Donnerstag 21.06.07, 08:00 Uhr
Unabhängige Sozialberatung: Härtefall-Verein für arme Kinder ist ein Hohn

Arme Kinder – armselige Stadt Bochum!


Die Unabhängige Sozialberatung schreibt: »Am 14. 6. 2007 hat der Rat der Stadt Bochum nach einem Jahr angestrengten Grübelns die Einrichtung eines privaten „Vereins zum Ausgleich sozialer Härten“ beschlossen. Anschubfinanzierung durch die Sparkasse: 200tausend Euros. Nachschubfinanzierung zweifelhaft. Von diesem Geld soll vor allem die Mittagsverpflegung der Ganztagsschulen bezuschusst werden. Es bleiben 60tausend Euro zur Lernmittelbeschaffung. Pro Hartz IV – Schulkind zehn Euros! Werden die über Fünfzehnjährigen hinzugenommen, und die Kinder arm arbeitender Menschen noch dazu, bleibt eine Handvoll Cents im Monat. Das reicht gerade einmal für einen Bleistift und einen Radiergummi, aber niemals für die nötigen Schulsachen insgesamt, geschweige denn für Schulbücher. Ein Hohn! Ein Debakel für unsere Stadt!
Immerhin ist damit „amtlich anerkannt“, dass die Regelleistungen für Kinder bei weitem nicht ausreichen, die notwendigen Bedarfe zu decken. Das verträgt sich zwar nicht mit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes. Das Bundessozialgericht ist aber bislang dem Konflikt mit dem Gesetzgeber ausgewichen und hat den schwarzen Peter statt dessen an die Kommunen gegeben: durch Hartz IV nicht gedeckte notwendige Bedarfe seien durch eine erweiterte Auslegung der „Auffangnorm“ des § 73 SGB XII (entspricht der Regelung der früheren Sozialhilfe) von den Kommunen zu übernehmen. Das sollten die Kommunen sich aber nicht gefallen lassen – sie sind ohnehin durch Hartz IV über den Tisch gezogen worden. Trotzdem müssen sie hier eine Pflichtleistung erbringen. Und kommen auch nicht in Konflikt mit Haushaltskonsolidierungsauflagen.
Wir können daher nur allen Betroffenen raten, nicht gedeckte Schulkosten (und anderes) zusätzlich zu beantragen und bei Ablehnung Widerspruch einzulegen. So besteht immerhin die Möglichkeit, nachträglich das Zustehende zu erhalten.
Einen entsprechenden Hinweis hat die Stadt indirekt selbst gegeben: Sie wird sicherlich Absprachen getroffen haben, dass die ARGE das zusätzliche Geld nicht als Einkommen anrechnen wird. Das ist aber nur möglich, wenn es sich um zweckbestimmte Einnahmen handelt, die einem anderen Zweck dienen als die Hartz IV-Leistungen. Damit wäre die (ungesetzliche) Finanzierungslücke im Hartz IV-Gesetz bestätigt. Bis zu einer anderen gesetzlichen Regelung muss die Kommune aus dem Sozialhilfe-Topf dafür aufkommen.
(Wir erinnern hier daran, dass das Rechtsamt der Stadt Bochum unter Leitung von Frau Schomburg (heute Geschäftsführerin der ARGE) vor einigen Jahren versucht hat, den Wert der Lebensmittelgaben der TAFEL bei den Betroffenen wieder abzuziehen. Ähnliche Überlegungen gab es seitens der ARGE beim „Mietsponsering“, bei Kommunion- und Konfirmationsgeschenken und beim geplanten „Sozialticket“ für den VRR).
Dass es auch besser geht, zeigt u. a. das Verhalten der Stadt Oldenburg: hier werden jährlich 400tausend Euro bereit gestellt, die Anzahl der Berechtigten ist nur halb so gross wie in Bochum. In diesem Herbst erhält jedes Schulkind vorab 50 Euro für Lernmittel (zusätzlich zu Schulbüchern). Das ist noch zu knapp, aber schon eine gute Unterstützung. Auch weitere Hilfen für arme Kinder werden dort längst gewährt.
Der Landkreis Dahme-Spreewald (Brandenburg) hat zur Einschulung eine einmalige Zuwendung, in Höhe von 80 Euro eingeführt. Damit soll die Grundausstattung der Kinder von Arbeitslosengeld II-Empfängern unterstützt werden.
Bochum lässt die Kinder Erwersbloser und arm Arbeitender im Stich! Gründe sind auch zu hören: Schließlich könne die Kommune nicht für schlechte Bundesgesetze gerade stehen. Und: es müsse schließlich auch etwas übrig bleiben für die besser Gestellten, die die Steuern aufbrächten; dabei gehören Letztere mindestens teilweise zu dem Teil der Bevölkerung, der von der Steuergesetzgebung der letzten Jahre und den Befreiungen in der Sozialversicherung profitiert hat. Ihre Lebensqualität wird in Bochum hochsubventioniert.
Wir meinen: Der „Schulmittelfonds“ muss nachgebessert werden! Für unsere Kleinen nur das Beste!«
Hinweise:
– Die Beschlussvorlage der Verwaltung Nr. 20071222 und die Anlage zur Vorlage (Entwurf einer Satzung des Vereins zum Ausgleich sozialer Härten e.V.) ist hier zu finden.
– Eine ausführliche Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der Sozialen Liste zum Eigenanteil für Schulbücher/Lernmittel und Mittagsmahlzeiten