Freitag 20.05.11, 14:14 Uhr

Soziale Liste zur 15. Ratssitzung


Die Soziale Liste im Rat schreibt, dass sie die Privatisierung der Städtischen Alten- und Pflegeheime (Überführung in eine privatrechtliche GmbH) und das vorgeschlagenen Beratungskonzept mit der Bezirksregierung ablehnt. Die Soziale Liste hat Auszüge aus den Reden ihrer Ratsmitglieder veröffentlicht:

Auszüge aus der Rede von Günter Gleising, Ratssprecher der Soziale Liste
Keine Privatisierung der Alten- und Pflegeheime
Die Soziale Liste im Rat lehnt die Privatisierung (Überführung in eine privatrechtliche GmbH) der Städtischen Alten- und Pflegeheime ab und stimmt gegen den Antrag von SPD, CDU, Grünen und UWG. Die Ablehnung dieses Antrages liegt auf der Linie unserer Ratsarbeit seit 7 Jahren, wo wir uns immer gegen Privatisierung und Veräußerung kommunalen Eigentums ausgesprochen haben.
Betonen möchte ich, dass die finanzielle Haushaltskrise auch ein wesentlicher Grund dafür ist, weshalb die städtischen Alten- und Pflegeheime heute zum Teil unattraktiv sind. Zu nennen wären hier der vergleichsweise geringere Anteil an Einbettzimmern oder die verspätete Modernisierung der Bausubstanz. Dem stehen ein hohes Maß an Engagement der städtischen Mitarbeiter oder neu eingeleitete zukunftsträchtige Entwicklungen in Kombination mit Tagespflege und Betreuten Wohnen gegenüber.
Die jetzt vorgeschlagene Ausgliederung der städtischen Alten- und Pflegeheime in eine privatrechtliche GmbH wird nun als Allheilmittel zur Behebung aller Probleme dargestellt. Spätestens 2022 sollen die Einrichtungen „ausgeglichene Jahresergebnisse“ erzielen. Bis dahin soll nach wie vor die Stadt für die Verluste aufkommen. Dies gilt auch für die derzeitigen Schulden.
Ich frage mich, warum es in diesem langen Zeitraum nicht möglich sein soll, die Heime auch in städtischer Trägerschaft attraktiv und zukunftsorientiert zu gestalten und eine Vielzahl von qualifizierten Arbeitsplätzen zu erhalten?
Die von vielen, vor allen den Gewerkschaften, bekräftigten Befürchtungen, die Ausgliederung der Heime würden zu Lasten der Qualität, der Beschäftigten und sozialer Standards gehen, teile ich. Sie wird noch bestärkt wenn ich mir die „Begründung“ für die „neue Rechtsform“, in den Unterlagen ansehe, die der Beschlussvorlage zur heutigen Sitzung beigefügt ist.
Ich möchte einige Begründungen nennen:
Flexiblere Personalpolitik
Keine Kontrolle durch die Öffentlichkeit
Keine parlamentarische Legitimationsnotwendigkeiten
Keine politischen Blockaden bei unternehmensbezogenen Entscheidungen.
Aber; wird jetzt sicherlich aus Kreisen der Antragsteller angeführt, wir haben mit unserem Änderungsantrag entsprechende Sicherungen eingebaut. Das mag der beabsichtigte Wille sein. Sobald der Weg erstmal in eine private Gesellschaft gegangen ist, ist das Ende der Entwicklung kaum noch absehbar, gewinnt dies eine Eigendynamik, die ja auch beabsichtigt ist, wie aus dem Gutachten hervorgeht.
Mein letzter Punkt:
Die Beschlussvorlage stützt sich ja weitgehend auf ein Gutachten und weitere Unterlagen der Beratungsfirma Curacon.
Ich bezweifle die Unabhängigkeit dieser Beratungsfirma. Wenn man recherchiert, kommt man schnell zu der Einsicht, dass es sich hier um die Firma handelt, die weitgehend die Diakonie berät. Sie ist beteiligt an der „Führungsakademie für Kirche und Diakonie“ und ist als Wirtschaftsprüfergesellschaft für viele Einrichtungen der Diakonie tätig. Curacon ist auch Beratungsfirma im Arbeitsrecht, der Arbeitsvertragsgestaltung, dem Tarifvertragsrecht und bei der Erstellung von Aufhebungsverträgen und Abwicklungsvereinbarungen.
Und; bei Curacon-Düsseldorf, die für die Stadt tätig ist, handelt es sich ganz offensichtlich um eine kirchliche Einrichtung. Jedenfalls wird Curacon Düsseldorf in dem Verzeichnis der „Ämter, Werke und Einrichtungen in der Evangelischen Kirche im Rheinland“ als Position 26 aufgeführt.
Die Curacon wirbt überall in der Bundesrepublik Deutschland für die Ausgliederung von Einrichtung und Überführung in private Gesellschaften.

