Mittwoch 18.01.12, 08:46 Uhr

Serdar Yüksel rechtfertigt Polizeieinsatz


Die WAZ berichtete, dass der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel den SEK-Polizeieinsatz am Neujahrsmorgen in den Wattenscheider Flüchtlingsheimen für richtig und angemessen hält. Bo-alternativ.de hat Serdar Yüksel um die Stellungnahme gebeten, die er nach der Sitzung des Innenausschuss des Landtags NRW am 12. 1. abgeben hat und dokumentiert sie nachfolgend: »Am 1.1.2012 gegen 05.10 Uhr wurden auf der Hochstraße in Bochum-Wattenscheid unter noch nicht genau geklärten Umständen mehrere Schüssen auf zwei Brüder serbisch-montenegrinischer Herkunft und deren aus dem Kosovo stammenden Freund abgegeben. Einen der Brüder traf ein Schuss in die Brust und in die Hand, der andere wurde im linken Oberschenkel getroffen. Der Freund blieb unverletzt.
Nach den Mitteilungen der Opfer flüchtete der Tatverdächtige unmittelbar mit einem PKW Mercedes Benz, dunkel mit italienischem Kennzeichen, in dem noch zwei weitere Männer saßen.
Das beschriebene Fluchtfahrzeug wurde gegen 05.30 Uhr im Rahmen der Fahndungsmaßnahmen vor dem Haus Emilstraße 48 festgestellt.
Die ersten Aussagen der Geschädigten ergaben Hinweise auf die Tatverdächtigen. Die beiden als Übergangswohnheime von Asylbewerbern genutzten Häuser Emilstraße 46 und 48 wurden daraufhin von der Polizei umstellt, weil aus den vorangehenden Feststellungen der Verdacht bestand, dass die Tatverdächtigen in diese Häuser geflüchtet waren.
„Weil die Gesuchten zuvor rücksichtslos und gezielt von einer Schusswaffe Gebrauch gemacht hatten, kam eine sofortige Durchsuchung der Häuser nicht in Betracht“, so Serdar Yüksel. Diese hätte sowohl das Risiko des erneuten Schusswaffengebrauchs der Tatverdächtigen auf Polizeibeamte wie auch eine Geiselnahme bei den Hausbewohnern befürchten lassen.
Gegen 08.50 Uhr ordnete der zuständige Ermittlungsrichter am Amtsgericht Bochum auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum die Durchsuchung der Objekte zur Ergreifung der Tatverdächtigen und zum Auffinden der Schusswaffe, die Beschlagnahme des Fluchtfahrzeugs sowie die Untersuchung auf Schmauchspuren bei allen angetroffenen Personen an, die als Schütze oder Mittäter in Betracht kamen.
Gegen 09.05 Uhr begann die Durchsuchung unter Einbindung von Spezialeinsatzkräften, die gegen 10.00 Uhr abgeschlossen war.
Von der Durchsuchung waren insgesamt 51 Personen betroffen, davon 14 Männer, 19 Frauen und 18 Kinder.
Alle angetroffenen Männer, auf die die Beschreibung des Täters zutreffen konnte, wurden aus Gründen der Eigensicherung und der Beweissicherung mit Handfesseln gesichert und zur Feststellung von Spuren der Tat sowie zur Identitätsfeststellung dem Polizeipräsidium zugeführt. Dabei handelte es sich um 13 Personen, weil ein erkennbar sehbehinderter Mann sofort als Tatverdächtiger ausgeschlossen werden konnte. „Frauen und Kinder waren von diesen Maßnahmen nicht betroffen“, so Serdar Yüksel auf die vorgebrachte Kritik.
