Mittwoch 11.04.12, 17:14 Uhr

Bürgerentscheid zum Konzerthaus 6


Volker Steude hat ein Bürgerbegehren zum Konzerthaus auch ohne seine Partei, die Piraten, gestartet. Auf der Webseite http://buergerbegehren-musikzentrum.de begründet er ziemlich schlüssig, warum es rechtlich zulässig ist, dass ein Bürgerentscheid statt eines Ratsbeschlusses die letzte Entscheidung treffen kann. Die Rechtsdezernentin der Stadt hatte dagegen argumentiert, dass eine solche Bürgerentscheidung unzulässig sei.


6 Gedanken zu “Bürgerentscheid zum Konzerthaus

  • Andre

    Hallo

    Volker Steude ist leider sehr populistisch. Ihm wurde nicht nur von der Stadt Bochum, sondern auch z.B. von Mehr Demokratie e.V. gesagt, dass er irrt. Auch wurde ihm ausführlich von der Rechtsmeinung meines Anwaltes (Achelpöhler) berichtet, der mich bzgl. eines konkurrierenden Bürgerbegehren beraten hat. Es ist der Sache nicht dienlich, ein offensichtlich rechtlich nicht durchführbares Bürgerbegehren durchzuführen. Letztlich erhält der Rat so die Möglichkeit die Sache rechtlich, und nicht politisch beantworten zu können. Weiter verbrennt man das Engagement der Bürger, wenn man ihre Gutgläubigkeit wider besseren Wissen ausnutzt.

    Was verschweigt Steude ?!

    1. Es handelt sich eben nicht um ein kassatorisches Bürgerbegehren, und damit ist die ausschliessende Frist abgelaufen.

    Das Bürgerbegehren richtet sich ganz klar gegen den Ratsbeschluss vom 9.3.11. Hierzu hat das OLG klar Stellung bezogen siehe hier:http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2003/15_A_203_02urteil20030128.html

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    „Für den die Fristgebundenheit auslösenden kassatorischen Charakter eines Bürgerbegehrens kommt es nicht darauf an, ob in ihm Elemente enthalten sind, die bislang nicht Gegenstand von Ratsbeschlüssen waren. Maßgebend ist nach dem oben beschriebenen Sinn und Zweck der Fristgebundenheit kassatorischer Bürgerbegehren allein, ob das Bürgerbegehren bei einer verständigen Würdigung ein vom Rat beschlossenes Regelungsprogramm aufheben oder ändern will, jedenfalls dann, wenn die Aufhebung oder Änderung nicht nur ein völlig nebensächliches Detail betrifft, von dem anzunehmen ist, dass es im Kontext der durch das Bürgerbegehren zur Entscheidung gestellten Frage von bisherigen Ratsbeschlüssen nicht erfasst sein sollte. Unerheblich ist daher insbesondere, ob nach dem Text des Bürgerbegehrens Ratsbeschlüsse ausdrücklich aufgehoben werden sollen.

    Ebenso Schneider, in: Dieckmann/Heinrichs (Hrsg.), Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen, § 26 Erl. 2; Rehn/Cronauge/von Lennep, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen, 2. Aufl., Loseblattsammlung (Stand: Januar 2002), § 26 Anm. IV.“
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    Auch in Düsseldorf haben die Richter sehr ausführlich dargelegt, wann es sich um ein kassatorisches Bürgerbegehren handelt:
    http://openjur.de/u/100608.html

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    „Die Unzulässigkeit ergibt sich daneben daraus, dass die Frist des § 26 Abs. 3 GO NRW nicht gewahrt ist. Nach dieser Bestimmung muss ein so
    genanntes kassatorisches Bürgerbegehren, das sich gegen einen Beschluss des Rates richtet, innerhalb von sechs Wochen nach dessen Bekanntgabe
    eingereicht sein (Satz 1). Gegen einen Beschluss, der nicht der Bekanntgabe bedarf, beträgt die Frist drei Monate nach dem Sitzungstag (Satz 2). Nach Ablauf dieser Frist wird der Ratsbeschluss durch ein Bürgerbegehren unangreifbar.

