Montag 29.04.13, 21:57 Uhr
Dejá vue: Flüchtlingscontainer in Bochum

NO LAGER!


Blick von der Königsalle auf die ersten aufgestellten Container

Blick von der Königsalle auf die ersten aufgestellten Container

Bochum ist an sich auf einem guten Weg bei der Flüchtlingsunterbringung: Nicht wenige leben bereits in Einzelwohnungen oder gemeinsam in Mehrfamilienhäusern in den Stadtteilen. Das ist auch in Bochum nicht einfach: Bezahlbare Wohnungen werden selbst hier allmählich knapp – es fehlt am Neubau. Die Erweiterung des Standortes Wohlfahrtsstrasse auf vorübergehend 250 Plätze birgt die Gefahr aller Provisorien: Nichts hält so lange wie diese. Selbst wenn es aber nur bei einem Übergang zwecks Umbaus der bisherigen Substanz sein sollte: Ohne ordentliche Infrastrukturergänzung (Gemeinschaftsräume usw.) darf das so nicht durchgehen.

Blick auf einen weiteren Baubereich

Blick auf einen weiteren Baubereich

Zwischen 130 und 170 Menschen beherbergt das ehemalige „Aussiedlerheim“ in der Wohlfahrtstrasse in drei zweigeschossigen Gebäuden. Sie leben dort zumeist zu zweit in einem Zimmer, oftmals länger als ein Jahr. Küche und sanitäre Einrichtungen werden gemeinsam genutzt. Für junge Singles wie die jetzt dramatisch in die Schlagzeilen geratene Mariama aus Guinea, mag das passen, für Familien mit Kindern nicht. Der Aufenthalts- und Spielraum für mehrere Dutzend Kinder ist kaum grösser als eine Wohnküche, ein von Flüchtlingsräten geforderter Aufenthaltsraum für Ältere (mit Telefon und Internetzugang) fehlt ganz. In den Häusern und auf den Etagen müssen jeweils kleiner Aufenthaltsräume her – Studierendenheime machen vor, wie es geht. Zudem ist seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr das Existenzminimum für Flüchtlinge zu orientieren an den Hartz IV-Vorschriften. Das gilt auch für den soziokulturellen Wohnbedarf. Anderslautende Regelungen in der Asylgesetzgebung sind damit verfassungswidrig und hinfällig.
Die Häuser sollen ab 2014 komplett umgebaut werden zu Mehrfamilienhäusern mit abgeschlossenen kompletten Wohneinheiten. Die Bewohner_innen sollen vorübergehend in neu zu errichtenden Containern untergebracht werden.
Der Zubau der Wohncontainer bringt im Grunde unzumutbare Belastungen für ohnehin nervlich und seelisch stark belastete Menschen. Die verfügbaren Freiflächen für Kinder und Erwachsene werden auf ein Minimum reduziert. Durch zügige Bereitstellung von grossen Gemeinschaftsräumen könnte der zusätzliche Stress möglicherweise etwas gelindert werden.
Der freundlich gesonnene benachbarte Fussballverein wäre vielleicht bereit, einen grosszügigen Zugang zum unmittelbar anschliessenden Bolzplatz zu gewähren.
Die Wohncontainer enthalten jeweils eine Wohnküche, einen Schlafraum und eine Nasszelle. Sie sind für drei Personen vorgesehen. Aus der Wohnküche geht es direkt ohne Vorraum hinaus ins Freie. Das ist bei schlechten Wetterverhältnissen nicht unproblematisch. Hier müssen gute, wasserabführende Plattierungen im Aussenbereich her und ein regen- und windgeschützer Zugang zu den Gemeinschaftsräumen. Mit Grausen erinnern wir noch die matschigen Weg im Containerlager Hiltroper Strasse.
Die Stadt Bochum sollte „Nägel mit Käppen“ machen: Es ist damit zu rechnen, dass in Zukunft der Wohnraumbedarf für Zugewanderte eher zunehmen wird. Auch wenn es FRONTEX immer besser gelingt, die Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen, statt ihnen ins Leben zu helfen, ist doch zu hoffen, dass immer mehr Menschen sich hierher werden retten können. Auch die ab 2014 hier arbeitsberechtigten Menschen aus Rumänien und Bulgarien wollen untergebracht werden. Darum muss die Stadt Bochum zügig daran arbeiten, verfügbaren Wohnraum zu schaffen und ständig eine Reserve bereit zu halten. Die Würde des Menschen steht nicht unter Finanzierungsvorbehalt – grundgesetzliche und menschenrechtliche Vorgaben sind auf jeden Fall einzuhalten.
Vergangenen Freitag gab die Sozialbehörde der interessierten Öffentlichkeit einen Einblick in die Planung und den Stand der Baumaßnahme. Vertreten waren auch die Grünen, die traditionell sehr sensibel sind Bezug auf Flüchtlingsangelegenheiten. Von der Linken und der Sozialen Liste war hingegen niemand zu sehen. Bei Gesprächen mit Bewohner_innen entstand der Eindruck, dass sie sich unzureichend über das Geschehen und die Planung informiert fühlen, geschweige denn einbezogen sind in die Bewältigung der damit verbundenen extremen Belastungen.

Lagerplan; oben links ist eine Ecke des querstehenden 2. Gebäudes zu sehen, das 3. längsstehende Gebäude befindet sich oben rechts außerhalb der Abbildung

Lagerplan; oben links ist eine Ecke des querstehenden 2. Gebäudes zu sehen, das 3. längsstehende Gebäude befindet sich oben rechts außerhalb der Abbildung