Dienstag 24.11.15, 19:44 Uhr

Angeklagt wegen der Veröffentlichung einer Montage von John Heartfield 2


Die politische Staatsanwaltschaft in Bochum hat schon für eine Reihe von skandalösen Ermittlungen und Anklageschriften gesorgt. Ab und zu findet sie auch RichterInnen, die solche unhaltbaren Anklagen zulassen. Am Donnerstag ist es wieder soweit. Amtsrichterin Bürschen eröffnet den Prozess gegen einen Aktivisten der Initiative „Klassenkampf statt Weltkrieg“. Der Vorwurf der Anklage „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Dem Klassenkämpfer wird vorgeworfen, auf einem Flugblatt ein Hakenkreuz abgebildet zu haben. Das Hakenkreuz befindet sich auf „Hitlers Friedenstaube“, einer Montage von John Heartfield aus dem Jahr 1935.
Die angebliche Straftat hat 2012 stattgefunden. Das Jugendamt übte damals noch das Hausrecht auf der Berufsbildungsmesse aus und sprach gegen allen BesucherInnen, die gegen die Anwesenheit der Bundeswehr protestierten, ein Hausverbot aus. Eine Hundertschaft der Polizei wurde damit beschäftigt Dutzende FriedensaktivistInnen aus dem RuhrCongress zu führen und deren Personalien aufzunehmen. Das Bochumer Friedensplenum hatte zum Protest unter dem Motto „kein Werben fürs Sterben – Krieg beginnt hier!“ aufgerufen.
Als die Polizei fast alle Protestierenden aus dem Saal entfernt hatte, tauchte der jetzt Angeklagte mit einem Plakat und Flugblättern seiner Initiative auf und wurde nach kurzer Zeit ebenfalls aus dem RuhrCongress verwiesen und auch seine Personalien wurden von der Polizei erfasst.
Fürchterliche JuristInnen haben immer wieder versucht, mit den §§ 86, 86a StGB antifaschistische Symbole wie das durchgestrichene Hakenkreuz oder das Hakenkreuz, das in den Mülleimer fliegt, zu kriminalisieren. Das letzte spektakuläre Verfahren richtete sich gegen einen Versandhändler,  der solche Symbole auf T-Shirts, Plakaten etc vertrieb. Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 3600 Euro. Der BGH hob dieses Urteil im Jahr 2007 auf und entschied: „Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck des § 86 a StGB ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand der Vorschrift nicht erfasst.“ Eigentlich müsste die Bochumer Staatsanwaltschaft dieses Urteil kennen.
Als eine Amtsrichterin vor einigen Jahren den Verantwortlichen von bo-alternativ.de im sogenannten Tortenprozess in der dritten von vier Instanzen verurteilte, schrieb Rolf Hartmann in der Bochumer WAZ: „Wer als Richter den vermeintlich kriminellen Gehalt von Karikaturen zu bewerten hat, ist gelegentlich nicht zu beneiden, weil man sich dabei auch ziemlich lächerlich machen kann. Der aktuelle Fall aus Bochum ist so ein Beispiel.“
Der Prozess findet am Donnerstag, den 26.11. um 9.55 Uhr im Amtsgericht Bochum, Saal C 148, Viktoriastr. 14 statt.


2 Gedanken zu “Angeklagt wegen der Veröffentlichung einer Montage von John Heartfield

  • Wolfgang vom Ubu

    Mit Hakenkreuz bei amazon und auch anderswo
    findet sich z.B. das hervorragende Buch : Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 – 1945. Ständige Ausstellung und Dokumentation im Auftrage des Rates der Stadt Dortmund erstellt vom Stadtarchiv. Unter Mitwirkung von Ewald Kurtz. Einleitung von Hans Mommsen.
    bei abebooks http://www.abebooks.de/servlet/BookDetailsPL?bi=11728948887 und auf anderen Plattformen und neulich noch als Sonderangbot für 5,- Euro im Bochumer Stadtarchiv findet sich das ebenfalls ausgezeichnete Buch Hakenkreuz über Bochum: Machtergreifung und nationalsozialistischer Alltag in einer Revierstadt, Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bochum von Wagner, Johannes Volker:
    Verlag: Bochum: Studienverlag Brockmeyer, 1983
    Ich hatte vor Jahren mal Besuch von der Kripo in meinem Ubu-Laden , weil im Schaufenster eine Kollektion antifaschistischer Bücher auslag, die oft auch Hakenkreuze abbildeten. Ich wurde aufgefordert, diese Bücher zu entfernen oder die Hakenkreuze zu überkleben.
    Frage : Wer hat die Polizei mobilisiert ?
    Plausible Antwort : Wenn Hakenkreuze in einem Zusammenhang abgebildet sind, der Nazis nicht gefällt, dann nutzen diese die bestehenden Gesetze in ihrem eigenen Interesse.

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