    Maßgeblich für die Fristbestimmung ist hier der Beschluss vom 16.11.2000. Mit diesem Beschluss hatte der Beklagte die Grundsatzentscheidung zum Verkauf der Sparte Versorgung der Stadtwerke T getroffen. Ein Bürgerbegehren gegen diese Entscheidung hätte bis zum 16.02.2001 eingereicht werden müssen.

    Der Beschluss vom 15.02.2001, auf Grund dessen nunmehr die gesamten Stadtwerke T einschließlich der Sparten Verkehr und Organisation zum Verkauf angeboten werden sollten, ist als Anknüpfungspunkt für das vorliegende Bürgerbegehren und damit für die Fristberechnung nicht maßgeblich. Ein Bürgerbegehren richtet sich immer nur gegen denjenigen Ratsbeschluss, dessen Rechtswirkungen abgeändert werden sollen.

    Vgl. Rehn/Cronauge/von Lennep, a.a.O., § 26 GO Anm. IV.

    Bei logisch und juristisch teilbaren Beschlüssen ist die schon getroffene Grundsatzentscheidung nach Fristablauf mit dem Bürgerbegehren nicht mehr angreifbar. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 26 Abs. 3 GO NRW. Die Fristbestimmung entspricht dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von repräsentativ- demokratischen zu
    unmittelbardemokratischen Entscheidungsprozessen. Die repräsentativdemokratische getroffene Entscheidung des Rates erhält nach Ablauf einer bestimmten Frist gegenüber der Unmittelbardemokratischen Entscheidung der Bürgerschaft einen Bestandsschutz.

    Vgl. zum Sinn und Zweck: Rehn/Cronauge/von Lennep, a.a.O., § 26 GO Anm. IV.

    Daraus folgt, dass eine schon getroffene, von den Bürgern nicht angegriffene politische Leitentscheidung nicht durch die Möglichkeit der
    Angreifbarkeit der auf sie folgenden ausgestaltenden oder sie nur geringfügig modifizierenden Entscheidungen wieder grundsätzlich in Frage gestellt werden kann. Da solche Modifikationen gerade bei großen, die Bürgerschaft bewegenden Vorhaben regelmäßig nötig werden, würde dem Rat die Planungssicherheit genommen, wenn sie die Möglichkeit basisdemokratischer Korrektur jeweils wieder eröffneten. Dieser Gedanke ergibt sich auch etwa aus der Parallele zur Verfassungsbeschwerde gegen
    Gesetze gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a Grundgesetz (GG), §§ 13 Nr. 8 a, 90 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG). Nach § 93 Abs. 3 BVerfGG kann eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen ein Gesetz richtet, nur binnen eines Jahres seit Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden.
    Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz, das eine entsprechende, inhaltsgleiche Regelung ablöst, so ist die Frist des § 93 Abs. 3 BVerfGG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur gewahrt, wenn bereits das abgelöste Gesetz fristgerecht mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen wurde. Die
    Jahresfrist wird durch die Verabschiedung eines Nachfolgegesetzes nur dann eröffnet, wenn eine inhaltliche Veränderung eine Verfassungsverletzung erst begründet oder vertieft.

    Vgl. grundlegend Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 04.06.1969, 2 BvR 86/66, E 26, 100 (109).

    Der Beklagte hatte schon am 16.11.2000 die Grundsatzentscheidung zum Verkauf der Sparte Versorgung der Stadtwerke getroffen. Der am
    15.02.2001 getroffene Beschluss bezüglich des Verkaufes aller Sparten der Stadtwerke, Versorgung, Verkehr und Organisation ist insoweit
    logisch teilbar, als er die grundsätzliche Entscheidung zum Verkauf ebenso enthielt wie eine Maßgabe für die ohnehin noch auszuhandelnden Modalitäten.

