Offener Brief an das Rektorat der
Ruhr - Universität - Bochum
Sehr geehrter Herr Wagner,
sehr geehrte Damen und Herren!
Mit Bestürzung haben wir den Entwurf der Gebührensatzung des Rektorats der Ruhruniversität Bochum
zur Kenntnis genommen.
Die Ruhruniversität Bochum wurde in den 70er Jahren gegründet, um vor allem Kindern aus Arbeiterhaushalten
die Möglichkeit zu geben, eine akademische Ausbildung zu absolvieren. Die Gründung war ein Versuch, die
Idee der Breitenbildung im Ruhrgebiet zu etablieren und Klassengrenzen zu beseitigen. Freier Zugang zu den Universitäten
für alle - war das Motto, unter dem die Ruhruniversität in über drei Jahrzehnte lang erfolgreich
akademischen Nachwuchs ausgebildet hat.
Uns ist die finanzielle Notlage der Universitäten in NRW bekannt. Die Einführung von Studiengebühren
wird diese Notlage weder beseitigen, noch lindern. Der Entwurf der Gebührensatzung sieht vor, die Gebühren
zur Verbesserung der Lehre einzusetzen und eine Stiftung zur Bereitstellung von Stipendien einzurichten. Die Verbesserung
der Lehre ist ein wichtiges Ziel. Allerdings weisen alle Voraussagen und Erfahrungen in anderen Ländern darauf
hin, dass sie durch die Einführung von Studiengebühren nicht erreicht werden kann. In der derzeitigen
Situation und unter den verschärften Bestimmungen des "Hochschulfreiheitsgesetzes" der Landesregierung
NRW werden die Gebühren dazu verwendet werden müssen, die Haushaltslöcher zu stopfen. In zunehmenden
Konkurrenzkampf um die Mittel innerhalb der Fakultäten ist nicht anzunehmen, dass die Qualität der Lehre
steigt. Verbessern wird sich die Anpassung der Inhalte an die Interessen des Marktes. Was das für die Bedeutung
kritischer Geistes- und Kulturwissenschaften und alternative Forschung in den Naturwissenschaften heißt,
brauche ich ihnen sicher nicht zu erklären.
Die Einführung der Studiengebühren wird vor allem dazu führen, dass weite Teile der Bevölkerung
von einer akademischen Ausbildung ausgeschlossen werden. Bereits jetzt studieren an den Universitäten in NRW
kaum Kinder aus "bildungsfernen" Schichten. Mit der Einführung von Gebühren werden wir zurückfallen
in die Bildungschancen der 50er Jahre. Bildung wird ein Luxusgut für Kinder reicher Eltern. Kinder aus benachteiligten
Schichten müssen eine überdurchschnittliche Begabung mitbringen, um eventuell ein Stipendium zu erhalten.
Das ist das Ende der Chancengleichheit in der Bildung und kann nicht ihn Ihrem Sinne sein.
Wir möchten sie deshalb noch einmal auffordern, auf die Einführung von Gebühren an der RUB grundsätzlich
zu verzichten und der Landesregierung deutlich zu machen, dass Bildung kein Privatvergnügen reicher Eliten,
sondern ein Grundrecht in einer demokratisch verfassten Gesellschaft darstellt. Dieses Recht muss öffentlich
und angemessen vom Staat finanziert werden. Der Sachzwanglogik leerer öffentlicher Kassen muss in einem der
reichsten Länder der Erde deutlicher Protest entgegengesetzt werden! Sie können als eine der größten
Universitäten des Landes mit einem klaren "Nein" zu Gebühren ein Zeichen setzen: Für den
Erhalt der Demokratie, der Freiheit von Lehre und Forschung und der Chancengleichheit in der Bildung!
Der Entwurf der Gebührensatzung zeigt bereits deutlich, wohin die Einführung von Gebühren führen
wird.
In §1 wird die Einführung der Studiengebühren in Höhe von 500,- Euro pro Semester festgelegt.
