Sonntag 27.11.16, 16:37 Uhr
Weitere Fragen zu Überwachungsfirmen in Flüchtlingslagern

Abgründiges über die Stadt und
ein Sub-Subunternehmen


Erfreuliche viele BochumerInnen haben sich im vorigen Jahr dafür engagiert, dass die nach Bochum geflüchteten Menschen ein wenig menschenwürdiger behandelt wurden. Viele waren erschrocken über das Versagen der städtischen Stellen. Die Stadt reagierte und entzog der grünen Sozialdzernentin die oberste Zuständigkeit für die Betreuung der Geflüchteten und richtete hierfür eine Stabsstelle für Stadtdirektor und Kulturdezernent Townsend (SPD) ein. Auch er scheiterte und schließlich wurde ihm der Chef der Feuerwehr Hagebölling für „die operative Arbeit der Task Force Flüchtlingsarbeit“ zur Seite gestellt. Wie dramatisch die Überforderung der Verantwortlichen in der Stadt war, ist jetzt für einen kleinen Bereich dokumentiert worden. Vor ein paar Monaten gingen nämlich etliche Beschäftigte einer „Sicherheits“firma, die für Flüchtlingslager in Bochum zuständig waren, an die Öffentlichkeit. Sie klagten darüber, dass sie den ihnen zustehenden Lohn nicht erhalten haben. Hierbei kamen einige Fragwürdigkeiten ans Licht.  In einem in Auftrag gegebenen Bericht des Rechnungsprüfungsausschusses (RPA) des Rates wurde jetzt ein „Behördenversagen in einem bisher ungeahnten Ausmaß“ deutlich, so Horst Hohmeier in einer Pressemitteilung der Ratsfraktion der Linken.
Im Bericht des RPA wird u. a. dargestellt: Die von der Stadt beauftragte Firma für die Bewachung von Flüchtlingslagern hat ein Subunternehmen für die Arbeit engagiert. Diese Firma hat ein weiteres Subunternehmen eingesetzt, das vom Sohn einer Mitarbeiterin des Sozialamtes scheinbar für diese Aufgabe gegründet wurde. Von diesem Unternehmen liegen keine Unterlagen darüber vor, ob es überhaupt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erledigung des Auftrags erfüllt. Die Steuerfahndung und der Zoll wurden als Aufsichtsbehörden bei der Stadt vorstellig. Die Stadt hat weder die Arbeitsleistung noch die Qualifikation des Unternehmens überprüft und verlängerte trotz der bekannten Missstände den Rahmenvertrag mit der Überwachungsfirma.
Die grüne Ratsfraktion hat nun in einer Presseerklärung die grüne Sozialdezernentin verteidigt und plädiert „für eine faire Betrachtung“. Katharina Schubert-Loy, grünes Mitglied im Sozialausschuss und im Rechnungsprüfungsausschuss, erklärt dazu: „Es ist doch so: Die städtischen Behörden haben in einer Zeit, als wöchentlich 100 und mehr Flüchtlinge zugewiesen wurden, einen sehr guten Job gemacht. Niemand wurde obdachlos und die Sicherheit der Unterkünfte wurde von den Security-Firmen gewährleistet. Es gab in Bochum keine nennenswerten Übergriffe von außen. Deshalb ist es aberwitzig, von Behördenversagen zu sprechen. Stattdessen gebührt den Angestellten im Sozialamt und anderen beteiligten Stellen Dank für den außerordentlichen Einsatz in einer kritischen Phase.“
Die Linksfraktion sieht dies völlig anders und hakt mit mehr als 30 Fragen zu den im Bericht des RPA aufgeführten Tatbeständen nach. Der Katalog endet mit der Frage: „Kann die Verwaltung ausschließen, dass es in anderen Bereichen, die im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung stehen, ebenfalls zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist? (Zum Beispiel: Auftragsvergabe und Abrechnungen mit den Trägern, im Bereich Catering, bei den Reinigungsdienstleistungen und der sozialarbeiterischen Betreuung)!

