Diskussionsthesen zur Veranstaltung des Bochumer Friedensplenums am 20.4. 2005 um 19,30 Uhr im Haus der kath. Jugend, Bochum, Humboldtstr. 40:
Nie wie der Krieg! - ohne uns?

 

Wolfgang Dominik:
Aspekte der Remilitarisierung von 1944 bis heute

 

  1. Angesichts der singulären Verbrechen des deutschen Faschismus liegen nach der Befreiung Deutschlands folgende Lehren einfach auf der Hand, die bis weit in bürgerliche Kreise verbreitet sind ( Ahlener Programm der CDU von 1947) und Eingang finden in alle Pläne, Erlasse, Verlautbarungen und Rechtsvorschriften der alliierten Siegermächte zur „Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus“: Entflechtung der Monopole und Konzerne (Demonopolisierung), da sie den Faschismus von Anfang an gefördert hatten und beteiligt waren an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Denazifizierung aller gesellschaftlichen Bereiche, Demokratisierung eines zukünftigen Deutschlands und Demilitarisierung Deutschlands  (die berühmten D hoch 4). Alle Personen, die mehr als nur nominell etwas mit den faschistischen Parteien und Massenorganisationen zu tun hatten, sollten vom öffentlichen Leben ausgeschlossen werden und  natürlich für eventuelle Verbrechen bestraft werden. Das gilt für die Befreiten! Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die Mehrheit der Deutschen keineswegs von Befreiung redeten, wenn sie den 8. Mai 1945 beurteilen: Zusammenbruch, bis heute „Der Untergang“, Niederlage, Katastrophe oder bestenfalls Ende des 2. Weltkrieges, nicht Befreiung vom Faschismus, hieß der hegemoniale Diskurs. (Die Spätfolgen erleben wir gerade im AA, nach 1949 ein Hort ehemaliger NSDAP-Mitglieder – 19 der ranghöchsten 25 Diplomaten waren NSDAP-Mitglieder . Heute (März/April 2005) protestieren 70 MitarbeiterInnen  dagegen, dass ehemalige NSDAP-Mitglieder nicht durch besondere Todesanzeigen geehrt werden sollen  - eine nun wirklich gute Anweisung Josef Fischers, aber das betrifft immerhin seine Vorgänger Scheel und Genscher! Auch 2005 gilt: „Wer einmal Steine geschmissen hat, soll braune Flecken auf den Westen honoriger Herren gefälligst übersehen.“ (FR 31.3.05)   Dass der Untergang 1933 oder schon vorher begann, wurde außer von AntifaschistInnen nie thematisiert. Das waren im hegemonialen Diskurs die Jahre des Aufschwungs oder der Stabilisierung des Systems o.ä.

 

  1. Es kam  ganz anders, als die Befreiten das 1945 erhofft hatten. Korrespondierend zu den wachsenden politisch-ökonomischen Auseinandersetzungen  um Deutschland, um Südosteuropa  (griechischer Bürgerkrieg, Jugoslawien), in China, ab 1950 in Korea, aber auch während des wachsenden weltweiten antikolonialistischen und antiimperialistischen Kampfes wuchsen die Auseinandersetzungen zwischen den USA und ihren ab 1949 in der NATO Verbündeten und der SU.  So  kam es erst langsam eigentlich seit 1944 schon, dann ab 1945 und erst recht   mit Gründung der  BRD (Verabschiedung des GG im Mai 1949,  erste  Wahlen zum BT am 14. 8. 1949. Proklamation der BRD ) zu einer strukturellen Restauration des Kapitalismus in den Zonen der kapitalistischen  Besatzungsmächte, also in den Westzonen bzw. der BRD. Politisch, ökonomisch, in allen gesellschaftlichen Teilbereichen ideologisch und personell wurden zum großen Teil auch jene Kriegsverbrecher wieder gebraucht, die gerade erst verurteilt worden waren. Das gilt selbstverständlich auch im militärischen Sektor.

 

  1. Die Remilitarisierung der Westzonen wurde  vor der Befreiung Deutschlands vom Faschismus am 15.4. 1945 in einer Besprechung  im US-Außenministerium  beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kalte Krieg bereits in vollem Gange – auch wenn heute erst offiziell die Truman-Doktrin von 1947 als Datum des Beginns genannt wird. Geostrategisch, geopolitisch und geoökonomisch reicht eigentlich ein Blick auf die Landkarte, um zu sehen, wie wichtig die westlichen Besatzungszonen und das, was daraus werden sollte, sind (vgl. Bernd Greiner in 1999, 2/1987, S. 88ff).

 

  1. Weil es auch um semantische Exaktheit geht, sei darauf hingewiesen, dass Adenauer noch im Sommer 1950 offiziell eine Remilitarisierung ablehnte, später wurde im konservativen Lager die Begriffe Wiederbewaffnung, Neubewaffnung oder höchstens noch Wiederaufrüstung  zur Verschleierung der Militarisierung der Gesellschaft, der mit Remilitarisierung verbunden ist, gebraucht.

