Freitag 26.11.10, 19:21 Uhr

Solidarität mit Wolfgang Porrmann


„Der Protest gegen Atomenergie und die Lobby-Politik der Bundesregierung für die Atomenergiewirtschaft ist legitim und notwendig. Skandalös ist die lückenlose Überwachung der politischen Aktivitäten von Atomenergiegegnern wie Wolfgang Porrmann. Prozesse, Strafen und deren Androhung dienen der Einschüchterung der Anti-Atomkraft-Bewegung“, erklärt Sevim Dagdelen, Bochumer Bundestagsabgeordnete der Linken anlässlich der gemeinsamen Solidaritätserklärung aller Bundestagsabgeordneten der Linken aus Nordrhein-Westfalen zum Prozess gegen den Atomkraftgegner Wolfgang Porrmann am 30.11.2010 vor dem Amtsgericht Recklinghausen. Dagdelen weiter:
„Das Verfahren gegen den Atomkraftgegner Wolfgang Porrmann wegen einer angeblich nicht rechtzeitig angemeldeten Versammlung am 17.10.2010 hätte gar nicht erst eröffnet werden dürfen. Tatsächlich handelte es sich bei der Versammlung um eine spontane Kundgebung, die nicht angemeldet werden muss. Der Anlass war die Ankündigung des Bundesumweltministers Röttgen am selben Tag, weitere Erkundungsarbeiten im Salzstock von Gorleben ohne weitere rechtliche Prüfungen wieder aufzunehmen. Dagegen ist breiter Widerstand zu leisten. Ich erkläre mich daher mit Wolfgang Porrmann solidarisch und fordere einen Freispruch in dem Verfahren.“

Die Redaktion von bo-alternativ.de hatte etwas Probleme mit der Formulierung in der Erklärung: „eine spontane Kundgebung, die nicht angemeldet werden muss.“ Die Praxis von Polizei und Justiz im mittleren Ruhrgebiet der letzten Jahrzehnte ist schließlich, dass auch bei spontanen Demos, AufruferInnen und OrganisatorInnen regelmäßig verurteilt werden, wenn sie die Kundgebungen nicht anmelden. Bei Spontandemos, so Polizei und Justiz, entfalle nur die Verpflichtung sie spätestens 48 Stunden vorher anzumelden.
Dazu hat der Mitarbeiter von Sevim Dagdelen klargestellt, dass es einen Unterschied zwischen einer Spontanversannmlung und einer Eilversammlung gibt:
„Bei Spontanversammlungen (vgl. § 1 Rdn. 30 f.) entfällt die Anmeldepflicht immer (BVerfG NJW 1985, 2395, 2397; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1981, 284; NStZ 1984, 514; Dietel/Gintzel Rdn. 11, 19; Ott Rdn. 5; Quilisch S. 134; Schwäble S. 199; Hoch JZ 1969, 19; Merten MDR 1968, 624), bei Eilversammlungen (vgl. § 1 Rdn. 29) ist die Anmeldung erforderlich (BGHSt. 23, 59; aA Ott Rdn. 2), sofern nicht dadurch der Zweck der Versammlung vereitelt würde (OLG Düsseldorf aaO; OLG Karlsruhe VRS 51, 390; Dietel/Gintzel Rdn. 11; Schwäble S. 205 f.).
Juristisch gesehen sind Spontandemos entweder eine „Eilversammlung“ oder eine „Spontanversammlung“. Bei Wolgang Porrmann handelte es sich um eine Spontanversammlung, denn sie war im Gegensatz zur Eilversammlung nicht geplant und musste deshalb im Prinzip keine verantwortliche Person bei den PolizistInnen vor Ort angeben. Spontanversammlungen sind ungeplant und haben keineN VerantwortlicheN. In Hinblick auf Art. 8 GG ist aber § 14 VersG dahin auszulegen, dass Eilversammlungen anzumelden sind, sobald hierzu die Möglichkeit besteht (BVerfG NJW 1992, 890). Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass keine Versammlung so eilbedürftig ist, dass nicht wenigstens Zeit für ein Telefongespräch mit der zuständigen oder nächstgelegenen Polizeidienststelle zum Zweck der Anmeldung bleibt.“