Dienstag 10.04.12, 19:27 Uhr

Naziterror, Verfassungsschutz und der ganz alltägliche Rassismus


Opfer rechter Gewalt

Das Antifa-Referat der EFH Bochum lädt zu einer interessanten Veranstaltung am Mittwoch, 18. April um 19 Uhr in den Bahnhof Langendreer ein. (Aktualisierung 16.04.2012: Die Veranstaltung wird organisiert von StudentInnen der EFH Bochum) Die sächsische MdL Kerstin Köditz von der Linkspartei und der Autor Volkmar Wölk werden dort über das Thema “ Naziterror, Verfassungsschutz und der ganz alltägliche Rassismus“ referieren. Die VeranstalterInnen schreiben:  „Über 10 Jahre lang war in Deutschland ein rechtsterroristisches Netzwerk namens NSU tätig. Seine Mitglieder ermordeten seit 2000 bundesweit neun migrantische Kleinhändler, verübten zig Überfälle und Sprengstoffanschläge auf migrantische Einrichtungen und Treffpunkte, erschossen eine Polizistin und begingen zahlreiche Banküberfälle. Keine dieser Taten, kein Mitglied dieses Netzwerkes flog bis zum November 2011 auf. Erst die Zufallsbeobachtung eines Passanten brachte die Polizei auf die Spur zweier Mitglieder, die sich ihrer Verhaftung anscheinend durch Selbstmord entzogen. Die Aufdeckung als rechtsterroristische Organisation aber übernahm das Netzwerk selbst. Bekennervideos wurden verschickt, die die Morde und Anschläge zueinander in Verbindung brachten und einen nationalsozialistischen Hintergrund offenbarten. Eine weitere Hauptverdächtige stellte sich einige Tage später den Behörden. Upppps – Nazis fallen vom Himmel.
Noch einige Monate zuvor, im Juli 2011, hatte der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) geäußert, dass es keine unmittelbare Gefahr für rechte Terroranschläge in Deutschland gäbe. Einen deutschen Rechtsterrorismus konnte sich der Innenminister nicht vorstellen. Nicht nach den letzten zwei Jahrzehnten. Nach den Pogromen der 90er, den Wellen von nächtlichen Brandstiftungen a la Mölln, Hünxe und Solingen, nach fast 200 rassistischen und faschistischen Morden seit 1990, der steigenden Anzahl rechter Überfälle und Gewalttaten, den Wehrsportgruppen von und Waffenfunden bei Rechten. Dabei waren jene Netzwerke der Rechtsradikalen, aus denen sich diese NSU speist, seit Jahren von den diversen Geheimdienste gut ausspioniert. Verfassungsschutzagenten, LKA und BKA waren gut informiert und finanzierten auch die ein oder andere Maßnahme dieses Netzwerkes. Aber ohne dieses zu stoppen oder deren Inhaftierung einzuleiten. Was man heute über dieses Netzwerk erfahren kann, kam erst nach der Selbstoffenlegung der Terroristen heraus. Nicht dank, sondern trotz der Geheimdienste. Nach fast einem halben Jahr haben sich viele Fragen zum und an Hand des Rechtsterrorimus ergeben. – Warum sollte man den Verfassungsschutz nicht abschaffen? Wenn sein Wirken derart ist, dass er a) die Gesellschaft vor Rechtseterrorismus nicht schützt b) diesen zu finanzieren scheint und c) die Rechtsextremen vor Bestrafung und Sanktionen schützt (siehe NPD-Verbot)? – Reichen die medial initiierten Trauerveranstaltungen von PolitikerInnen aller Staatsparteien um die tägliche rassistische Exklusion durch den deutschen Staat wett zu machen? – Wieviel und was muss innerhalb von Justizbehörden und staatlichen Polizeiapparat an antirassistischer Gesinnungsänderung erfolgen, dass diese durch ihre Ermittlungsmethoden und -bemühungen nicht migrantische Opfer zu Tätern machen und somit Nazis und Rassisten decken und zu weiteren Taten ermuntern? – Was muss sich in der Presselandschaft ändern, dass nicht mehr in sozialdarwinistischen und rassistischen Stereotypen menschenfeindliche Propaganda a la „Sozialschmarotzer“, „Scheinasylanten“ und „Dönerkiller“ betrieben wird? – Wie und was muss geschehen menschenfeindlichen und extrem rechten Einstellungen das Wasser abzugraben? Welche praktischen Überlegungen und Schritte sollte sich antifaschistische Akteure angesichts dieser Dimensionen rechter Gewalt zulegen? – Was und wie muss vorgegangen werden, eigene Desensibilisierung und Akzeptanz gegenüber rassistischer Exklusion aufzuheben und solidarischer mit MigrantInnen zu sein? Dies sind nur einige Fragen, die sich aus den Überlegungen zur NSU und den Rechtsterrorismus in Deutschland ergeben.
Wir haben Kerstin Köditz als MdL für „Die Linke“ im Sächsischen Landtag und Volkmar Wölk als Experten für die Neue Rechte eingeladen, um über die NSU zu referieren und mit uns über anstehende Fragen zu diskutieren.
Kerstin Köditz ist Mitglied des Landtages in Sachsen, Obfrau der Linken im Innenausschuss und seit 2010 Mitglied der Parlamentarische Kontrollkommission, also des Gremiums, das die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen überwachen soll.
Volkmar Wölk ist einer der besten Kenner der extremen Rechten in Deutschland und dem europäischen Ausland, Autor vieler Publikationen zum Themenkreis und Mitglied des DGB-Vorstandes im Landkreis Leipzig

Mi, den 18. April 2012, 19.00 Uhr
Bahnhof Langendreer  44894 Bochum Raum 6

Wir behalten uns das Recht vor, gegebenenfalls Rechtsextremisten von der Veranstaltung auszuschließen.“

VeranstalterIn: Antifa.Referat des ASTA der EFH-Bochum