 

  1. Zumindest der Teil Deutschlands, über den die USA verfügen würden, sollte zum „Bollwerk“ gegen die Sowjetunion gemacht werden. Churchill telegrafierte in den letzten Kriegswochen an Lord Montgomery, die deutschen Waffen zu sammeln, um sie gegebenenfalls an die deutschen Soldaten wieder zu verteilen, falls die Sowjetunion ihren Vormarsch nach Westen fortsetzen sollte.

 

  1. Im Sommer 1945 wird das Potsdamer Abkommen geschlossen. Sicher gibt es auf westalliierter Seite auch politische und militärische Kräfte, die den deutschen Militarismus und Faschismus mit Stumpf und Stiel ausrotten wollen, die – entsprechend den Bestimmungen von Potsdam – alle Maßnahmen treffen wollen, damit von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen kann. Zu diesen Maßnahmen gehört die Ausschaltung aller Industriezweige, die für die Produktion von Waffen benötigt werden könnten, die völlige Abrüstung und Vernichtung der noch vorhandenen Waffen und die Bestrafung aller Personen, die  am faschistischen Mord- und Raubkrieg  verantwortlich waren. Dazu gehörten sicher alle führenden Militärs. Diese Linie wurde etwa von Finanzminister Morgenthau vertreten, der gleichzeitig auch die Lehren aus 1918 ff zog: Gerade weil der Versailler Vertrag relativ moderat mit Deutschland umging, gelang es Deutschland nur 20 Jahre nach dem Friedensvertrag von Versailles schon wieder einen Weltkrieg zu beginnen, besser gerüstet als jemals zuvor. Deshalb musste Deutschland diesmal nachhaltig bestraft werden, um in 20 Jahren nicht vielleicht schon wieder mit einem kriegsbereiten Deutschland verhandeln zu müssen. (vgl. zur bisherigen Darstellung U. Albrecht, Die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, Köln 1980)..

 

  1. Ekkehart Krippendorff meint am 30. Jahrestag der Gründung der Bundeswehr in der taz vom 14.11.85: Als 1955 die Bundeswehr endgültig geboren wurde, hatte sie 10 Jahre Schwangerschaft hinter sich. Einer der weitsichtigen faschistischen Generäle, Reinhard Gehlen, Chef der Geheimdienstabteilung „Fremde Heere Ost“, versteckte seine Einsichten über die sowjetische Militärmacht in den bayerischen Bergen, überzeugt, dass eine westliche Macht ihm nach dem Zerfall der Anti-Hitler-Koalition sehr dankbar sein werde. (Vgl. auch Gero Gemballa, Geheimgefährlich, , Dienste in Deutschland,  Köln 1990),

 

  1. Die Zeit kam bald: Im Juli 1946 schloss General Gehlen , inzwischen einer der Lieblingsgefangenen der USA, einen Vertrag über die Übernahme seines Ex-Geheimdienstes in US-Geheimdienste. Er und zahlreiche alte Kameraden machten da weiter, wo sie kurz vorher aufhören mussten. Zahlreiche seiner Offiziere gehörten zur  Bundeswehr-Planungs-Elite im späteren „Amt Blank“(seit Anfang 1950 „Zentrale für Heimatdienst“ unter dem Wehrmachts-Ex-General Graf von Schwerin,  offizielle Gründung im Okt. 1950 : dann Blank als „Beauftragter des Bundeskanzlers für alle mit der Verstärkung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“ ).  Andere der alten Kameraden arbeiteten in us-amerikanischen Uniformen im „Intelligence Center“ der US-Army und überlegten, mit welcher Luftunterstützung man einen Krieg gegen die Sowjetunion hätte gewinnen können.

 

  1. Die decartelizasation branche war von vornherein ein ungeliebtes Kind in US-Wirtschaftskreisen. Abgesehen davon, dass man vor und z.T. während des Krieges prima Geschäfte mit den deutschen Monopolen und Kartellen  gemacht hatte, abgesehen davon, dass manche US-Großkapitalisten wie Henry Ford, Prescott Bush (Großvater des jetzigen Präsidenten) u.a. dem Faschismus in Deutschland durchaus etwas abgewinnen konnten und ihn z.T. ökonomisch und politisch förderten und wie Ford sogar faschistische Orden bekamen, wusste man in us-amerikanischen Wirtschaftskreisen, dass 1. deutsche Konzerne in Europa wieder hervorragende Handelspartner würden (was sie z.T. während des Krieges sogar blieben – z.B.: us-amerikanisches Erdöl über Spanien nach Deutschland verkauft, Standard Oil Comp., deutsche U-Boot-Kapitäne sollten nicht auf Standard Oil-Tanker schießen) und 2. würde man die deutschen Rüstungskonzerne wegen ihres erstklassigen technologischen know-hows für Kriegsführungsmöglichkeiten gegen die SU brauchen ( Bernd Greiner, „A Partnership For All Time“, in: AchtungFertigLos,  Berlin 1989, S. 47ff  und verschiedene Beiträge in 1999, Jg. 1987-90). Der deutsche Militärisch-Industrielle Komplex (MIK) war keineswegs zerschlagen, auch wenn man für Jahre sich auf die Produktion ziviler Güter einstellen musste. Das dual use galt schon damals und als die Produktion von Waffen wieder möglich war, konnte man gleich wieder Spitzentechnologie bieten.

