| zurück zu unserer Wahl-Site | Autor: Thilo Machotta

<<glosse>>

Die verrücktesten Kühe sind lila

Neuerdings fehlt etwas auf den quitschebunten und persilreinen Werbeinseln, die das tägliche Talk- und Quizshowallerlei unterbrechen: die lila Kuh. Normalerweise steht sie gelangweilt grasend auf idyllischen Bergwiesen, und macht zwei Drittel aller GrundschülerInnen glauben, daß Kühe lila und nicht etwa schwarzbunt gescheckt zu sein haben.

In den letzten Monaten und im letzten Werbespot von „Milka“ war sie zum allgemeinen Bedauern nicht mehr zu sehen. Im aktuellen 30-Sekunden-Werbehäppchen steht sie auch eher verschämt am rechten Rand des Fernseh-bildes und traut sich nicht recht in die Mitte zu laufen. Wurde sie etwa von frustrierten Pädagogen gekidnappt, wie einst die Puppen von Ernie und Bert, dem bekanntesten schwulen Paar des kindlichen Universums?
Nein, die lange genug verschwiegene Wahrheit sieht ganz anders aus: Das beliebte pastellfarbene Schokoladenreklamerind ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das erste prominente BSE-Opfer. Der Bedarf an spaßigen Rindviechern, die mit ihren Körpern ungelenken Schabernack treiben, ist zur Zeit mehr als gesättigt. Bei Milka soll momentan sogar ein Werbespot unter Verschluß liegen, in dem sich zwei Rindviecher auf einer malerischen Almweide wiederkäuend über die Vorzüge der „zartesten Versuchung“ unterhalten (!). Ganz schön rinderwahnsinnig ... schade nur, daß uns dieses begnadete Exponat der Werbekunst, das in den letzten Wochen ganz ungeahnte Konnotationen erfahren hat, auf absehbare Zeit vorenthalten bleibt.
Dafür hat die Süßwarenfirma „Katjes“ aus Emmerich ein interessantes Produkt auf dem Markt. Den interessierten KonsumentInnen bietet sie ein „Milch-Lakritzkonfekt mit wertvollem Süßholzsaft“ feil, das die Form von merkwürdig proportionierten Kuhköpfen hat, die auch noch äußerst desorientiert in Richtung Kunde blicken. Doch damit nicht genug, die süße Spezialität wird unter dem klangvollen Namen „Verrückte Kühe“ verkauft. Ein Schelm ist qui mal y pense!
Auf die Vorderseite der Packung hat ein - augenscheinlich debiler - Werbegrafikmensch zwei tanzende Kühe gezaubert. Stilecht, wie es sich für Kühe gehört, in Baströckchen und Blumenketten beziehungsweise in modische himmelblaue T-Shirts gekleidet, lassen die beiden die Kuh fliegen. Die Euter wippen rhythmisch im Takt und der Hula-Hop-Reifen kreist um die rundlichen Hüften. Pikanterweise enthalten die Lakritzkühe Gelatine, die aus Haut und Knochen von Schlachttieren gewonnen wird. Hmh, lecker. „Katjes“ und „Haribo“ versichern jedoch seit geraumer Zeit, nur Gelatine von Schweinen zu verwenden.
Sind die „Verrückten Kühe“ von „Katjes“ eigentlich gnadenlose Realsatire? Oder eher nur ein geschmackloser Werbegag mit dem versucht wird, über den BSE-Skandal den Umsatz zu steigern? Das hätte doch was: „Verrückte Kühe - vom Abenteuer naschen“ oder „der crazy Snack für Zwischendurch“. Das wäre doch ein ideales Mitbringsel für die nächste Party, denn das Gesprächsthema für die Runde ist gleich mit dabei. Im Familienkreis kann Omi aus der harten Zeit erzählen, als man noch alles von Hand und ohne Strom ... und überhaupt, so etwas hätte es früher nicht gegeben. Im Freundeskreis dagegen läßt sich prima über die Herstellung von Gelatine aus ekeligem Kadaverpamps diskutieren - so genau will zwar niemand wissen, wie der Kram eigentlich hergestellt wird (solange es billig ist), aber man kann bei der Gelegenheit tolle Ekelgeschichten auspacken und dafür sorgen, daß eine Tüte Naschkram auch wirklich für den ganzen Abend reicht.
TrendsetterInnen und KitschfanatikerInnen wird hiermit Konsumbefehl erteilt, abtreten.