Kommunale Selbstverwaltung stärken
Auszüge der Rede von Nuray Boyraz, Ratsfrau der Sozialen Liste
Die Soziale Liste im Rat lehnt das vorgeschlagene Beratungskonzept
mit der Bezirksregierung. Zunächst haben wir verfassungsrechtliche Bedenken. Sowohl im Grundgesetz als auch in der Landesverfassung ist die kommunale Selbstverwaltung festgeschrieben und garantiert. Wir sehen in dem vorgeschlagenen Beratungskonzept und in der vorgesehenen Arbeitsweise aber eine Einschränkung dieser Rechte.
Die Finanz- und Haushaltspolitik ist der Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Mit dem Beratungskonzept wird dieser Kern angegriffen. Während der Rat und die Oberbürgermeisterin in Wahlen gewählt werden, handelt es sich bei den Regierungspräsidien um eine Behörde.
Ich Frage mich: Woher nimmt eine Behörde, die ja für viel Bürokratismus bekannt ist, die Kompetenz, um in dieser schwierigen Zeit als „Berater“ zu fungieren? Ich habe die Befürchtung, dass die ganze Sache eher darauf hinausläuft, zu sehen, wie man das Rotstift- und Arbeitsplatzabbau-Konzept der Gemeindeprüfanstalt umsetzen kann.
Zu befürchten ist auch, dass durch die „Beratungskooperation“ aus Zwängen, Sachzwänge, aus Sachzwängen unauswegliche Sachzwänge geschaffen werden, die dann dem Rat als alternativlos präsentiert werden. Das ganze erinnert an die Deregulierungspolitik von Schröder und Fischer in Berlin.
Wir lehnen das Konzept auch aus dem Grunde ab, weil hier der Eindruck entsteht, die Stadt Bochum müsste nur richtig sparen um aus der Finanzkrise herauszukommen. Alle bisherigen Stellungnahmen des Arnsberger Regierungspräsidiums gingen ja bisher auch in diese Richtung.
Richtig ist jedoch das, was das Junkerheinrich-Lenk-Gutachten festgestellt hat. Dort wird festgestellt, dass die Stadt Bochum durch Mehrbelastung aus der Politik in Bund und Land entscheidend finanziell geschwächt wurde. Auch auf dem jüngsten deutschen Städtetag hat Petra Roth nochmals sehr deutlich auf die „tiefgreifenden strukturellen Finanzprobleme der Kommunen“ hingewiesen.
Im Mittelpunkt der Anstrengungen zur Haushaltspolitik sollte auch aus unserer Sicht daher die Frage sein, wie diese strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen behoben werden kann. Das Beratungskonzept versucht an den Symptomen herum zu doktern, und das noch an den falschen Stellen, wie wir meinen. Eine Gesundung ist aber so nicht zu erreichen. Im Mittelpunkt aller politischen Anstrengungen muss deshalb aus unserer Sicht der Einsatz für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Kommunen stehen. Hier sind Berlin und Düsseldorf gefordert ihre kommunefeindliche Politik zu beenden.