 

  1.  Es gab noch keinerlei Staat, aber seit 1946 schon einmal den zukünftigen Geheimdienst, noch „Organisation Gehlen“ genannt, die schon 1947 ein bis heute festes Quartier in Pullach bei München bezog. Ab 1949/50 übernahm der CIA auch ganz offiziell die Finanzierung derer, die die alte Spionagearbeit Richtung Osten mit neuen technischen Möglichkeiten forcierten. 1956 als BND der Bundesregierung unterstellt, war er immer ein  Staat im Staate, blieb es eigentlich auch immer und machte nur dann und wann durch intensive Skandale und Machenschaften deutlich, dass er praktisch nicht zu kontrollieren sei (vgl. auch  A. v. Bülow, Im Namen des Staates, CIA, BND und die kriminellen Machenschaften der Geheimdienste, München-Zürich 2. Aufl. 1998.  Ähnliches gilt für den Verfassungsschutz; es gab zwar keine Verfassung, sondern „nur“ das Grundgesetz, aber schon den Verfassungsschutz, wie der BND auch aus Männern gebildet, die sich schon einmal im Kampf gegen den Kommunismus bewährt hatten, und ein Bundesverfassungsgericht, an dem zahlreiche, auch schwer belastete, ehemalige NS-Richter ihre Karriere fortsetzten und so für die richtige Kontinuität sorgten. Man könnte zynisch sagen, dass die BRD für sich beanspruchte, der einzige deutsche rechtmäßige Nachfolgestaat des faschistischen Deutschland sein.

 

  1. Am 9.4.1947 wurde streng geheim in einem Dokument der Vereinigten US-Stabchefs Deutschland als „potentiell stärkste Militärmacht dieses Gebietes“ Westeuropa genannt (vgl. B. Greiner/K. Steinhaus, Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg?, Amerikanische Kriegspläne gegen die UdSSR, Eine Dokumentation, Köln 1980, S. 104). Wenn Deutschland erst einmal „wiedererstarkt“ ist,  könne man dem „ideologischen Gegner“ „widerstehen“ und ihm „eine Niederlage ... bereiten“.

 

  1.   Die ersten Kriegspläne der USA gegen die SU sind Ende 1947 entwickelt (vgl. die Dokumente bei Greiner). Rund um die SU  wird global ein Netz von Bündnissen und eigenen Stützpunkten mit zusammen 750 000 GI´s gelegt. Eine Remilitarisierung der Westzonen bzw. der späteren BRD ist zwingend notwendig. Die grundsätzliche Symbiose von free enterprise, open-door-policy, One world, The persuit of happiness (heute Quintessenz des Neoliberalismus), God`s own country, us-amerikanisches Jahrhundert, freedom and democracy, universaler Missionarismus, globale Verbreitung des us-amerikanischen way of life und Schutz durch den selbsternannten Weltsheriff war seit der Monroe-Doktrin oder spätestens seit dem “manifest destiny” von 1845 religiös-fundamentalistisches Glaubensbekenntnis. Hier der freie Westen und dort der totalitäre Kommunismus war seit 1917 jedem US-Politiker klar und sofort fielen 14 Staaten über die junge SU her, um das Baby in der Wiege zu ersticken (Churchill). Das gelang nicht, der Kampf ging weiter. Da das faschistische Deutschland in Koalition mit dem faschistischen Japan und Italien auch grundsätzliche us-amerikanische Interessen bedrohte, mussten die USA eine Anti-Hitler-Koalition mit der SU eingehen, die als Zweckbündnis nach Erledigung des Zwecks in die frühere Feindschaft umschlug. Mit einer Koexistenz-Politik haben sich die USA nie abgefunden, da das einmal theologisch definierte Böse, Reich des Bösen, unter keinen Umständen toleriert werden darf

 

  1. Es trifft sich gut, dass führende Politiker, alle wichtigen Privateigentümer an Produktionsmitteln und ihre Top-Manager, große Teile des Bildungsbürgertums  und Militärs in Westdeutschland, Juristen, Hochschullehrer, Lehrer und Medienmacher, z.T. führende Kirchenführer, ehemalige Polizei- und Geheimdienstmitarbeiter und viele ganz normale MitbürgerInnen das genau so sehen. Möglicherweise sind die deutschen Politiker in den Westzonen nur „Komparsen in einem Stück, das von Politikern und Generälen der Besatzungsmächte inszeniert wurde“ (meint z.B. H.P. Schwarz, Vom Reich zur Bundesrepublik, Neuwied 1966, S. XXXII). Jedenfalls betrieb der westdeutsche Bürgerblock unter Führung Adenauers massiv die Remilitarisierung und so war das Interview Adenauers am 3.12.1949 in einer US-Provinzzeitung , in der er einen deutschen militärischen Beitrag zu einer zukünftigen europäischen Armee anbot, nicht gerade überraschend. Ex-Generäle der faschistischen Wehrmacht lieferten verschiedene Gutachten, wie man die Remilitarisierung am geschicktesten angehen könne.

