Dienstag 22.02.11, 21:14 Uhr
DGB: Leiharbeiterlohn 45 % niedriger

Sklavenmarkt in der Innenstadt


Der DGB ruft am 24.02.2011 zu einem Aktionstag gegen Lohndumping und für sichere und faire Arbeit auf: »In Bochum wird ab 16.00 Uhr ein Sklavenmarkt statt finden. Bei der Aktion gegenüber dem Hauptbahnhof, Huestr, bieten sich prekär Beschäftigte zum Kauf an. „Vor dem Hintergrund der Einigung von Bundesregierung und Bundesrat, ab 1. Mai einen Mindestlohn für die Leiharbeit und andere Branchen einzuführen, brauchen wir jetzt Druck auf den Gesetzgeber die Höhe so festzusetzen, dass „Arm trotz Arbeit“ nicht mehr möglich ist. Ziel muss der Grundsatz „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ sein, “ fordert DGB Regionsvorsitzender Michael Hermund.
Leiharbeiter werden auch im Bezirk der Arbeitsagentur Bochum deutlich schlechter bezahlt als andere Beschäftigte. Erstmals hat jetzt der DGB eine Sonderauswertung der BA-Statistik zu den Bruttoverdiensten für die Leiharbeitskräfte im Arbeitsagenturbereich Bochum vorgelegt.
„Die finanzielle Lage ist noch weit schlechter als wir befürchtet haben. Auch bei uns können viele trotz Vollzeitarbeit von ihrem Gehalt als Leiharbeiter nicht leben; sie müssen oftmals einem Zweitjob nachgehen oder sind auf Hartz IV angewiesen. Leiharbeiter leisten die gleiche Arbeit wie andere Beschäftigte, bekommen aber deutlich weniger Geld und werden auch häufiger entlassen“, so DGB Regionsvorsitzender Michael Hermund.
Im Arbeitsagenturbezirk Bochum haben die Leiharbeitskräfte Ende 2009 im Schnitt nur 1.588 € brutto im Monat verdient; dabei sind sie einer sozialversicherten Vollzeitbeschäftigung nachgegangen. Dies sind gut 1.200 € im Monat weniger als Vollzeitbeschäftigte in der Region insgesamt. Obwohl viele Betriebe schlecht bezahlen, verdienen Leiharbeitskräfte nochmals rund 45 Prozent weniger als andere Vollzeitbeschäftigte in der Region. Noch größer ist der Lohnabstand im Vergleich zum Verarbeitenden Gewerbe in dem Leiharbeitskräfte häufig eingesetzt werden. Der Unterschied beträgt hier monatlich 1.795 € brutto bzw. 53 Prozent.
Der DGB-Auswertung liegen die Lohnangaben der Betriebe zur Sozialversicherung für 2.860 vollzeitbeschäftigte Leiharbeitskräfte in Bochum und Herne zugrunde. Gut ein Viertel dieser Leiharbeitskräfte (727 Beschäftigte) hat weniger als 1.200 € brutto im Monat verdient und weitere 20 Prozent kamen nur auf ein Bruttoeinkommen von 1.200 € bis 1.500 € monatlich. Im Unterschied zum Verleihgewerbe verdienten immerhin 75 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten in der Region mehr als 2.100 € und im Verarbeitenden Gewerbe waren es sogar 90 Prozent der Beschäftigten mit Vollzeitjobs.
Selbst unter Einbeziehung unterschiedlicher Qualifikationen ist dieser große Einkommensabstand nicht gerechtfertigt. Leiharbeitskräfte werden in allen Qualifikationsstufen meist schlechter bezahlt als es ihrer Qualifikation entspricht.
Ergänzende Auswertungen des DGB zeigen, dass in NRW Leiharbeitskräfte mit Berufsabschluss gleichfalls rund 43 Prozent weniger verdienen als Vollzeitbeschäftigte mit Berufsabschluss insgesamt. Landesweit verdienten auch sie im Schnitt mit 1.683 € brutto monatlich erheblich weniger als Vollzeitbeschäftigten mit Berufsausbildung insgesamt, die 2.909 € Lohn erhalten.
„Leiharbeit ist – unabhängig vom Qualifikationsniveau – ein ausgeprägter Niedriglohnsektor, bei dem der Staat Lohndumping und nicht existenzsicherndes Arbeitseinkommen oftmals über Hartz IV oder andere Sozialleistungen wie Wohngeld subventionieren muss. In keiner anderen Branche ist das Armutsrisiko trotz Erwerbstätigkeit so groß wie in der Leiharbeit“, so Michael Hermund.
Nach Auffassung des DGB ist diese Situation nicht mit einer EU-Richtlinie vereinbar, die bis zum Jahresende in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Die Richtlinie verlangt, dass auch bei einer tariflichen Abweichung der Gesamtschutz der Leiharbeiter gewahrt werden muss.
„Angesichts dieser Daten kann davon in Deutschland jedoch keine Rede sein. Der Gesetzentwurf von Frau von der Leyen ist vollkommen unzureichend. Vielmehr wird das unternehmerische Risiko auf die Leiharbeitskräfte, die Sozialkassen und den Steuerzahler verlagert. Während die Unternehmen indirekt subventioniert werden, fehlt Geld für die Bildung und für die Unterstützung von Kindern. Der Gesetzgeber ist gefordert, diesen unwürdigen Zustand endlich zu beenden. Was in anderen Ländern geht, muss auch in Deutschland möglich sein. In 10 EU-Ländern gilt inzwischen Gleichbehandlung der Leiharbeitskräfte ohne Ausnahme. In keinem Land der EU sind die Lohnunterschiede so hoch wie in Deutschland. Wir haben hier eindeutig die Rote Laterne, “ warnt Hermund.«