Erweiterter Forderungskatalog der Bochumer Studierenden (in dieser Version fehlen noch kleine Änderung, die während der Vollversammlung eingearbeitet wurden)
Mittwoch 09.12.09, 16:53 Uhr

Forderungskatalog


Studierende, SchülerInnen und viele andere Menschen haben eines gemeinsam: Sie wollen sich bilden. Dies ist jedoch nicht nur ein persönliches Bestreben jener Personen, sondern gleichermaßen im Interesse des Gemeinwohls: Ohne Bildung kann es weder ein demokratisches Miteinander noch eine sich weiter entwickelnde Gesellschaft geben. Nicht ohne Grund wurde Bildung daher zu einem Menschenrecht erhoben.

Es ist offensichtlich, dass das deutsche Bildungssystem dem Anspruch, dieses Recht allen Menschen unabhängig von Geschlecht, Einkommen, Alter, Nationalität, Sexualität, Religion, Migrationsgeschichte und Aussehen zu gewährleisten, nicht nachkommt. Doch selbst wer die hohen Bildungshürden gemeistert hat, sieht sich mit einer katastrophalen Situation in den Bildungseinrichtungen konfrontiert: Die Lern- und Lehrbedingungen sind miserabel, die Schul- und Hochschulbildung verkommt zu einer Elitenbildung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit, die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen gleichen feudalen Herrschaftsstrukturen und die Möglichkeiten zur demokratischen Beteiligung sind eher ein Feigenblatt, als echte Partizipation. Die Unzufriedenheit mit dieser Situation spiegelt sich im immer stärker werdenden Widerstand der letzten Jahre wider und hat während des Bildungsstreiks im Juni einen seiner bisherigen Höhepunkte gefunden. Die erfolgreichen Aktionen dieses Sommers haben sich im Herbst zu einer internationalen Welle des Protests weiterentwickelt. Alleine in Deutschland wurden bisher knapp 60 Universitäten und Schulen besetzt und mehr als 90.000 Menschen haben auf der Straße ihrem Unmut Ausdruck verliehen.

Daher fordern wir, auch in Solidarität mit den anderen besetzten Standorten:

An der Ruhr-Universität:

  • Hin zu einer Lehr- und Lernkultur, die persönliche Interessen berücksichtigt und fördert, eigenständiges Lernen ermöglicht und zum kritischen Denken ermutigt. Dies insbesondere durch die Flexibilisierung der Veranstaltungswahl, Abschaffung der Anwesenheitskontrollen sowie die Etablierung vielfältiger und innovativer Lehr- und Diskussionsmethoden.
  • Weg von der Verwertbarkeit, hin zu einer höheren Fächervielfalt. Die gesellschaftliche Bedeutung eines Studiengangs kann nicht an dem unmittelbaren ökonomischen Nutzen eines Faches gemessen werden. Forschung und Lehre sind mehr als die Ausbildung Studierender zu einem „marktfähigen Produkt“ und müssen daher unabhängig von der Wirtschaft organisiert und finanziert werden.
  • Studiengebühren sind ein Instrument sozialer Selektion: Wir fordern die Senatorinnen und Senatoren der RUB daher auf, mit gutem Beispiel voran zu gehen und von der Erhebung von Studiengebühren ab dem nächsten Semester abzusehen.
  • Die Lehrkapazitäten sind soweit zu erhöhen, dass alle Lehrveranstaltungen in angemessenen Gruppengrößen stattfinden können. Die ortsabhängigen, fachspezifischen und studiengangbezogenen Zulassungsbeschränkungen sind nicht weiter akzeptabel. Wir fordern daher die Abschaffung sämtlicher NCs.
  • Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung sind demokratische Grundrechte, welche auch in den Bildungseinrichtungen gewahrt werden müssen. Die Möglichkeiten der Personenüberwachung durch Kameras wie in der Mensa der RUB, Funk-Chips in den Studierendenausweisen, sowie eine lückenlose und unsichere Speicherung aller studienrelevanten Daten im VSPL sind einzustellen.
  • Die Hochschulleitung der Ruhr-Universität wird aufgefordert, weitere Anbiederungen an die nordrhein-westfälische Landesregierung zu unterlassen und stattdessen die von der Vollversammlung der RUB erhobenen Forderungen gegenüber der Landesregierung und in der Hochschulrektorenkonferenz glaubhaft zu vertreten.

