| Waz Bochum und Wattenscheid vom 20.04.2004
Polizeipräsident: Nicht warten, bis es knallt Der Großeinsatz der Polizei am letzten Freitag, bei der sich 476 Gottesdienstbesucher von zwei Bochumer Moscheen einer mehrstündigen Identitätskontrolle unterziehen mussten, hat Kritik ausgelöst. Drei Tage nach der Razzia bleibt Polizeipräsident Thomas Wenner der WAZ gegenüber bei seiner Einschätzung: Der Einsatz sei nötig gewesen.Heftige Vorwürfe waren nach der Aktion laut geworden. Vom "Polizeikessel", der unverhältnismäßig gewesen sei, war die Rede. Durchsuchungen solcher Art, fürchtet etwa die Medizinische Flüchtlingshilfe, die sich seit längerem um Asylbewerber kümmert, "schaffen ein öffentliches Klima der Kriminalisierung, das eine ganze Religionsgemeinschaft unter Generalverdacht stellt."Wenner widerspricht da vehement: "Genau das Gegenteil ist der Fall. 27 der 29 Moscheen blieben unbehelligt." Dass der Großeinsatz ohne nennenswerten Fahndungserfolg verlief, sei für ihn kein Grund, den Einsatz rückblickend in Frage zu stellen. "Man kann auch warten, bis es geknallt hat."Im übrigen sei der Einsatz durchaus ein Erfolg gewesen, beharrt er. Von vornherein habe er dabei nicht mit der Festnahme eines extremistischen Täters gerechnet, "den man vor Gericht zerren kann". Aber: "Viele Schritte können Taten verhindern." Zu diesen Schritten zählt er die Tatsache, dass die Polizei nun die Identität aller 476 Moscheebesucher kenne, inklusive Staatsangehörigkeit und Wohnsitz. Auf die Melderegister sei leider kein Verlass: Für manche Hausbesitzer sei nur wichtig, dass Miete gezahlt werde. Wer da wohne, sei für sie zweitrangig. Die Daten aller überprüften Gottesdienstbesucher seien nun bei der Polizei aktenkundig, bestätigt Wenner.Nein, von der Politik habe es ihm gegenüber keinerlei Reaktion gegeben. Schließlich habe er die rechtlichen Grundlagen gewahrt: "Das war keine polizeiliche Willkür." Er gehe sogar davon aus, dass solche Großeinsätze gegen muslimische Gottesdienstbesucher jetzt in Deutschland Schule machen werden. Er teilt die Einschätzung anderer, dass islamistische Netzwerke Deutschland und vor allem den Ballungsraum Ruhrgebiet im Visier haben.Kritik an seinem Vorgehen nimmt er gelassen auf und spottet: Das seien doch die 68-er, "die immer noch in der Gartenlaube sitzen und nicht merken, dass die Girlanden verbrannt sind." Und sarkastisch: "Ich kann nicht immer nichts tun." Auf die Frage, wie ernst er die Kritik an seinem Vorgehen überhaupt nehme, entgegnet er heiter: "Politisch korrekt gesagt: Wir nehmen uns das natürlich zu Herzen." Was allerdings so klingt, als läge nichts ihm ferner."Wir tun das, was getan werden muss," so versteht er seine Rolle in der vorbeugenden Bekämpfung gegen islamistische Terroristen. Und erinnert an die islamistischen Bombenattentäter, an terroristische Strukturen, die bis ins Ruhrgebiet reichen würden.Dass Bedrohungssituationen wie Polizeirazzien bei den Flüchtlingen leicht zur Retraumatisierung führen könnten, wie es die Medizinische Flüchtlingshilfe befürchtet, ficht ihn nicht an. Da solle man lieber mal an die Opfer der Bombenatttentäter denken. Von Rolf Hartmann |