Es ist keinerlei Staffelung vorgesehen. Der Sohn der Putzfrau zahlt das gleiche, wie die Arzttochter - um dieses
viel zitierte Beispiel erneut zu strapazieren. Die Möglichkeit zur Staffelung ist im Gesetz ausdrücklich
vorgesehen. Warum nutzen sie diese Möglichkeit nicht?
§ 6 sieht für Studierende mit Kindern eine mögliche Befreiung von den Gebühren vor, allerdings
höchstens im Umfang der 1,5fachen Regelstudienzeit. Die Anzahl der Kinder spielt in ihrem Entwurf keine Rolle.
Es macht allerdings einen Unterschied, ob ein oder vier Kinder neben dem Studium erzogen und ernährt werden
müssen. Unverständlich ist es, warum die Befreiung nur für einen Elternteil gilt. Im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit
sollte es selbstverständlich sein, dass die Befreiung sowohl für den Vater als auch für die Mutter
gilt. Sie haben einen gemeinsamen Erziehungsauftrag, der beide in ihrer Studienmöglichkeit einschränkt.
Selbst die Regelung zur Elternzeit geht inzwischen auf die sich verändernden Rollen in der Erziehung ein.
Die RUB sollte dahinter nicht zurückbleiben.
Die im Entwurf angestrebte Regelung wird dazu führen, dass vor allem die Mütter ihr Studium vernachlässigen.
Bereits jetzt brechen überproportional viele studierende Mütter ihr Studium ab, während die Mehrzahl
studierender Väter mit einem Abschluss die Universität verlassen.
Besonders entsetzt mich die Regelung für ausländische Studierende. Dazu sieht der Entwurf vor, dass "Qualifizierte,
ausländische Studierende mit ausländischer Hochschulzugangsberechtigung, die keinen Anspruch auf ein
Studienbeitragsdarlehen besitzen, können im Einzelfall auf Antrag von der Beitragspflicht…. Für ein oder
mehrere Semester befreit werden, wenn die Ruhr - Universität ein besonderes Interesse an der Bildungszusammenarbeit
mit dem Herkunftsland hat." Das, meine Damen und Herren, ist Rassismus!
Hier werden nicht die Interessen ausländischer Studierenden in den Vordergrund gestellt, sondern subjektive
Forschungsinteressen der RUB. Betroffen werden vor allem Studienwillige aus den "3. Welt" Ländern,
die ihn ihrer Heimat häufig keinerlei Möglichkeiten haben, ein Studium zu finanzieren. Hier findet eine
unerträgliche Ausgrenzung und Abschottung statt. Wir bitten sie ausdrücklich, diesen Paragraphen zurückzuziehen.
Sie haben am 18. September die Möglichkeit, die Landesregierung NRW an ihre Verantwortung zu erinnern. Tausende
von Studierenden stehen hinter Ihnen, um mit Ihnen gemeinsam gegen die Privatisierung von Bildung und für
den Erhalt der Freien Universitäten zu kämpfen. Lassen Sie nicht zu, dass die Mitglieder der RUB sich
spalten und stellen sie sich mit einem NEIN auf die Seite aller, die die Bildung als Grundlage der Demokratie verteidigen.
Mit solidarischen Grüßen
Hüseyin Aydin (MdB DIE LINKE, Wahlkreisbüro Duisburg)
Jonas Bens (Hochschulpolitischer Sprecher der Linkspartei. PDS - NRW)
Sevim Dagdelen (MdB DIE LINKE, Wahlkreisbüro Bochum)
Cornelia Hirsch (MdB, Bildungspolitische Sprecherin DIE LINKE)
Inge Höger - Neuling (MdB, stellvertretende Fraktionsvorsitzende DIE LINKE)
Ulla Jelpke (MdB DIE LINKE, Wahlkreisbüro Dortmund)
Ulla Lötzer (MdB DIE LINKE, Wahlkreisbüro Bonn)
Paul Schäfer (MdB DIE LINKE, Wahlkreisbüro Düsseldorf)
Katharina Schwabedissen (Landessprecherin der WASG - NRW)
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