 

  1. Während die Aufrüstung hinter den Kulissen läuft, wird auf der Bühne immer noch die Abrüstung beschworen. „Wer wieder einmal ein Gewehr anfasst, dem soll die Hand abfallen.“, so 1949 der junge CSU-Politiker und bis vor kurzem noch Offizier für wehrgeistige Führung der faschistischen Armee   F.J. (eigentlich nur Franz)  Strauß im Bundestagswahlkampf. Es zeigt die Heuchelei gegenüber einer westdeutschen Bevölkerung, die bei Umfragen zu 75 % eine Remilitarisierung ablehnt, dass Adenauer im Kloster Himmerod  8 Generale der faschistischen Wehrmacht und 5 Stabsoffiziere der faschistischen Wehrmacht vom 5.-9. Okt. 1950 tagen lässt, die die Grundzüge der zukünftigen Bundeswehr entwerfen. Die Generale kamen natürlich in Zivil und waren als „Erbauungskreis“ bei den frommen Mönchen angemeldet. Der Kölner Kardinal Frings hatte schon am 23.6.1950 auf dem Katholischen Kirchentag in Bonn die Wiederaufrüstung gefordert (Beginn des Korea-Krieges offiziell 25 6.1950), gewundert hat sich in Himmerod wohl keiner der Frommen, wenn es um die Planung eines Kreuzzuges gegen den atheistischen gottlosen Bolschewismus ging.

 

  1. Mit dem Korea-Krieg fallen dann alle Hemmungen. Eine wahre Invasionsangst wird in der BRD produziert: Die expansionswütigen Russen wollen uns überfallen, man vgl. nur das geteilte Korea mit dem geteilten Deutschland. Die Russenfurcht, sowieso  tief in den Knochen, noch sind Zehntausende deutscher Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, 17 Millionen Brüder und Schwestern von den Russen versklavt, knüpft am faschistischen und lange vorher entwickelten Feindbild vom „Russen“ an. Dennoch stimmen, in verbotenen und  mit Strafe belegten Volksabstimmungen, noch 7 Millionen BRD-Bürger gegen die Remilitarisierung – noch sind auch SPD und DGB dagegen ---- Es ist schon erstaunlich, dass – während die Züge mit den letzten Kriegsgefangenen aus der SU nach Westdeutschland rollen – hier eine neue Armee für den Kampf gegen die SU aufgestellt wird. Noch sind die letzten Kriegsgefangenen nicht zuhause, als die neuen Bundeswehreinheiten unter Anleitung auch eher zurückgekehrter und altgedienter Wehrmachtsoffiziere und Generäle schon wieder Krieg nach Osten proben.

 

  1. Noch müssen alle faschistischen Kriegsverbrecher amnestiert werden, besonders die Soldaten der Wehrmacht müssen ihre Unschuld zurückerhalten. In einem langen und mühseligen Kampf, der bis heute nicht ganz  beendet ist, gelingt das in Bezug auf die die neue/alte Bundeswehr bald (vgl. N. Frei, Vergangenheitspolitik, 2. Aufl.1997; vgl. die verschiedenen Fassungen der „Wehrmachtsausstellung“ und die entsprechenden Proteste dagegen!).

 

  1. Diese Ausführlichkeit bisher soll klarmachen, dass kapitalistisch-imperialistische Kontinuität und Solidarität nicht immer ganz bruchlos vonstatten geht. Es gibt die einen oder anderen Widersprüche bei grundsätzlicher Einigkeit. Einigkeit herrschte in gemeinsamen ökonomischen, politischen, ideologischen und letztlich auch militärischen Überzeugungen. Gegensätze gibt es immer im Detail zwischen Falken und Tauben, zwischen Atlantikern und Europäern, zwischen Uni- und Multilateralen.

