Dienstag 03.07.12, 17:21 Uhr

Rechtssicherheit ≠ Musikzentrum


Am Donnerstag soll der Rat der Stadt Bochum einen Feststellungsbeschluss fassen, wonach die Bedingungen für die Errichtung eines Musikzentrums sämtlich erfüllt seien. Dr. Ralf Feldmann, Amtsrichter und Ratsmitglied der Linken, wird nicht dabei sein, weil er sich einen langfristig geplanten Urlaub befindet. Die Ratssitzung ist wegen der Konzerthausentscheidung bekanntlich verschoben worden. Er hat seine Bedenken gegen den Beschlussvorschlag der Verwaltung aufgeschrieben:  »Von den Investitionskosten für ein Bochumer Musikzentrum sollen 16,528 Mio. Euro aus EU/Bundes/Landesmitteln aufgebracht werden. Jetzt noch 14 Mio. Euro will die Stiftung Bochumer Symphonie beitragen, wovon wiederum 1,5 Mio. Euro durch Sponsoring der Sparkasse Bochum geleistet werden sollen. Im Grundsatzbeschluss vom 9.3.2011 hat der Rat der Stadt Bochum den Bau neben anderen Bedingungen davon abhängig gemacht, dass diese Finanzierungsanteile „rechtssicher zur Verfügung stehen“. In zwei Beschlussvorlagen für die Ratssitzung am 5. Juli schlägt die Verwaltung die Feststellung vor, dass die Bedingungen des Grundsatzbeschlusses sämtlich eingetreten seien. Dies ist hinsichtlich der Landesförderung und der Finanzierungszusage der Stiftung Bochumer Symphonie nicht der Fall. Rechtssicher sind die Zusagen nur, wenn daraus ein mit Erfolg einklagbarer öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Anspruch der Stadt gegen den Zusagenden entsteht.
Was die Landesförderung aus Städtebauförderungsmitteln in Höhe von 9,528 Mio. Euro anbelangt, so weist die Verwaltungsvorlage darauf hin, dass bis zur Ratssitzung zwar eine Förderungszusage vorliegen solle, allerdings verbunden mit der einschränkenden Klausel, dass daraus kein Anspruch auf einen Förderbescheid bestehe. Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass  das Land – ohne wirksamen Haushalt, nachdem dieser vom Landesverfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt worden ist – zur Zeit solche Förderverpflichtungen nicht eingehen darf. Trotz dieser klaren Rechtslage will das Land zur beabsichtigten Förderung einen vorläufigen Maßnahmebeginn genehmigen und das Projekt in die Priorität A hochstufen. Verbunden mit einer Ministerzusage, die angesichts des fehlenden Haushalts zwar politisches Gewicht, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit hat, ergibt sich durch diese rechtlichen Umgehungsmaßnahmen nach Auffassung der Verwaltung bereits ein rechtssicherer Anspruch auf die zugesagte Förderung. Die Verwaltungsvorlage lässt jede Begründung dafür vermissen, warum sich das Land zur Zeit trotz fehlender Verpflichtungsmacht durch eine Umgehungskonstruktion rechtssicher verpflichten können sollte, obwohl es selbst in der Förderzusage mitteilen wird, dass kein Anspruch auf einen Förderbescheid bestehe. Das beabsichtigte Vorgehen des Landes mag politisch durchaus eine Aussicht auf die angekündigte Förderung begründen, „rechtssicher zur Verfügung“ steht diese dadurch nicht.
Was die Zusage der Stiftung Bochumer Symphonie anbelangt, so ist diese privatrechtlich  – auch die Verwaltungsvorlage geht davon aus – eine Schenkung. Ein Schenkungsversprechen bedarf gemäß § 518 BGB zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Diese liegt nicht vor.
Die Zusage der Stiftung ist deshalb rechtlich unverbindlich. Sie gibt der Stadt Bochum keinen mit Erfolg einklagbaren Anspruch. Die notarielle Beurkundung wäre nur dann und insoweit entbehrlich, wenn die von der Stiftung zugesagte Leistung bereits geleistet worden wäre. Aus der Bürgschaftszusage der GLS-Bank ergibt sich aber, dass sich auf dem Konto der Stiftung – ohne irgendeine Verfügungsmacht der Stadt –  8,375      Mio. Euro befinden, der Rest muss ohnehin noch eingesammelt werden.
Zudem ist die Stiftung, wie sich aus dem Inhalt ihrer Zusage ergibt, nicht einmal bedingungslos schenkungsbereit, sondern nur dann, wenn der Rat bis zum 13. Juli den Bau beschließe, der zudem bis zum Jahresende begonnen haben müsse. Ihren Finanzierungsbeitrag will sie erst proportional nach Baufortschritt erbringen.
Die Unwirksamkeit der Verpflichtung der Stiftung macht zugleich die selbstschuldnerische Bürgschaft der GLS-Bank über einen Teilbetrag von 4,125 Mio. wertlos. Die Bank müsste nämlich als Bürgin für die Hauptverbindlichkeit der Stiftung nur dann eintreten, wenn eine solche gegenüber der Stadt überhaupt bestünde. Der Bankvorstand würde sich gegenüber der Bank sogar schadensersatzpflichtig machen, wenn er auf der Grundlage der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage einer Bürgschaftsverpflichtung nachkäme. Es befremdet, dass Herr Jorberg, in Personalunion sowohl Stiftungs- als auch GLS-Bankvorstand, öffentlich den Eindruck zu erwecken versucht, der Finanzierungsanteil der Stiftung sei nun rechtlich sicher. Es erscheint ausgeschlossen, dass er sich rechtlich nicht hat beraten lassen.  Als Ergebnis der Beratung wird er wissen, dass zur Zeit weder die Stiftung noch die Bank rechtlich verpflichtet ist, die zugesagten Beiträge zu erbringen. Dennoch halten es Stiftung und Bank für richtig, ohne eigenes Obligo Termindruck auf den Rat auszuüben. Noch erstaunlicher, dass die Verwaltung – sicherlich nach Überprüfung durch das Rechtsdezernat – dem Rat nahezubringen versucht, ein unwirksam begründeter Anspruch sei rechtssicher, obwohl bereits der einfache Blick ins BGB das Gegenteil erweist.
Wenn der Rat dennoch am 5.Juli den Feststellungsbeschluss fassen sollte, die Finanzierungselemente nach dem Grundsatzbeschluss stünden rechtssicher zur Verfügung, wäre dieser Beschluss offensichtlich rechtswidrig. Da kaum zu erwarten ist, dass die Oberbürgermeisterin, die die Verwaltungsvorlage fraglos mitverantwortet, einen solchen Beschluss beanstanden würde, sollte notfalls der Regierungspräsident dazu aufgefordert werden.
Der Rat wäre allerdings nicht daran gehindert, einen Baubeschluss losgelöst von den Bedingungen seines Grundsatzbeschlusses vom 9.3.2011 zu fassen. Dies wäre indes ein völlig neuer Beschluss, welcher der Bürgerinitiative gegen das Musikzentrum zweifelsfrei das Recht gäbe,
einen Bürgerentscheid dagegen auf den Weg zu bringen. Dies zu erschweren oder zu verhindern verleitet die Verwaltung dazu, dem Rat  einen rechtswidrigen Feststellungsbeschluss vorzuschlagen.