterinnen haben wir rote Rosen mitgebracht.