Alle unverdächtigen Männer wurden unmittelbar nach Abschluss der Maßnahmen entlassen. Zwei Personen konnten als Halter des Fluchtfahrzeuges bzw. als dessen Sohn identifiziert werden; der Sohn führte auch den Schlüssel des Fluchtfahrzeuges mit sich. Diese beiden Personen wurden vorläufig festgenommen. Sie wurden am 02.01.2012 nach Entscheidung der Staatsanwaltschaft entlassen, weil die vorliegenden Ermittlungsergebnisse noch keinen dringenden Tatverdacht begründeten. Es handelt sich bei diesen Personen nicht um Bewohner, sondern um Besucher des Übergangsheimes, die sich nach eigenen Angaben seit dem 27.12.2011 dort aufgehalten haben, um eine dort wohnende Verwandte zu besuchen.
An den durchsuchten Häusern bestand ein enger Kontakt zu insgesamt vier Bediensteten des für die Heime zuständigen Sozialdienstes der Stadt Bochum. So wurde z. B. aus den Gesprächen zwischen Polizei und Sozialdienst die vorrangige Behandlung eines Dialyse-Patienten realisiert. Kinder, die Eltern oder Bediensteten des Sozialdienstes auffällig erschienen, wurden durch eine Psychologin des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes zusammen mit einer Ärztin und weiterem Personal des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt Bochum untersucht. Diese Untersuchungen haben ergeben, dass keines dieser Kinder durch den Einsatz traumatisiert wurde.
Weitere Auskünfte zum Sachverhalt hat sich aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens die zuständige Staatsanwaltschaft in Bochum vorbehalten.
Zunächst lässt sich zu diesem Themenkomplex fragen, ob diese Maßnahme verhältnismäßig durchgeführt worden sei und ob in solchen Fällen üblicherweise so vorgegangen werde.
Dazu ist folgendes festzustellen: „Die rechtliche Zulässigkeit der Maßnahme bemisst sich zunächst einmal nach der Anordnung des Ermittlungsrichters am Amtsgericht Bochum. Die Maßnahmen der Polizei erfolgten im Rahmen dieser Anordnung. Die Art und Weise der Durchführung solcher Maßnahmen entscheiden die damit befassten Polizeiführer. Der Bochumer Polizeiführer erachtete es als erforderlich, der Möglichkeit eines neuerlichen Schusswaffengebrauchs des Tatverdächtigen oder einer zu befürchtenden Geiselnahme durch den Einsatz von Spezialeinsatzkräften und einen schnellen, konsequenten Zugriff auf alle Wohnbereiche der beiden Häuser zu begegnen.“, so Serdar Yüksel.
„Nach Sitzung des Innenausschusses erachte ich unter Zugrundelegung der zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bekannten Umstände und auch heute als lageangemessen und verhältnismäßig.“, so Serdar Yüksel weiter.
Weiterhin sind die möglichen Auswirkungen dieses SEK-Einsatzes auf traumatisierte Flüchtlingsfamilien zu beleuchten und deren Nachsorge von Interesse. Zu diesem Aspekt ist zu bemerken, dass polizeiliche Zwangsmaßnahmen, die für den Betroffenen nicht unmittelbar erklärlich sind, für jeden Bürger und insbesondere für Asylbewerber mit Opfer-Vorerfahrungen mit dem Risiko einer Traumatisierung verbunden sind.
Im vorliegenden Fall konnte eine auch für diese Zwecke zunächst in Aussicht genommene Unterbringung aller Personen in einem nahegelegenen Kindergarten nicht realisiert werden. Da aber immer zwei, phasenweise vier Bedienstete des Sozialdienstes der Stadt Bochum, unter anderem die stellvertretende Amtsleiterin, unmittelbar vor Ort waren, wurde auf die Hinzuziehung spezifischer polizeilicher Kräfte im Einvernehmen mit den Bediensteten des Sozialdienstes der Stadt Bochum verzichtet.
Eine Untersuchung auffällig erscheinender Kinder in beiden Unterkünften durch eine Psychologin des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes zusammen mit einer Ärztin und weiterem Personal des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt Bochum hat nachfolgend keine Hinweise auf Traumatisierungen durch den Einsatz erbracht.«