Dienstag 10.07.07, 16:00 Uhr
G8 Plenum erinnert an Polizeiübergriffe beim G8-Gipfel

Schwere Vorwürfe gegen Bochumer Polizeihundertschaft


Bochumer TeilnehmerInnen der Proteste gegen den G8-Gipfel erheben schwere Vorwürfe gegen eine Bochumer Polizeihundertschaft. In einer Pressemitteilung heißt es: »Bei den ersten Nachbereitungstreffen wurde berichtet, wie Bochumer Polizisten bei einem der gewalttätigsten Übergriffe dieser Tage beobachtet wurden. Darüber hinaus wurden mindestens zwei Bochumer Demonstrationsteilnehmer unter rechtsstaatlich bedenklichen Umständen festgenommen, eine Bochumer Studentin wurde erheblich verletzt. Die Vorfälle: Am Donnerstag, dem 07. Juni haben etwa 2500 DemonstrantInnen bei Hinter-Bollhagen den Zugang in die Sperrzone Heiligendam blockiert. Obwohl sich die AktivistInnen entschlossen aber friedlich verhalten haben, kommt es zu brutalen Polizeiübergriffen: Die Polizei schlägt auf die DemonstrantInnen ein und sprüht Pfefferspray. Bei Wasserwerfereinsätzen werden insgesamt fünf Menschen schwer verletzt und müssen ins Krankenhaus eingeliefert werden, darunter ein Fotograf von der dpa. Eine Person erleidet eine schwere Augenverletzung, eine andere einen Trommelfellriß. Gegen 17:45 eskaliert die Polizei die Situation erneut: Obwohl die Situation stundenlang ruhig geblieben ist, fahren insgesamt neun Wasserwerfer auf. Sie werden gleichzeitig und mit Direktbeschuss gegen die DemonstrantInnen eingesetzt, während BereitschaftspolizistInnen Reizgas versprühen und auf die VersammlungsteilnehmerInnen in der ersten Reihe einschlagen. Dabei werden weitere DemonstrantInnen verletzt und müssen zum Teil ins Krankenhaus eingeliefert werden. Bochumer Opfer, Bochumer Täter
Unter den Opfern des brutalen Polizeieinsatzes ist auch eine 23jährige Bochumer Studentin. Während sie sich duckte, um ihren Kopf vor dem starken Wasserwerferstrahl in Sicherheit zu bringen, traf sie ein direkter Strahl. Die Folge: Schulter ausgekugelt. „Ich war für mehrere Stunden im Krankenhaus. Dort musste ich unter Narkose gesetzt werden, damit die Ärzte mein Gelenk wieder einkugeln konnten,“ berichtet die Studentin. Die Ausheilung würde noch einige Wochen andauern. Wieso die Polizei plötzlich so brutal vorgegangen ist, kann sie nicht verstehen: „Es war eine völlig friedliche Situation. Die Leute haben Lieder gesungen und es herrschte fast Festivalstimmung. Dann kam plötzlich die Durchsage, die Polizei wolle sich Platz verschaffen, und los ging es mit der Prügel- und Wasserwerferorgie.“ Ein anderer Bochumer berichtet: „Während des Wasserwerfereinsatzes hat mir ein Polizist mehrfach mit dem Schlagstock in den Magen geschlagen. Diesen, so musste ich feststellen, kannte ich! Wer dort so brutal gegen uns vorging, das sind Bochumer Polizisten.“ Weitere Bochumer DemonstationsteilnehmerInnen haben dem G8-Plenum und der Roten Hilfe bestätigt, dass es sich bei den prügelnden Polizeikräften um eine Bochumer Einsatzhundertschaft gehandelt hat. Auch der „Spiegel“ Nr.24 vom 11.6.2007 teilt diese Einschätzung (S.32): „Beamte aus Bochum schlugen auf einen Pulk Linker ein. Plötzlich brach ein junger Mann zusammen. Ein Stoss mit einem Schlagstock hatte sein linkes Auge getroffen. Teile hingen an der Wange, das Blut floss und floss.“
Bochumer Student brutal festgenommen und verurteilt
Die Verletzten von Hinter Bollhagen sind nicht die einzigen Bochumer G8-Repressionsopfer. Schon am Samstag, den 2. Juni wurde ein 21jähriger Bochumer Student während der Abschlusskundgebung der Demo in Rostock brutal von der Polizei festgenommen. Die diversen Schürfwunden und Prellungen im Gesicht waren noch nach vier Tagen Untersuchungshaft sichtbar, als er für ein juristisch zweifelhaftes Schnellverfahren dem Rostocker Amtsgericht vorgeführt wurde. Der Tatvorwurf: er soll während der Abschlusskundgebung Steine und/oder Flaschen geworfen haben. Obwohl die Anklage keine Beweise vorlegen konnte, und die einzige belastende Zeugenaussage eines Polizisten eklatante Lücken und Widersprüche aufweist, wurde der Bochumer zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. „Wer bei dem Prozess anwesend war, musste das Gefühl bekommen, dass selbst minimalste Normen der Rechtsstaatlichkeit außer Kraft gesetzt worden sind“, so ein Prozessbeobachter. „Der einzige Belastungszeuge der Polizei hat nur eine schriftliche Aussage abgegeben. Die näheren Umstände, wie Tatzeitpunkt oder -ort, ja selbst eine Täterbeschreibung fehlten. Zwischen dem angeblichen Steinwurf und der Festnahme hat der Polizist den Beschuldigten aus den Augen verloren – selbst eine Verwechslung ist also absolut nicht ausgeschlossen.“ Der Bochumer Student hat inzwischen Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt, so dass es zu einem Berufungsverfahren kommen wird. Augenblicklich beschäftigen sich u.a. die Rote Hilfe Deutschland e.V. und der Republikanische Anwaltsverein (RAV) um die juristische und politische Aufarbeitung der Rolle, welche die Polizei vor und während der Proteste – zuweilen auch als politische Akteurin – gespielt hat. Im Raum stehen mithin massive Vorwürfe von Morddrohungen einzelner PolizistInnen gegenüber Festgenommen über sexuelle Belästigungen bis hin zu systematischer Verweigerung von elementaren Bedürfnissen und Grundrechten.
Solidarität ist eine Waffe – Solifest am 13. Juli
Das G8-Plenum Bochum ruft auf zu einem Solidaritätsfest, auf dem neben spannenden Videodokumentationen und Vorträgen auch die Gelegenheit gegeben werden soll, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Auf den inhaltlichen Teil folgt dann der vergnügliche: die Soliparty mit Cocktails und Musik. Das Fest findet statt am 13. Juli ab 19 Uhr, im Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108. Die Einnahmen kommen den Betroffenen direkt zu gute. Spenden werden auch gern genommen über folgende Verbindung: attac Bochum, Kto.-Nr.: 11 234 400, GLS Gemeinschaftsbank, BLZ: 430 609 67, Stichwort: G8-Soli