 

  1. Notwendiger Exkurs: Geschichtspolitik bedeutet selbstverständlich immer, welche Forschungsgegenstände für die geschichtliche Aufarbeitung eines wissenschaftlichen Fachs erforscht werden und welche nicht. Welche Dokumente man heranzieht und welche man lieber auslässt, welche Forschungen von staatlicher  oder universitärer Seite finanziert werden und welche nicht, welche Wissenschaftler auf staatliche Universitäten berufen werden und welche nicht. Sicher gab es keine universitäre Fakultät, die nicht auf die eine oder andere Weise materiell oder ideell den Faschismus gefördert hat, faschistische Ideologieelemente, die ja alle lange vor 1933 in bürgerlichen Kreisen weit verbreitet waren, weiterentwickelt hat . Da in den westdeutschen Universitäten auf viele Jahre die Lehrstühle nach 1945 mit den Wissenschaftlern besetzt waren, die auf die eine oder andere Weise im Faschismus mitgemacht haben, konnte niemand erwarten, dass die ihre eigene Rolle im Faschismus zur Diskussion stellen wollten. Erst die 68er Bewegung brachte einige wenige kritische WissenschaftlerInnen an die Universitäten und an die Schulen, die die Rolle der Väter und Mütter im Faschismus zum Forschungsobjekt machten. Dass es auch anders ging, zeigte auch die westdeutsche Wissenschaft, die wegen ihrer antikommunistischen Immunisierung (Morsey bei Norbert Frei, Vergangenheitspolitik, S.8, Anm. 7) und wegen der Dogmatisierung der sog. Freien Marktwirtschaft die ideologische Auseinandersetzung mit dem aus ihrem Verständnis totalitären sozialistischen Staaten jederzeit betrieb. Oder wie Ralph Giordano es nannte: Auf dem rechten Auge war man blind, dafür auf dem linken um so hellsichtiger. Dass gerade die BRD-Justiz sich durch skandalöse Urteile gegen Kriegsverbrecher bekannt machte, ist verständlich. Alle faschistischen Richter, auch die ca. 650 am Reichsgerichtshof im 9-Minuten-Takt im Faschismus Todesurteile fällenden „Blutrichter“ , hatten inzwischen Karriere gemacht und die alten bürgerlichen Seilschaften hielten durchaus aus wohlverstandenem beiderseitigem Interesse zusammen. Politisch entscheidend für eine Renazifizierung aller Bereiche der BRD war natürlich auch der später eingefügte Art. 131 des Grundgesetzes. Gerade die bürgerlichen Wissenschaften reagierten insgesamt bei der ab 1990 propagierten Delegitimierung der DDR auf allen Gebieten blitzschnell.

 

 

  1. Es geht dann mit einigem Hick-Hack zur EVG, Ziel Adenauers und der Generäle der Bundeswehr ist die NATO und damit die volle militärische Westintegration. Am 5.5.1955 saß die BRD endlich im stärksten antikommunistischen militärischen Bündnis der Geschichte. Die BRD war in die NATO aufgenommen worden.

 

  1.  Die BRD übernahm vor allem nach den Konflikten Frankreichs mit dem militärischen Bündnis praktisch ab 1965 die Stellvertretung der USA in Mitteleuropa und wurde immer wieder als partner in leadership geehrt.

 

  1. Die Bundeswehr entwickelte sich zur stärksten Militärmacht Westeuropas. 1979 machte sich  die BRD auch zur Abschussrampe neuartiger US-Atomraketen, Cruise Missiles und Pershing II (sog. Nachrüstung) .  Hunderttausende gehen zu Demonstrationen gegen die objektive Vorrüstung, nach herrschenden Sprachregelungen „Nachrüstung“, auf die Straße, obwohl Kanzler Schmidt und andere warnen, dass die Friedensbewegung nicht nur naiv, kommunistisch gelenkt, von der DDR oder SU verführt, sondern – so damals Geißler (CDU) – solche sind, die Hitler erst möglich machten, nämlich Pazifisten. Das war damals übrigens die Geburtsstunde der Grünen _ Pazifismus, Feminismus, Ökologie. Was ist geblieben?

 

  1. Seit 1990/91 (Ende der Sowjetunion, Anschluss der DDR an die BRD) versucht die Bundesregierung endlich auch global wieder mitzumischen. Es werden in der Bundeswehr Verteidigungspolitische Richtlinien entwickelt, die nie vom Parlament genehmigt werden, die aber die weltweiten neuen Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr charakterisieren. Step by Step soll die Bevölkerung daran gewöhnt werden, dass Deutschland souverän endgültig auch militärisch globale Präsenz zeigen muss. Das ius ad bellum (Recht auf Kriegführung) macht den souveränen Staat aus.

 

  1. Es hätte 1990/91 auch ganz anders kommen können: Endlich war der Feind nicht mehr da. Die SU gab es nicht mehr, plötzlich waren wir umgeben von Freunden. Jetzt hätte man eine riesige Friedensdividende ausschütten können. Der Warschauer Pakt hatte aufgehört zu existieren, die NATO hätte eigentlich folgen können. Tiefe Depressionen sollen sich unter den Militärs kurzfristig entwickelt haben. Die Grünen forderten „Raus aus der NATO“. Aber die Militärs, unter direkter Beteiligung der Arbeitgeberverbände, dachten schnell um (vgl. U. Sander, Die Macht im Hintergrund, Militär und Politik in Deutschland von Seeckt bis Struck, Köln 2004). Der Feind ist weg, jetzt richtet sich militärische Macht ein auf Vorbeugung, Eindämmung und Beendigung von Krisen und Konflikten, auf alle möglichen Risiken einschließlich des Drogenschmuggels, auf Prävention gegen alles, was die Neue Weltordnung des Kapitals stören könnte. Es geht in den Verteidigungspolitischen Richtlinien um: Aufrechterhaltung des freien Welthandels und ungehinderter Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt.