Der vollständige Fragenkatalog:

  1. Im Zusammenhang mit dem Bericht über die Prüfung der Auftragsvergabe und Rechnungsabwicklung in Bezug auf Sicherheitsdienstleistungem sowie der hierzu erfolgten verwaltungsseitigen Abläufe (Prüfauftrag vom 12.09.2016) bittet die Linksfraktion um die Beantwortung folgender Fragen:Die Ausschreibung und der Rahmenvertrag sehen nur die Beschäftigung von zwei Sicherheitskräften mit einem geschätzten Auftragswert von knapp 183.000 Euro für die einjährige Laufzeit vor. Aufgrund dieses Rahmenvertrags hat die Stadt Bochum dann jedoch weit mehr als 60 Sicherheitskräfte angefordert. Dazu fragen wir an:
    a) Aufgrund welcher Sachgründe sind genau zwei Sicherheitskräfte ausgeschrieben worden, und nicht drei, fünf oder zehn?
    b) Wie viele und welche Objekte sollten von den beiden Sicherheitskräften nach Einschätzung der Stadt bewacht werden?
    c) Hat die Stadt zum Zeitpunkt der Ausschreibung mit einer Zunahme oder mit einer Abnahme der Flüchtlingszahlen gerechnet?
    d) Ist zutreffend, dass bereits ein Rahmenvertrag über drei Sicherheitskräfte den EU-Schwellenwert überschritten hätte, wodurch ein anderes EU-weites Ausschreibungsverfahren notwendig geworden wäre?
    e) Hat die Entscheidung, nur zwei Stellen auszuschreiben, aber hinterher weit mehr Kräfte aufgrund der Ausschreibung anzufordern, etwas damit zu tun, dass das eigentlich rechtlich vorgeschriebene Ausschreibungsverfahren vermieden werden sollte?
  2. Auf der Grundlage welcher Überlegung hat die Stadt sich entschieden, den Einsatz von Subunternehmen im Rahmenvertrag nicht auszuschließen? Die Tatsache, dass im Vertrag geregelt ist, dass die Stadt über die Beschäftigung von Subunternehmen informiert werden muss, macht ja deutlich, dass an die Möglichkeit durchaus gedacht wurde.
  3. Im Rahmenvertrag war laut Rechnungsprüfungsbericht geregelt, dass die Firma zwei Wochen vor Auftragsbeginn die vorgesehenen Sicherheitskräfte vorstellen muss, und dass Ausnahmen nur bei Krankheit, Urlaub und Vertragsauflösung möglich sind, und dass dann der Auftraggeber ohne schuldhafte Verzögerung informiert werden muss. Dazu fragen wir an:
    a) Wie genau war geplant, diese Vorstellung durchzuführen?
    b) Welche Behörde/Stelle war dafür zuständig?
    c) Welche Unterlagen wurden dabei geprüft?
    d) Ist diese Vorstellung bei allen angeforderten Kräften vertragsgemäß durchgeführt worden?
    e) Wenn die Vorstellung nicht bei allen Kräften 14 Tage vor Einsatz stattfand, wie hat die Stadt auf das Ausbleiben der Vorstellungen reagiert?
  4. Das Rechnungsprüfungsamt moniert, dass die Stadt Bochum seit September 2015 keine schriftlichen Einsatzpläne für die Sicherheitskräfte mehr zur Verfügung gestellt hat, und dass Absprachen darüber, wo welche Sicherheitskräfte eingesetzt werden sollten lediglich telefonisch oder per E-Mail erfolgt sein sollen. Auch Aufträge zur Bewachung ganzer Einrichtungen sollen zum Teil nur mündlich erteilt worden sein. Dazu fragen wir an:
    a) Welche Stelle/Behörde hat diese nur zum Teil nur mündlichen und nicht nachvollziehbaren Absprachen getroffen?
    b) Welche Änderungen im Verfahren sind inzwischen vorgenommen worden?
  5. Das Rechnungsprüfungsamt schreibt, angesichts des offenkundlich nicht zutreffenden Auftragsvolumens und der bekannten Unregelmäßigkeiten (Ermittlungen der Steuerfahnung und Zollverwaltung, Nichteinhaltung von Anwesenheitszeiten, Beschwerden von Mitarbeitern, Beauftragung eines Subunternehmers), wäre es „ zwingend notwendig gewesen“ , den Vertrag auslaufen zu lassen bzw. zu kündigen – und ihn auf jeden Fall nicht zu verlängern. Dazu fragen wir an:
    a) Welche Ursachen hat die Verwaltung dafür ausgemacht, dass hier anders entschieden wurde?
    b) Welche Maßnahmen wurden ergriffen, damit so etwas nicht noch einmal passieren kann?
