Freitag 16.05.03, 15:00 Uhr

Nach dem Bürgerbegehren: Cross-Border-Gegner reichen Klage ein


Der Abschluss eines Cross-Border-Leasing-Vertrages über das Kanalnetz trotz erfolgreichen Bürgerbegehrens dagegen hat für die Stadt Bochum ein juristisches Nachspiel. Die Vertretungsberechtigten des Bürgergegehrens reichen heute ihre angekündigte Klage gegen die Nichtdurchführung des fälligen Bürgerentscheides durch die Stadt Bochum vor dem Verwaltungsgericht ein. Die Klage wird heute um 17 Uhr von den Klägern, ihrem Anwalt und einigen Unterstützern persönlich beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, abgegeben. Die 16-seitige Klageschrift enthält zwei Anträge. Antrag 1 lautet: … die Beklagte wird verurteilt, zu der Frage: „Die Unterzeichner sind gegen das Verleasen und Rückleasen des Bochumer Kanalnetztes mit einem US-Investor („US-Cross-Border-Lease-Transaktion“) und somit für die Aufhebung des entsprechenden Ratsbeschlusses vom 21. 11. 2002.“ einen Bürgerentscheid durchzuführen. Antrag 2 (hilfsweise) lautet: … festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, einen Bürgerentscheid zu der Frage: „Die Unterzeichner sind gegen das Verleasen und Rückleasen des Bochumer Kanalnetztes mit einem US-Investor („US-Cross-Border-Lease-Transaktion“) und somit für die Aufhebung des entsprechenden Ratsbeschlusses vom 21. 11. 2002.“ vor Abschluss der Verträge durchzuführen. Der Rat der Stadt Bochum hatte auf einer Sondersitzung am 9. März den Erfolg des Bürgerbegehrens einstimmig festgestellt, gleichzeitig aber mit 34 zu 25 Stimmen beschlossen, ihm nicht zu folgen. In der folgenden Woche hatte Stadtkämmerin Ottilie Scholz den umstrittenen Vertrag in New York unterschrieben. Oberbrügermeister Ernst-Otto Stüber hatte daraufhin die Durchführung des in der Gemeindeordnung NRW zwingend vorgeschriebenen Bürgerentscheides verweigert, da dies „keinerlei Rechtsfolgen“ mehr auslösen würde.

Demgegenüber sind die Kläger der Meinung, dass § 26 der Gemeindeordnung (Bürgerentscheid nach erfolgreichem Bürgerbegehren) eindeutig sei und keinerlei Interpretationsspielraum lasse oder gar Ausnahmen vorsehe. Die Passage im Wortlaut: „Entspricht der Rat dem zulässigen Bürgerbegehren nicht, so ist innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid durchzuführen. Entspricht der Rat dem Bürgerbegehren, so unterbleibt der Bürgerentscheid.“ (§ 26 Abs. 6 Satz 3 u. 4 GO NW)

Wichtiger als die Nachholung des Bürgerentscheides ist den Klägern jedoch die Feststellung des Gerichts, dass der Vertrag gar nicht hätte unterschrieben werden dürfen. Denn inzwischen hat die Kämmerin öffentlich eingeräumt, dass die Eile, das Geschäft in der zweiten Märzwoche abzuschließen, gar nicht vom US-Vertragspartner ausging, sondern ausschließlich von der Stadt Bochum. Ihre Behauptung in der Ratssitzung vom 27. Februar, das Geschäft würde platzen, war also nichts als ein Bluff – das Bürgerbegehren wurde absichtlich unterlaufen. Dies verstößt jedoch gegen das Prinzip der Organtreue, den das Oberverwaltungsgericht Münster 1995 (und 1998 auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen) postuliert hatte.

Zwar haben Bürgerbegehren prinzipiell keine aufschiebende Wirkung, doch gilt: „Eine Schranke für die Befugnisse zur Ausführung des Beschlusses ist erst dann gegeben, wenn der Beschluss der Bürgerschaftsversammlung nicht aus Sachgründen erfolgt, sondern um einem möglichen Bürgerentscheid zuvorzukommen, um mit anderen Worten eine Willensbildung auf direkt-demokratischem Wege zu verhindern. Dies folgt aus dem im Staatsrecht entwickelten Grundsatz der „Organtreue“. Dieser Grundsatz verpflichtet Organe, sich so zu verhalten, dass die jeweils anderen Organe ihre Zuständigkeiten Ordnungsgemäß wahrnehmen können.“ OVG Münster, 15 B 2799/95 VG Gelsenkirchen, 15 L 3565/98

Die Kläger rechnen damit, dass beide Gerichte, die auch im Bochumer Fall zuständig sind, ihre bisherige Rechtsprechung bestätigen werden. Dies würde das Bochumer CBL-Geschäft zwar nicht rückgängig machen, hätte aber Signalwirkung für alle weiteren CBL-Geschäfte und Bürgerbegerhren in Deutschland. Der Prozess wird daher nationale Beachtung finden.