Donnerstag 02.11.06, 14:39 Uhr
Bochumer Mieterverein erhebt Vorwurf:

„ARGE täuscht MieterInnen über Heizkosten“


In einer Pressemitteilung schreibt der Mieterverein Bochum, warum er stocksauer über die die ARGE Bochum ist: »Grund sind die Schreiben, mit denen die ARGE Beziehern von Arbeitslosengeld II eine Kürzung der Heizkosten-Übernahme androht, sollten die Kosten über dem Durchschnitt liegen. Aichard Hoffmann, Pressesprecher beim Mieterverein: „Was die ARGE derzeit zum Thema Heizkosten von sich gibt, ist eine Mischung aus – offensichtlich vorsätzlichen – Lügen und gefährlichem Unsinn.“
Falsch ist zum Beispiel die Darstellung von ARGE-Sprecher Stephan Kuckuk, das ARGE-Verfahren sei „zigfach gerichtlich überprüft“ – jedenfalls, wenn damit der Eindruck erweckt werden soll, dass die Gerichte das Durchschnittsverfahren absegnen. Das Gegenteil ist der Fall. Beispielhaft formuliert etwa das Landessozialgericht Niedersachen-Bremen: „Allein aus der Überschreitung von Durchschnittswerten lässt sich die Unangemessenheit der Heizkosten nicht ohne weiteres begründen. Es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein unwirtschaftliches Heizverhalten des Bedürftigen hinweisen.“ (LSG Niedersachsen-Bremen, 9. 01. 06, L 7 AS 163/05 ER)
Das Sozialgericht Aachen stellt fest, dass es bisher keine Rechtsverordnung (nach § 27 SGB II) gibt, die festlegt, was angemessene Heizkosten sind, und urteilt: „Solange eine solche Rechtsverordnung noch aussteht, ist die Angemessenheit von Heizkosten nach den konkreten, insbesondere baulichen, Gegebenheiten zu beurteilen. Unangemessenheit liegt – schon angesichts eines völlig unterschiedlichen subjektiven Temperaturempfindens verschiedener Personen – nur bei unsachgemäßer Bedienung der Heizanlage oder einem verschwenderischen Heizverhalten (z.B. Heizen bei geöffnetem Fenster) vor.“ (SG Aachen, 1. 2. 06, S 11 AS 99/05)
Zahlreiche weitere Sozial- und Landessozialgerichte haben ähnlich geurteilt – und das weiß natürlich auch die ARGE, so dass man davon ausgehen muss, dass sie vorsätzlich Falschinformationen verbreitet.
Falsch und außerdem gefährlich ist auch die Aussage, ALG II-Empfänger dürften nur zwei Drittel der Wohnfläche beheizen. Die immer wieder zitierte Zwei-Drittel-Regelung bezieht sich auf eine Formel in Anlage 8 zu Richtlinie T 22, nach der in Bochum „angemessene Heizkosten“ ermittelt werden. In diese – äußerst komplizierte und technische Formel werden in der Tat nur zwei Drittel der Wohnfläche eingetragen. Ob das Ergebnis realistischen Heizkosten entspricht, hängt aber von der Gesamtformel ab, nicht einem einzelnen Wert. „Daraus zu schließen, es würden nur Heizkosten für zwei Drittel der Wohnung übernommen, ist völlig abwegig“, urteilt Anton Hillebrand von Sozialberatung e.V. „Es ist sogar gefährlich, wenn die Betroffenen dann dazu übergehen, Teile ihrer Wohnung nicht mehr zu beheizen, um Kosten zu sparen. So entstehen Feuchtigkeitsschäden und Schimmel, was dann zu Schadensersatzansprüchen des Vermieters führt.“
Für Heuchelei hält der Mieterverein die Behauptung der ARGE, Menschen zu sparsamem Heizen erziehen zu wollen. „Wenn sie das wollen“, so Aichard Hoffmann, „sollten sie ihre Kunden lieber darüber aufklären, wie sparsames Heizen und richtiges Lüften technisch geht, statt wie in einem pawlowschen Reflex Leistunskürzungen anzudrohen. Zu dem Thema gibt’s jede Menge gute Faltblätter und Broschüren, die man verschicken könnte. Das würde auch dem Klima nutzen.“
Mieterverein und Sozialberatung raten allen Betroffenen dringend, Kürzungen der ARGE bei den Heizkosten nicht hinzunehmen, sondern sich unabhängig beraten zu lassen.«