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| zurück zu unseren Positionen | Autor: Andres Friedrichsmeier 10 Wahrheiten und Grundirrtümer der UniversitätFortsetzungsromanIrgendwann sind wir alle mal ganz neu in sie hineingetreten, in Alma Mater (zu deutsch: die nährende Mutter), also die Uni. Was wir da wollten? Nach selbstgewählter Verlängerung der schulischen Unmündigkeit suchen, der Verheißung von Eliteschmiederei folgen. Oder die Hoffnung auf einen der letzten Gammelräume in der Härte des postindustriellen Kapitalismus? Träumerische Ideale müssen es gewesen sein, jedenfalls waren sie irgendwann weg. Womit wir zum Ausgleich beim Spannenden an der Uni angekommen wären, nämlich dem Alice-in-wonderworld-Effekt. An der Uni ist in Wirklichkeit immer alles genau umgekehrt, als man zunächst annehmen möchte. Vom Lernen Land auf, Land ab findet folgende Interpretation bemerkenswerte Popularität: die Hochschule diene der systematischen Qualifizierung der Studierenden. Mithin sei Uni die Institution, deren Aufgabe die (Erzeugung und) Weitergabe von Fachwissen sei, mal mehr, mal weniger praktisch ausgerichtet. Das alles ist natürlich nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Doch schon wenige Wochen an der Uni machen stutzig. Z.B. die hohen Abruchquoten, die Zahl derer, die Studium oder Studienfach aufgeben. In etlichen Fakultäten überschreiten sie leicht die 2/3-Marke. Ein reiner Funktionsfehler der Hochschule? Östlich der Mensa ist gleich im ersten Semester stures Pauken angesagt. Kurzfristig Wissen in den Kopf reinstopfen und nach der Klausur möglichst schnell wieder raus damit, daß Platz für den Stoff der nächsten Klausur ist. Statt kreativer Arbeit mit Nachschlagwerken Training des Kurzzeitgedächnisses. Ist das schon Qualifizierung? Etwas subtiler, damit aber auch absurder läuft es westlich der Mensa. Da bietet ein großer Studiengang schon mal an die hundert alternative Lehrveranstaltungen an, mit den Nebenfächern und ihren jeweiligen unterschiedlichen Studienordnungen wird ein unüberschaubarer, durch nichts geordneter Strom daraus. Gibt es Studienempfehlungen, so sind sie offensichtlich widersinnig. Da soll man etwa über 20 Stunden die Woche Veranstaltungen besuchen und je Stunde zwei Zuhause Nacharbeiten, was dann 60 Stunden die Woche etwa parallel zum Job wären, mit dem man sich finanziert. Und die Leseempfehlungen fürs erste Semester umfassen mengenmäßig das, was man während des ganzen Studiums so schaffen wird. Andere Fächer leisten sich Vorkurse, die vorgeblich der Angleichung des Vorwissens dienen, aber überwiegend Stoff durchpeitschen, der im Studium auch noch mal der Reihe nach drankommt. Das Erschrecken ist hier genauso gründlich vorprogrammiert wie östlich der Mensa, wo man in Unübersichtlichkeit ertrinkt. Vom Durchfallen Also alles Mittel der Selektion? Klausuren jedenfalls sind nicht dazu da , “Leute auszusieben”. Grundprinzip der deutschen Unis ist nämlich nicht die direkte Slektion, sondern die “Selbsteleminierung”. Selbst für Klausuren mit über 50% Durchfallquote gilt, daß der Delinquent von selbst aufgibt und fortan meint zu finden, daß er eigentlich schon immer etwas anderes machen wollte, statt es weiter zu versuchen. Für alle, die es immer noch nicht glauben: Ginge es um technisch-rationale Selektion, wäre die Wiederholung von Klausuren ausgeschlossen. Psycho- Vergleichstests zeigen, daß die Leistungen von Personen, die nach einem Vortest ein negatives Feedback (z.B. das Durchfallergebniss) bekommen, um rund 60% abfallen. Wäre man also an optimaler Qualifikation (auch nur der Mehrheit) interessiert, würde man sich weniger Motivationen und damit Lernleistungen durch hohe Durchfallquoten versauen. Vom Vorlesen Um aber wieder von der Klausurdiskussion wegzukommen: entscheidend ist das Element der Frustration. Warum, zum Beispiel, ist das sogenannte “Lerntempo” im Grundstudium viel höher als im Hauptstudium? Würde man auch GymnasiastInnen in Klasse 5 gezielten Lernschocks aussetzen, um dann später die Dinge wieder locker zu lassen? Und dann die Vorlesung, das beliebteste Instrument der vorgeblichen Qualifikation im Grundstudium. Wem es noch nicht aufgefallen ist: Vorlesungen werden fast ausschließlich von Profs gehalten. Seminare, Übungen und ähnliches gibt es im Grundstudium viel weniger und zuverlässig nur von Nicht-Profs geleitet. Denn Übungen fordern ein unendlich höheres fachliches und soziales Niveau. Vorlesungen sind nicht selten im Wortsinn eben solche, d.h. es wird vorgelesen, wenn auch manchmal aus den StudentInnen nicht bekannten Lehrbüchern. Neunmalkluge erwarten nun, daß des Lesens Kundige in ein paar Jahren die Vorlesung immer auch am heimischen Bildschirm mitverfolgen können statt im überfüllten Hörsaal. Wogegen anzumerken wäre, daß die Buchdruckkunst schon gegen 1455 erfunden wurde. Also kann das vermitteln des Stoffs kaum Hauptfunktion der Vorlesung sein. Der Schwierigkeit, sich bei Seminaren unvorhersehbaren Fachfragen stellen zu müssen oder - was ja im Seminar theoretisch möglich wäre - einen interaktiven gemeinsamen Lernprozeß anzustoßen, werden nur die laut Unihierarchie inkompetenteren Nicht-Profs ausgesetzt. Ginge es, rein hypothotisch, um Qualifizierung, läge es schließlich auch nahe, Profs wie auch deren ZuarbeiterInnen in Techniken der Vermittlung von Qualifikationen auszubilden. Vom Funktionieren Also alles nur Beweise dafür, wie “verrottet”, um das Modewort zu benutzen, die Hochschulen sind? Aber wer will das glauben, daß seit vielen Jahrzehnten solch Milliardensummen in Einrichtungen fließen, die derart antifunktional wären? Nein, die Vorlesung und das unübersichtlich große Lehrangebot dienen dazu, das Wissen als fast unerreichbares zu präsentieren. Die Entmutigung hat System, denn erst sie verleiht dem “Wissen” der Universität und damit ihren Titeln die höheren Weihen. Und wo für die Lehrenden die Habilitation den Ritterschlag darstellt, ist sie für StudentInnen oft das Vordiplom oder die Zwischenprüfung. Ab dem Hauptstudium dürfen sie mit den Profs im Seminarraum auch räumlich auf einer Ebene kommunizieren statt aufgereiht im Vorlesungssaal. Das Gefühl, sich im “durchgesetzt” zu haben, gehört unbedingt dazu. Warum aber andere gescheitert sind, sollte jeder Studi - wie auch die Profs - auf die Begabung schieben. Denn eine Analyse der Vermittlung von Arbeitstechniken ist nicht angebracht, sie würde die Position entmystifizieren, die mit dem Studienabschluß erreicht werden soll. Daß nun die Zahl der AkademikerInnen deren gesellschaftliche Stellung angekratzt hat, könnte solche Mechanismen eher wichtiger als unwichtiger gemacht haben. Aber demnächst mehr Weisheiten dazu an dieser Stelle:
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