 

  1. Zunächst sind es die „Engel von Pnom Penh“, dann werden schon 1500 SoldatInnen nach Somalia geschickt (warum die indische Division, die es dort „mit Blauhelmen“ angeblich  friedlich zu unterstützen gilt, nicht kommt, nie kommen wollte, wird öffentlich schon gar nicht mehr nachgefragt) und viele Bilder von Brunnen grabenden Soldaten sind im Fernsehen zu sehen. Der deutsche Soldat wird als ein Kinder beschenkender Nikolaus und der deutsche Militärarzt als ein kranke Eingeborene versorgender Albert Schweitzer dargestellt. Die Massenakzeptanz scheint mir hergestellt zu sein. Gab es damals noch Mediendebatten und sogar Parlamentssitzungen zu Thema, ist es heute in Bezug auf die Bundeswehr sehr ruhig geworden.

 

  1. Auf den AWACS-Flugzeugen über Jugoslawien sitzen dann auch ganz friedliche deutsche Soldaten, bis  dann die Zerschlagung des Landes endgültig abgeschlossen werden soll und im März 1999 – so BILD – deutsche Bomber in der ersten Reihe wieder  Belgrad und andere Teile Jugoslawiens bombardieren.

 

  1.  Deutschland wird  heute nach Aussagen des sog. Verteidigungsministers, ehrlicherweise müsste es Kriegsminister heißen, am Hindukusch verteidigt. 10 000 SoldatInnen sind weltweit dauernd im Einsatz. Wie der ehemalige BP Herzog es ausgedrückt hat, würde uns niemand in der Welt altruistische Motive dafür glauben. Es geht, so Herzog, um unseren materiellen Wohlstand. Die BRD knüpft an der Symbiose der USA zumindest an: Free trade, free enterprise, one world, ein antiterroristischer Missionarismus, freedom and democracy, open-door-Politik.  2005 können sich deutsche Militärs rühmen, dass schon 100000 SoldatInnen Kriegserfahrungen irgendwo im Ausland, nach altem , längst obsoletem, Sprachgebrauch „out-of-area“ genannt, gesammelt haben.

 

  1. Auch Auschwitz, ein sehr schwerwiegendes Manko, das „demokratisch“ noch nicht eingeebnet worden ist, wurde nun militärisch funktionalisiert. Der  grüne Außenminister rechtfertigte den völker- und grundgesetzwidrigen Überfall auf die Volksrepublik Jugoslawien im März 1999 mit der prophylaktischen Verhinderung eines zukünftigen Auschwitz. Und  BILD konnte triumphieren. Josef Fischer hat aber lange vorher den „serbischen Faschismus“ erfunden und als die Regierung Kohl noch an der Maxime festhielt, dass deutsche Soldaten nie wieder in Jugoslawien Krieg führen dürften gerade angesichts der faschistischen Verbrechen in Jugoslawien (10% der Bevölkerung wurde von den Deutschen zwischen 1941 und 1945 umgebracht!), forderte Fischer Krieg als antifaschistische Maßnahme Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien – mindestens seit 1995 (vgl. Ossietzky, 6/2005, S. 201).

 

  1. Auch als sich die angeblichen Rechtfertigungen weitgehend als nicht einmal geschickt inszenierte Lügen vor allem des Kriegs- und Außenministers, aber natürlich auch der anderen Verantwortlichen, entpuppten, gab es außer in den Resten der ehemaligen Friedensbewegung keine merkliche Reaktion. Auch der dokumentarische filmische Beweis, ausgestrahlt von der ARD zur besten Sendezeit, brachte kaum merkliche Diskussionen. Eher wurde auf die Ankündigung von rechtlichen Schritten durch den damaligen Kriegsminister Scharping hingewiesen, die aber nie erfolgt sind – und das wurde wieder verschwiegen.

 

  1. Alles, worüber sich unsere PolitikerInnen, aber auch eine kritisch gebliebene veröffentlichte Meinung hinsichtlich der US-Lügen, der völkerrechtlichen Haltlosigkeit, Bruchs des Völkerrechts und der UNO-Satzung , der Selbstmandatur des US-Präsidenten für den 2. Überfall der USA im Jahre 2003 auf den Irak aufregten, blieb beim Krieg der eigenen Regierung gegen Jugoslawien (laut Bundeskanzler Schröder „kein Krieg“) außen vor.

