Sonntag 06.11.11, 16:46 Uhr

Neuerscheinung: „Im Griff der Medien“


Afghanistan-Krieg, Weltwirtschaftskrisen, Aufstandsbekämpfung – Medien sind längst nicht nur Beobachter, sondern mischen kräftig mit. Im Unrast Verlag hat der Bochumer Journalist und Sozialwissenschaftler Rolf van Raden jetzt zusammen mit dem Leiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung Siegfried Jäger ein neues Buch herausgegeben. Der Band versammelt Beiträge von namhaften WissenschaftlerInnen und JournalistInnen. Sie alle analysieren, wie Medien mit Ausnahmezuständen umgehen, wie sie diese mitproduzieren und deuten. Im Vorwort schreiben die Herausgeber: „Zu der Gesamtheit der Krisenerfahrungen gehört außerdem die Prekarisierung immer weiterer Lebensbereiche, ebenso wie der zunehmende Abbau der sozialen Sicherungssysteme. Während diese politischen Entwicklungen mit angeblichen ökonomischen Sachzwängen plausibilisiert werden, folgen die Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten dem Imperativ vermeintlicher Sicherheit. Den permanenten Notstand proklamierend, werden staatliche Maßnahmen gefordert und durchgesetzt, die behaupten, ‚Normalität’ wieder herstellen zu können. Medien treten in diesen Diskursen innerer und äußerer Sicherheit zunehmend als politische Akteure auf. Feindbilder werden erschaffen, Notstände werden personalisiert.“ Das Buch ist ab sofort im Buchhandel erhältlich. Zur Verlagsankündigung.

Zu den Beiträgen im Einzelnen:

– Unter dem Titel „Medien, Macht und Meinungsmache“ stellt der Journalist und Autor Tom Schimmek dar, wie sich der Journalismus im Rahmen von Marktlogiken und politischer Willfährigkeit selbst marginalisiert hat.

– In einem Aufsatz zur „Normalisierung der Krise“ entwickelt der Diskurstheoretiker Jürgen Link ein theoretisches Modell, um zu beschreiben, wie die Massenmedien in politische Programme zur Bewältigung der Weltwirtschaftskrise eingebunden sind.

– Sebastian Friedrich und Hannah Schultes analysieren in ihrem Beitrag „Alles nur Sarrazin?“, wie sich in der von Berichterstattung über Thilo Sarrazins Bestseller vier zentrale Diskurse (Leistung, Einwanderung, Islam und Demografie) unheilvoll verschränken und dabei Ausgrenzung und Rassismus (re)produziert wird.

– Margarete Jäger und Siegfried Jäger gehen in ihrem Beitrag „Afghanistan und die Medien“ der Frage nach, wie der Afghanistankrieg angesichts seiner Ablehnung seitens der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland medial kommuniziert wird.

– Der Journalist Andreas Zumach berichtet in „Gute Medien, böser Krieg? Die Rolle der Medien zur Schaffung und Stabilisierung von Kriegsbereitschaft“ von seinen langjährigen Erfahrungen als Auslandskorrespondent, unter anderem am Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf.

– Thomas Kunz analysiert und interpretiert in seinem Beitrag „Und ewig droht der jugendliche Ausländer“ zwei Foto-Love-Stories aus der Jugendzeitschift Yam!, die bis zum Jahr 2009 wöchentlich im Axel-Springer-Verlag erschien. Dabei zeigt er, wie im Medium Jugendzeitschrift popkulturelle Fremd- und Feindbilder konstruiert werden, die Jugendliche mit Migrationshintergrund als gefährliche Abweichung von der deutschen Normalität beschreiben.

– In ihrem Beitrag „Orientalismus am Beispiel der Türkei“ stellen Stefanie Girstmair, Katharina Hametner, Markus Wrbouschek und Daniel Weigl eine Kritische Diskursanalyse vor, in der sie untersuchen, wie europäische Identität in der österreichischen Tageszeitung Kurier über die Abgrenzung zur Türkei inszeniert wird.

– Regina Wamper untersucht in „Notstandsproduktionen“ die Medienberichterstattung zu den Demonstrationen am 1. Mai 2010 in Berlin und zu den Protesten gegen den Castor-Transport Anfang November 2010.

– In ihrem Beitrag „Im Beichtstuhl der Medienstellt Hannelore Bublitz dar, wie sehr sich das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit in der Internet- und Mediengesellschaft verändert hat, und wie gleichzeitig Unternehmen einen Zugriff auf den ganzen Menschen im Namen der Ökonomie fordern und medial durchsetzen.

– Unter dem Titel „Übernehmen Sie selbst die Verantwortung, bleiben Sie am Ball!“ analysiert Niels Spilker „Selbsthilfe-Ratgeber als Medien einer neoliberalen Regierung der Arbeit“.

– Jobst Paul beschäftigt sich in seinem Beitrag „Von Gladiatoren, Grenzschützern und Collateral Murder“ mit den Codes und Ritualen von Gewaltdarstellungen, die sich in US-Militärvideos, in der Berichterstattung zur Loveparade-Katastrophe 2010, in TV-Casting-Shows und selbst Lern-Computerspielen nachweisen lassen.

 

– In seinem Beitrag „Ende der Berlusconi-Ära? Deutungskämpfe und Sagbarkeitsfelder in den italienischen Medien“ analysiert Jörg Senf Mediendiskurse rund um die Auseinandersetzungen über Silvio Berlusconi.

– In „Overcoming Fear“ berichtet Gabriel Kuhn über Widerstandsformen und Alternativen im Medienbereich, die in der Lage sind, der politisch instrumentalisierten Angst vor Krisen und Ausnahmezuständen etwas entgegen zu setzen.