Auf Landesebene:

  • Rücknahme des sogenannten Hochschulfinanzierungsgerechtigkeitsgesetzes (HFGG) sowie ein generelles Verbot von Bildungsgebühren vom Kindergarten bis zum Seniorenstudium. Bildung muss jedem Menschen gleich welchen Alters zur Verfügung stehen können.
  • Das Mitspracherecht bei sämtlichen (bildungs-)politischen Beschlüssen ist ein zentraler Bestandteil einer umfassenden Bildung. Dieses ist durch Viertelparität (Gleichberechtigung von Studierenden, ProfessorInnen sowie wissenschaftlichem und nichtwissenschaftlichem Personal) in den Hochschulgremien bzw. Drittelparität (Gleichberechtigung von SchülerInnen, Eltern und Lehrkräften) in Schulgremien zu gewährleisten. Darüber hinaus muss die Partizipation von Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern in sämtlichen bildungspolitischen Gremien aktiv gefördert werden.
  • Die Entscheidungsgremien an den Hochschulen wurden auf höchster Ebene um einen Hochschulrat erweitert. Dieser setzt sich jedoch nicht aus den jeweiligen Statusgruppen der Hochschulen zusammen, sondern wird größtenteils oder komplett von externen Personen besetzt. Diese Maßnahme beschneidet die universitäre Selbstverwaltung erheblich. Daher fordern wir die Abschaffung der durch das sogenannte Hochschulfreiheitsgesetz (HFG) installierten Hochschulräte.
  • Durch die Beteiligung von wirtschaftlichen Unternehmen bei der Finanzierung des Bildungssystems entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis der Bildungseinrichtungen zur Wirtschaft. Dieses wird nicht nur in organisatorischen sondern auch inhaltlichen Bereichen deutlich. Die Finanzierung des Bildungssystems muss ausschließlich aus öffentlichen Mitteln erfolgen.

Auf Bundesebene / Auf Ebene der Kultusministerkonferenz:

  • Die Einführung eines zumindest existenzsichernden bundesweiten Tarifvertrags für alle studentischen Beschäftigten nach dem Vorbild Berlins; inklusive einer personalrechtlichen Vertretung.
  • Der Bologna-Prozess und die damit einhergehende Einführung der neuen Studienabschlüsse führen zu steigendem Leistungsdruck und einer ökonomisierten Organisation des Studiums (Kreditpunkte-System). Darüber hinaus wird der B.A.-Abschluss weder auf wirtschaftlicher noch auf wissenschaftlicher Ebene als vollwertiger Abschluss anerkannt. Wir fordern die Abschaffung der Bachelor- und Masterstudiengänge in ihrer jetzigen Form.
  • Da das von der BRD festgelegte finanzielle pfändungsfreie Existenzminimum für Einzelpersonen bei 930 Euro monatlich liegt, sollte diesem Satz auch das Bafög angeglichen werden. Darüber hinaus sollten sämtliche sozialen Grundförderungen dieser Höhe entsprechen.
  • Eine umfassende Chancengleichheit unabhängig von sozialer Herkunft kann nur auf Basis einer eigenständigen Existenz jeder/jedes Einzelnen verwirklicht werden. Deshalb fordern wir elternunabhängiges BAföG, sowohl für SchülerInnen als auch für Studierende.
  • Entgegen der Versprechungen im Rahmen der B.A./M.A.-Reform ist es immer schwieriger geworden den Studienstandort zu wechseln. Unterschiedliche Anforderungen auf Bundes- und internationaler Ebene machen es neben der knapp bemessenen Zeit innerhalb des Studiums nahezu unmöglich den eigenen Bildungsweg flexibel zu wählen. Um die uneingeschränkte Wahlfreiheit des Studienfaches und Studienortes zu ermöglichen, fordern wir die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen der Studiengänge im gesamten Bundesgebiet, sowie die zuverlässige Anerkennung sämtlicher Studienleistungen bei Standortwechseln.