Dienstag 19.12.06, 12:00 Uhr

Brief des Bochumer Friedensplenums an die Bochumer Bundestagsabgeordneten


Der Brief als PDF-Datei

Der nachfolgende Text ging am 17.12. 2006
als gleich lautender Brief an die Bundestagsabgeordneten
Gerd Bollmann
Sevim Dagdelen
Markus Kurth
Axel Schäfer
Norbert Lammert
Konrad Schily

Anrede,

FRIEDEN zu Weihnachten und für das neue Jahr wünscht das Bochumer Friedensplenum den Bochumer Bundestagsabgeordneten.

FRIEDEN ist sicher wieder einer der häufigsten Wünsche zum Jahreswechsel in einer zunehmend friedlosen Welt. Weltweit leiden Menschen unter Kriegen. In diesem Jahr beklagen wir Tausende Kriegsopfer insbesondere im Irak und im Libanon. Die Opfer bezeugen, dass Krieg Konflikte nicht löst, sondern nur vertieft und verschärft. Dennoch setzt auch die deutsche Politik immer mehr auf globale Militäreinsätze. Unter der Hand und ohne eine diesem grundsätzlichen Politikwechsel angemessene gesellschaftliche Grundsatzdebatte ist die Bundeswehr von einer Armee der Landes- und Bündnisverteidigung zu einer weltweit agierenden Interventionstruppe umgewidmet worden. Richtlinien, Strategiepapiere und jüngst ein neues Verteidigungsweißbuch geben nur eine dunkle Ahnung davon, wann und wozu junge Menschen aus unserem Land ihr Leben einsetzen und notfalls opfern sollen. Der Staat darf, wenn überhaupt, das Leben seiner Bürgerinnen und Bürger nicht nach momentaner politischer Opportunität in Anspruch nehmen. Klare gesetzliche Voraussetzungen für dieses äußerste Opfer, um die in öffentlicher und parlamentarischer Debatte zu streiten wäre, sind nach dem Abschied von der Landesverteidigung dem Nebel des Ungefähren gewichen. In seiner letzten großen Rede als Bundespräsident beklagte Johannes Rau zu Recht, dass es in Deutschland diesen in einer Frage von Leben und Tod notwendigen Grundsatzstreit nicht gebe.

Wir möchten diese Diskussion – aus unserer Sicht gegen Krieg – mit unseren heimischen Abgeordneten zumindest schon einmal bei uns in Bochum führen. Einige Kernaussagen und Ziele des Verteidigungsweißbuchs 2006 finden wir nicht zuletzt wegen ihrer gefährlichen Unbestimmtheit äußerst bedrohlich. Wir haben dazu und zu weiteren Aspekten der aktuellen deutschen Militärpolitik folgende Fragen:

1.) Was bedeutet für Sie die Aussage des Verteidigungsweißbuchs, dass “Sicherheitsvorsorge durch präventives Handeln gewährleistet werden soll“? Ist damit eine Annäherung an die Doktrin des vorbeugenden Schlages der National Security Strategie der Bush-Regierung oder gar ihre Übernahme beabsichtigt und damit eine weitere Abkehr vom Friedensvölkerrecht der UN-Charta?
2.) Was ist aus Ihrer Sicht konkret gemeint, wenn das Weißbuch erklärt, die Bundeswehr habe die Aufgabe, die Durchsetzung deutscher Interessen zu gewährleisten, und gleichzeitig das elementare deutsche Interesse an sicherer Rohstoffzufuhr hervorhebt? Bedeutet dies Krieg für Öl? Wäre es für Sie denkbar, einem solchen Einsatz jemals zuzustimmen?
3.) Im Weißbuch wird die einzigartige Bedeutung der Vereinten Nationen dafür hervorgehoben, einen notwendig werdenden Einsatz militärischer Gewalt mit der völkerrechtlichen Legitimität zu versehen. Bedeutet dies, dass die Politik die “Notwendigkeit“ nach eigenen Wertmaßstäben beurteilen sollte? Falls ja: nach welchen? Oder ist für Ihr politisches Handeln unumstößlich, dass es Interventionen außerhalb der UN-Charta nicht geben darf?
4.) Das Weißbuch bestätigt das Konzept der deutschen nuklearen Teilhabe, wonach deutsche Piloten Atomwaffen anderer Nato-Staaten ins Ziel fliegen sollen. Welche Ziele für deutsche Atom-Piloten halten Sie für denkbar? Halten Sie den Einsatz von Atomwaffen vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs aus dem Jahr 1996 zu dieser Frage überhaupt für völkerrechtskonform? Ist sie mit dem Atomwaffensperrvertrag vereinbar? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass alle Atomwaffen von deutschem Boden verschwinden und das Konzept der nuklearen Teilhabe aufgegeben wird? Falls ja: Was werden Sie im kommenden Jahr dafür tun?
5.) Wie beurteilen Sie, dass die bislang gescheiterte EU-Verfassung Aufrüstung zur Verfassungspflicht erhebt?
6.) Sind Sie für oder gegen eine Erweiterung von Bundeswehreinsätzen im Inneren?

Wir überlegen, nach Ihren Antworten in einem zweiten Schritt die Möglichkeit zu einem öffentlichen Streitgespräch mit den Bochumer Abgeordneten zum Thema “Frieden und Krieg 2007“ zu eröffnen. Wären Sie bereit daran teilzunehmen?

Friedliche Grüße

Annemarie Grajetzky

Ralf Feldmann