    Da die Entscheidung zum Verkauf der Sparte Versorgung schon am 16.11.2000 getroffen wurde, bezog sich der Beschluss vom 15.02.2001 inhaltlich neu nur noch auf den zusätzlichen Verkauf der übrigen zwei Sparten. Die erneute Beschlussfassung des Beklagten am 15.02.2001 wäre
    nur insoweit grundsätzlich einem Bürgerbegehren zugänglich gewesen als der Beschluss eigenständige Regelungen enthält, die über den
    vorangegangen Beschluss hinausgehen. Aber auch dann können nur die besonderen Regelungen des neuen Beschlusses durch das Bürgerbegehren
    angegriffen werden; d.h. das Bürgerbegehren hätte allenfalls gegen den Verkauf der Sparten Verkehr und Organisation vorgehen können. Die Einbeziehung auch der Sparte Versorgung in diesem Beschluss stellt dagegen nur eine Bestätigung der bereits getroffenen Entscheidung dar, die mit dem vorliegenden Bürgerbegehren nicht mehr angreifbar war. Das Bürgerbegehren richtete sich nämlich im Hinblick auf den Verkauf der Sparte Versorgung gegen die noch immer geltenden Regelungswirkungen des vorangegangenen Ratsbeschlusses. „Bestätigende“ oder „wiederholende“ Ratsbeschlüsse stellen keinen zulässigen Anknüpfungspunkt für den Fristlauf nach § 26 Abs. 3 GO NRW dar. Maßgeblich ist derjenige Beschluss, der inhaltlich bestätigt bzw. wiederholt wird.

    Vgl. Urteil der Kammer vom 02.11.2001, – 1 K 423/01 -, Bl. 13 UA, bestätigt durch OVG NRW, Urteil vom 28.01.2003, – 15 A 203/02 -, Bl. 13
    UA; Rehn/Cronauge/von Lennep, a.a.O., § 26 Anm. IV, S. 11; siehe dazu auch VG Köln, Urteil vom 19.11.1999 – 4 K 7263/97 -, NWVBl. 2000, S. 193
    (194), das die Frage nicht abschließend entscheidet, nach dessen Auffassung aber einiges dafür spricht, dass wiederholende (Grundsatz-)Beschlüsse die Frist nach § 26 Abs. 3 GO NRW nicht neu auslösen; a.A. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.04.1993 – 1 S
    1076/92 -, NVwZ-RR 1994, S. 110, für den Fall „wiederholender Grundsatzbeschlüsse“ nach nochmaliger Sachdiskussion im Rat, wobei
    allerdings der Entscheidung von der nordrheinwestfälischen Gemeindeordnung abweichende Regelungen der badenwürttembergischen
    Gemeindeordnung zu Grunde liegen.“
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    Die Frage die Steude stellt lautet:
    „Sollen die Bürger an Stelle des Rates in einem Bürgerentscheid darüber abstimmen, ob das Vorhaben
    Musikzentrum realisiert werden soll, indem sie darüber entscheiden, ob das zur Realisierung vorgesehene
    Wettbewerbsergebnis des Architektenwettbewerbs „Musikzentrum im ViktoriaQuartierBochum“ den
    Vorgaben aus dem Ratsbeschluss vom 09.03.2011 und des Auslobungstextes entspricht?“

    Bereits der erste Halbsatz sagt klar und deutlich, dass die Bürger darüber entscheiden sollen, ob das Musikzentrum realisiert werden soll. Eine Argumentation „Das ist kein Beschluss der dem Realisierungsbeschluss entgegensteht“ ist offensichtlich nicht haltbar.

    2. Das Bürgerbegehren bezieht sich nicht auf die Frage, sondern das Verfahren. Auch hierzu gibt es eine Rechtssprechung des OLG:

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    „Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass das Bürgerbegehren „Licht in das Dunkel um das I2. -T2. -Haus“ auch aus einem weiteren – nicht vom Verwaltungsgericht aufgegriffenen – Grund unzulässig sein könnte: Gemäß Â§ 26 Abs. 1 GO können die Bürger beantragen, dass sie anstelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden. Ein Bürgerbegehren darf deshalb nicht lediglich darauf gerichtet sein, dem Rat Vorgaben für eine von ihm noch zu treffende Entscheidung zu machen. Vielmehr muss der angestrebte Bürgerentscheid die abschließende Entscheidung anstelle des Rates selbst treffen.

    Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2008, a.a.O., m.w.N.

    Diesen Anforderungen entspricht das Bürgerbegehren möglicherweise nicht, weil es nicht darauf gerichtet ist, die abschließende Entscheidung über die Zukunft des I3. -T3. – Hauses zu treffen, sondern auf das Verfahren
    zielt, in dem diese Entscheidung getroffen werden soll.“
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    Es gibt also gewichtige Gründe dafür, das weitere Vorgehen zu beraten. Denn was auf jeden Fall ginge, wäre ein Ratsbürgerentscheid. Diesen haben die grünen ebenfalls bereits gefordert. Zusammen mit der LTW würde auch das Argument „Es würden nur die Leute abstimmen, die gegen das Zentrum sind“ ausgehebelt, da mit einer starken Beteiligung zu rechnen wäre. Ich halte die Diskussion darüber, ob man den angestrebten Bürgerentscheid nicht besser über den politischen als den rechtlich aussichtslosen Weg verfolgen will für richtig und wichtig. Es geht ja nicht darum, dass die Bürger plötzlich nicht mehr entscheiden sollen, sondern darum, mit welcher Strategie man glaubt die größten Erfolgschancen zu haben, dass die Bürger am Ende auch entscheiden können. Eine rechtliche Ausrede „wir haben es Ihnen gesagt, es geht nicht“. Ist ein Geschenk an die Stadt Bochum.

    Grüße André

  • Andre

    Da war ein nicht zuviel, welches besser ein doch gewesen wäre. „Es handelt sich eben doch um ein kassatorisches Bürgerbegehren….“

  • Gregor

    Beide Seiten haben recht und leider auch nicht. Nichtsdestotrotz ist es eben einfach nicht klar, dass ein Bürgerbegehren nicht geht und auch wenn man viel schreibt wird es nicht richtiger durch diese Wörterflut.

    Das Bürgerbegehren finde ich sehr wichtig für unsere Stadt und das man sich diese Chance nicht nehmen lassen darf.

    Es grüßt der Gregor

  • WieJetzt

    Da hat sich die Piratenpartei Bochum aber ein feines Ei ins Nest gelegt.

    Wer die früheren Aussagen des Herrn Dr. Steude, vor allem auch im Zusammenhang mit dem Bochumer Bürgerforum, beobachtet hat, wundert sich doch ein wenig.

    Bürgerentscheid? Und das von einem Marktradikalen, der am liebsten Heute als Morgen sämtliche öffentliche Daseinsvorsorge privatisieren würde?

    Der als Ökonom immer noch das Märchen der schwäbischen Hausfrau predigt?

    Es erhärtet sich der Verdacht, dass hier politische Karriere versucht wird…

  • Steude

    Das Bürgerbegehren ist allein drauf gerichtet, dass die im Grundsatzbeschluss und Auslobungstext zum Musikzentrum vorgesehene Entscheidung des Rates, ob das Ergebnis des Architektenwettbewerbs gebaut werden soll an Stelle vom Rat von den Bürgern getroffen wird.

    Dadurch, dass diese Entscheidung nicht mehr vom Rat, sondern von den Bürgern getroffen würde, ändert sich der Charakter der Entscheidung nicht.

    Der Grundsatzbeschluss wird durch das Begehren nicht angetastet schon gar nicht kassiert.

    Entsprechend spricht bereits die bloße Logik gegen die umfassenden Ausführungen von Andre Kasper.

  • Steude

    zu 2.: Auch kann die Entscheidung, den (Vergabe-)Beschluss an Stelle des Rates durch die Bürger treffen zu lassen, keine Vorgaben an den Rat enthalten. Der Rat trifft den (Vergabe-)Beschluss bei erfolgreichem Begehren ja nicht mehr, sondern stattdessen die Bürger.

    Für eine Entscheidung, die der Rat gar nicht trifft, können ihm keine Vorgaben gemacht werden.

    So spricht auch hier bereits die bloße Logik gegen die Ausführungen von Andre Kasper.

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