 

  1. Humanitäre Operation, friedenschaffende Maßnahme, Luftschläge, Luftoperationen, Befreiungskampf, vor allem Kampf gegen den internationalen Terrorismus, Aktionen für die Demokratie, bewaffneter Pazifismus (L. Vollmer), Verhinderung von Auschwitz, Verteidigung der Menschenrechte, Befreiung von der Diktatur, vom Tyrannen, vom neuesten Hitler, von islamistischen Fundamentalisten, bewaffnete Nothilfe für Notleidende sind einige der neudeutschen Worte für Krieg. Krieg wird nicht geführt. Der deutsche Soldat wird dargestellt als eine Mischung von leicht bewaffnetem Rot-Kreuz-Angestellten und barmherzigen Samariter – kein Wunder, wenn diese Propaganda nach 15 Jahren Dauerinjektion wirklich wirkt. Für Intellektuelle betreibt die philosophische Autorität der BRD, Jürgen Habermas, das Geschäft mit der neuen Wortschöpfung: Militärischer Humanismus.

 

  1. Eigentlich müsste der sog. Verteidigungsminister nun endgültig Friedensminister oder Minister für humanitäre Angelegenheiten heißen.

 

 

 

  1. Galt bis vor wenigen Jahren noch „Nie mehr Krieg“ in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung, aber auch seiner Politiker, so heißt es heute: “Nie mehr Krieg ohne uns!“ Selbstverständlich ist keine Kriegsbegeisterung gemeint, aber doch eine Massenakzeptanz, die beim richtig aufgebauten Feind auch überzeugte Befürwortung beinhaltet.

 

  1. Militarisierung der Gesellschaft bedeutet, Krieg als Problemlösungsmittel zu akzeptieren, in Alternativen dazu nicht mehr denken zu können. Kriege werden „normalisiert“, es wird kaum noch drüber berichtet. Der Coltan – Krieg der Bundeswehr vom Sommer 2004 hat fast keinen Nachrichtenwert mehr gehabt, es wurde kaum thematisiert, außer dass eben mal 250 SoldatInnen in die rohstoffreichste Gegend des Kongos müssen – natürlich nur, weil die Eingeborenen sich sonst noch mehr gegenseitig massakrieren. Und nicht abends um 20.15 Uhr, sondern nachts um 0.15 Uhr lief eine Sendung „Krieg um Coltan“, ohne dabei Bayer Leverkusen und ihre am Coltan-Geschäft beteiligten Tochterfirmen zu erwähnen. Riesige Kapitalinvestitionen müssen, das ist ein uraltes imperialistisches Prinzip, auch militärisch abgesichert werden. Oder aber, wie wir es gerade erleben, deutsche rüstungsindustrielle Interessen müssen von der Regierung durchgesetzt werden, auch wenn China diese Waffen demnächst vielleicht gegen Taiwan oder zur „Befriedung“ vielleicht einmal selbstständig machenden Westprovinzen einsetzen werden. Alles, was man durchsetzen will, kann auch als eine Form ethischer Imperialismus vermittelt werden, auch das übrigens eine alte (auch) deutsche Spezialität.

 

  1. Militarisierung der Gesellschaft bedeutet auch, dass zu besten Sendezeiten positive Selbstdarstellungen der Bundeswehr laufen und dass z.B. Kriegsfilme mit Hilfe der Bundeswehr gedreht werden („At limit“ auf RTL vor 2 Jahren – mehrere Folgen. Bei US-Kriegsfilmen spielt das Pentagon schon immer großzügig mit, wenn die Filme der political correctness entsprechen.) Im ehemaligen Rotfunk des WDR-Fernsehens läuft ca. halbjährlich  samstags um 20.15 Uhr „Das große Militärmusik-Fest“.   Man kann Menschen auf vielerlei Art und Weise ans Militärische gewöhnen. Krieg verherrlichende Filme laufen immer häufiger aus allen Sendern. Ende März 2005 erscheint „Der Landser“ mit dem Band 2453 (für inzwischen 1,7O Euro), voll mit den Heldentaten deutscher Soldaten im 2. Weltkrieg gegen gar grausame, rassisch minderwertige und unmenschliche Feinde. Die Aufzählung lässt sich leider beliebig lang fortführen.

 

 

  1. Wir sollten uns auch nicht täuschen lassen, wenn die Bundesregierung beim Krieg gegen den Irak nicht mitgemacht hat. Sie hatte wie Frankreich und Russland andere Erdöl-Verträge mit der Regierung Saddams Hussein. Außerdem wurde das Erdöl in Euros abgerechnet. Auch Saudi-Arabien tendierte zur Euro-Abrechnung. Das konnten die USA sich selbstverständlich nicht bieten lassen. Der Krieg war auch schon ein halbes Jahr vorher im Gange (Dokumentation ZDF, 2004: Der perfekte Krieg; gezeigt wird, dass 1/3 des Irak bei Kriegsbeginn schon unter US-Kontrolle war, leider den potenziellen „Willigen“ nichts mitgeteilt wurde.  Auch waren die Nachkriegsaufträge an Halliburton, Carlyle und Bechtel, Firmen zu denen US-Regierungsmitglieder ganz besondere Beziehungen seit Jahrzehnten pflegen, schon lange vor Kriegsbeginn erteilt. Chevron wollte einen seiner Supertanker „Condoleeza Rice“ nennen, weil diese sich für Chevron als Top-Managerin in Kasachstan um das dort lagernde US-Öl sehr verdient gemacht hat. Erst als sie von Chevron in den NSC berufen wurde, sah man von dem allzu deutlichen Hinweis von Geschäft und Mandat ab.