  6. Das Amt für Soziales und Wohnen (Amt 50) teilte laut Prüfungsbericht mit: „Aufgrund von Personalengpässen konnte die Prüfung der Rechnungen nicht in angemessener Weise durchgeführt werden. Das Amt 50 hat in der gesamten Zeit Personal für die Durchführung der eheblich gestigenen und zusätzlichen Arbeiten und Anforderungen beantragt.“ Welche Auswirkungen auf Stellenpläne und Personalplanungen sind nach Ansicht von Amt 50 aus dieser Tatsache zu ziehen?
  7. Das Rechnungsprüfungsamt kritisiert, dass es keine verbindlichen Regelungen darüber gibt, wer berechtigt ist, über eine Bewachung und die Bewachungszeiträume zu entscheiden und dies an die Auftragnehmer weiterzuleiten. Ist dieser Missstand inzwischen abgestellt worden? Wenn ja, wie?
  8. In dem Bericht des wird aufgeführt, dass Leiter der Firma C erst auf Anraten eines Dritten die Firma C gegründet habe. Handelt es bei dieser Person um einen Mitarbeiterder der Firma A, der Firma B oder eines Mitarbeiters der Stadt Bochum?
  9. Dem Bericht zufolge soll die Frau Mutter des Leiters der Firma C, die selbst als Leiterin einer Flüchtlingsunterkunft für die Stadt Bochum arbeitet, zweimal 500 Euro als Schenkung von einem Herren bekommen haben. Handelt es sich bei dem Schenkenden um einen Mitarbeiter der Firma A, der Firma B oder der Firma C?
  10. Zur Reaktion der Stadt auf das Bekanntwerden der Beschäftigung von Subunternehmen fragen wir an:
    a) Wann hat die Stadt von dem Einsatz von Subunternehmern erfahren?
    b) Hat die Stadt Bochum Verpflichtungserklärungen gemäß Tariftreuegesetz für die Nachunternehmen angefordert, nachdem ihr der Einsatz von Subunternehmen bekannt geworden ist?
    c) Wenn ja, wann? Wie sahen die Reaktionen aus?
    d) Wenn nein, warum nicht?
  11.  Warum ist nicht unmittelbar nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten die Task Force Flüchtlingsarbeit zusammengerufen worden, um die Probleme zu diskutieren und Lösungen zu finden?
  12. Laut Zuständigkeitskatalog vom 23.11.2015 wäre „die Zentrale Koordinierung Flüchtlinge als übergeordnetes Bindeglied zwischen allen Beteiligten in der Stadtverwaltung sowie die Schnittstelle zu den politischen Entscheidungsträgern bei Themen, die ämterübergreifend, gesamtstädtisch zu kommunizieren und zu entscheiden sind“, für die Koordination der Dienststellen verantwortlich gewesen. Dazu fragen wir an:
    a) Welche Gründe sind inzwischen dafür identifiziert worden, dass die Zentrale Koordinierung dieser Aufgabe nicht in der notwendigen Form nachgekommen ist?
    b) Welche Konsequenzen wurden inzwischen gezogen, um hier Abhilfe zu schaffen?
  13. Offensichtlich gab es keine Überprüfungen vor Ort an den Einsatzorten der Sicherheitskräfte, ob die dort arbeitenden Mitarbeiter*innen orgnungsgemäß angemeldet sind und ob alle Unterlagen (Zuverlässigkeitsüberprüfung etc.) vorliegen. Werden solche Kontrollen inzwischen durchgeführt? Wenn ja, von welcher Behörde/Dienststelle?
  14. Im Rahmen des sowieso massiv unterdimensionierten Rahmenvertrags für die Bewachung der Geflüchtetenunterkünfte wurden außerdem Sicherheitskräfte zum Einsatz am Rathaus angefordert. Auf welcher Grundlage ist das geschehen? Wäre hier für diese anders gelagerte Aufgabe nicht eine eigene Auftragsvergabe sinnvoll bzw. notwendig gewesen?
  15. Der Bericht dokumentiert sehr weitreichende Unregelmäßigkeiten im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen, u.a. fehlende Dokumentation der Auftragsvergabe, fehlende Einsatzpläne und die nicht hinreichende Prüfung der Rechnungen und Abrechnungen. Dazu fragen wir an:
    a) Kann die Verwaltung ausschließen, dass es in anderen Bereichen, die im Zusammenhang mit der Flüchtlingsunterbringung stehen, ebenfalls zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist? (Zum Beispiel: Auftragsvergabe und Abrechnungen mit den Trägern, im Bereich Catering, bei den Reinigungsdienstleistungen und der sozialarbeiterischen Betreuung)
    b) Wenn das nicht ausgeschlossen werden kann, wie soll hier geprüft und für Aufklärung gesorgt werden?