Dienstag 24.01.12, 12:31 Uhr

Jugendarbeit: jährlich 5 Prozent Kürzung


In einem Offenen Brief an Oberbürgermeisterin Scholz und an Sozialdezernentin Anger schreibt der Bochumer Kinder- und Jugendring: »Sehr irritiert haben wir die erneuten Kürzungsvorschläge der Verwaltung für die Kinder- und Jugendarbeit zur Kenntnis genommen. Dies ist eine schallende Ohrfeige für die vielen Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen, die seit vielen Jahren engagierte Arbeit und sehr viel Gutes für Kinder und Jugendliche in unserer Stadt leisten.  Schon jetzt steht den Jugendverbänden das Wasser bis zum Hals: Der Kinder- und Jugendförderplan für den Zeitraum 2010 bis 2014 sieht keinen Ausgleich für die Kinder- und Jugendarbeit für Personalkostensteigerungen, für erhöhte Raumkosten und für die Inflation vor. Die Fördermittel für die Kinder- und Jugendarbeit werden lediglich fortgeschrieben. So wie es leider seit vielen Jahren in Bochum Praxis ist. Faktisch bedeutet dies für die Träger eine jährliche Kürzung der Zuschüsse um ca. 5 %.
Besonders problematisch ist die Fördersituation für die Jugendverbände und für die Jugend-initiativen, die sich im Kinder- und Jugendring Bochum e.V. zusammen geschlossen haben. Die Jugendverbände haben den Auftrag der Integrationskonferenz, sich für Migrantenkinder und –jugendliche zu öffnen, sehr ernst genommen. Mit der „Alevitischen Jugend Bochum“, dem „Forum für Kinder und Jugendliche im DARF e.V.“ (Deutsch-Afrika Ruhr Forum), der „IFAK e.V.“, dem „Internationalen Kulturverein Wattenscheid e.V. (DIDF-Jugend), „ISTOK e.V.“, der „Jugend des Islamischen Kulturvereins“, der „Jugend der Jüdischen Gemeinde“, „Lukomorje e.V.“ und „Planet Afrika e.V.“ sind 9 Migrantenjugendorganisationen Mitglied im Jugendring geworden. Der Kinder- und Jugendring Bochum hat damit bei der interkulturellen Öffnung der Jugendringe eine Vorreiterrolle in NRW übernommen. Neue Zielgruppen können an der Jugend-förderung partizipieren. Die Anzahl der Mitgliedsverbände des Jugendrings ist von 16 Verbänden und Vereinen 2008 auf 27 Verbände und Vereine 2011 angewachsen.
Nur die Grundförderung der Jugendverbände ist entsprechend der Erhöhung der Mitgliederzahl angepasst worden. Die Fördersummen für „Außerschulische Bildung“, für „Jugenderholung“ und für „Internationale Jugendbegegnungen“ sind nicht erhöht worden. Besonders belastet sind die Jugendverbände zusätzlich durch eine drastische Kürzung im Bereich der „Jugendheime“. Mit der Verabschiedung des Haushaltssicherungskonzeptes ist beschlossen worden, die Zuschüsse für Jugendheime in drei Kürzungsschritten (Kürzung ab 2010 um 20.000 €, zusätzliche Kürzung ab 2012 um 20.000 €, zusätzlich Kürzung ab 2013 um 10.000 €) um 50.000 € oder 40 % zu kürzen. Dabei ist vollkommen unstrittig, dass ohne geeignete Räumlichkeiten die Arbeit der Jugendini-tiativen und Jugendverbände nicht stattfinden kann.
Sollte keine Anpassung der finanziellen Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit ab dem Haushaltsjahr 2012 erfolgen, können die Leistungen der Kinder- und Jugendarbeit nicht mehr im gewohntem Umfang aufrecht erhalten werden.
Jugendverbandsarbeit wird ganz überwiegend von Ehrenamtlichen getragen. Sie leiten regelmäßige Gruppenstunden, betreuen Ferienmaßnahmen, führen Projekte durch, organisieren Unterstützungs- und Fördermaßnamen wie Nachhilfe und Berufsorientierung und bilden sich in Schulungen und Kursen fort und investieren dafür sehr viel an Zeit und Energie.
Dies alles wird mit sehr geringen finanziellen Mitteln geleistet.
Die Jugendverbände unterscheiden sich zwar in ihrer Größe, Ausrichtung auf ein bestimmtes Werteverständnis, in ihren Inhalten und Angebotsformen und nach ihren Zielgruppen. Sie alle eint aber ihr Engagement für Kinder und Jugendliche in Bochum und ihren Einsatz für die Interessen der jungen Generation. Sie setzen sich für Bildungsgerechtigkeit ein und gestalten „außer-schulische Bildung“. Jugendverbände arbeiten mit Schulen zusammen, bieten regelmäßig Nachhilfe, Hausaufgabenbetreuung und Sprachförderung an. Von diesen Angeboten profitieren insbesondere Migrantenkinder und –jugendliche.
Die Jugendverbände engagieren sich im Kinderschutz und reagieren flexibel und kompetent auf gesellschaftliche Veränderungen.
Die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit haben außerdem eine wichtige Bildungsfunktion für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Junge Menschen eignen sich annähernd 70 % ihres Wissens außerhalb von Schule an. Für sie sind die Jugendverbände wichtige außerschulische Lernorte, an denen soziales Verhalten, Teamfähigkeit, Medienkompetenz und die Übernahme von Leitungsaufgaben erlernt werden kann.
Es ist nicht möglich, Bochum als „Stadt der Bildung und Wissenschaft“ zu profilieren und gleichzeitig die Bildungsangebote der Kinder- und Jugendarbeit einzuschränken.
Die Jugendverbände sind wichtige Wertevermittler und ermöglichen Kindern und Jugendlichen das Erlernen von demokratischen Regeln. Das Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit ist die zentrale inhaltliche Klammer der Jugendverbände und Jugend-initiativen, die im Kinder- und Jugendring Bochum organisiert sind. Die Erfahrungen der Jugendverbände und der Jugendringe in den neuen Bundesländern belegen eindeutig, dass Rechtsextremisten dort stärker werden, wo Jugendverbände ihre Angebote aufgrund weg-brechender Förderung nicht mehr im notwendigen Umfang aufrecht erhalten können.
Die vielfältigen und wichtigen Aufgaben können Jugendverbände nur leisten, wenn nicht ständig über Kürzungen diskutiert wird und die Fördermittel – so wie es auch in anderen Bereichen selbstverständlich ist – angepasst werden, um die guten Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit in Bochum leistungsfähig zu erhalten.«