 

  1. 1990/91 wurde China, Kolumbien und Äthiopien als damalige UNO-Sicherheitsratsmitglieder gekauft (andere Sicherheitsratmitglieder damals: Ständig neben China USA, GB, F, Russland, nichtständig: Finnland, Kanada, Malaysia, Kuba, Elfenbeinküste, Jemen, Rumänien, Zaire. Nur Jemen und Kuba stimmten mit „Nein“, der US-Botschafter in der UNO damals zum Vertreter Jemens: „Das war das teuerste Nein Ihres Lebens“.) Was - so müssen wir uns fragen -   wäre eigentlich mit der Friedensbewegung passiert, wenn der UNO-Sicherheitsrat 2002 den USA wieder grünes Licht gegeben hätte? Oder wenn man wirklich sog. Massenvernichtungsmittel oder sonst etwas wirklich für den Versuch einer massenhaften Konsensbildung Brauchbares gefunden hätte? Schon der Weltkirchenrat stellte 1991 im Zusammenhang mit dem UNO-Mandat für Bush sen. fest, dass die UNO fest im Würgegriff der US-Ökonomie ist. Im „Spiegel“ 13/2005 (26.3.2005) wird von „Economic Hit Men“, Wirtschaftskillern, berichtet, die u.a. ganze Volkswirtschaften kleiner oder mittlerer Länder unter us-ökonomische Kontrolle bringen, auch um UNO-Voten zu kontrollieren oder zu erpressen. Ich war davon überzeugt, dass sich die USA im UNO-Sicherheitsrat durchsetzen würden, aber da sicher Deutschland, Frankreich und Russland beim Stimmenkauf auch aktiv waren, passierte das nicht. Im UNO-Sicherheitsrat waren als nichtständige Mitglieder 2002 Bangladesch, Jamaika, Tunesien, die Ukraine, Mali, Irland, Norwegen, Mauritius, Singapur und Kolumbien. Aber auch ohne UNO-Zustimmung begannen die USA den Krieg und machten der Welt klar, dass ein 500-kg-Gorilla nicht mit ein paar kleinen Äffchen diskutiert oder gar abstimmt, wenn er die Banane haben will (so der US-Historiker Paul Kennedy). With the UNO (or NATO) if it is possible, without, if it is necessary!

 

  1. Völlig falsch ist es, mit der neuen EU-Verfassung eine ständige Aufrüstung zu fordern, um vielleicht Europa irgendwann auch zum 500-kg-Gorilla zu machen. Sozialabbau und Aufrüstung gehen Hand in Hand, gerade die USA sind das beste Beispiel dafür. Wie die Friedensbewegung allerdings massenhaft Bewusstsein verändern soll, um zu anderen Politikpraxen, die ja auch andere Wirtschaftspraxen bedeuten, zu gelangen, ist ein Problem, das nicht neu ist. Solange wie die Politik die Fortsetzung der Ökonomie mit anderen Mitteln und der Krieg die Fortsetzung der aus einer kapitalistisch-imperialistischen Ökonomie herrührenden Politik ist, werden wir immer mit dem Rücken zur Wand stehen und versuchen, für die Zukunft auf die uneingelösten Versprechen des Grundgesetzes zu verweisen. Aber: Die herrschenden Gedanken sind (fast immer) die Gedanken der Herrschenden, die (fast) alle Instrumente zur Verbreitung ihrer Interpretation der Geschichte, der Gegenwart und der Zukunft haben und ihre Deutungshoheit immer brutaler einsetzen, je mehr Legitimationsprobleme des neoliberalen Kapitalismus auftauchen. Man weiß natürlich nicht, ob neue Versuche in Ländern des Trikont, des peripheren Kapitalismus, wie in Venezuela, Brasilien, immer noch Kuba sich vielleicht irgendwann auswirken können. Auch dass es eine Achse Moskau-Delhi-Peking inzwischen gibt, beruhigt nicht, weil auch diese Achse im wesentlichen auf militärische Aufrüstung gegen die USA, vielleicht gegen die NATO, setzt.

 

  1. Eric Hobsbawm beendet sein Buch „Das Zeitalter der Extreme“ mit folgenden Sätzen: „Wir wissen nicht, wohin wir gehen. .....Doch eines steht völlig außer Frage. Wenn die Menschheit eine erkennbare Zukunft haben soll, dann kann sie nicht darin bestehen, dass wir die Vergangenheit oder Gegenwart einfach fortschreiben. Wenn wir versuchen, das dritte Jahrtausend auf dieser Grundlage aufzubauen, werden wir scheitern. Und der Preis für dieses Scheitern, die Alternative zu einer umgewandelten Gesellschaft, ist Finsternis.“