Anton Pam - Die deutsche Sozialdemokratie auf dem Weg in den 1. Weltkrieg
Vortrag am
28.06.04, 19.30h, KulturCafé

Der Mord an dem österreichischen Thronfolger in Sarajevo am 28. Juni 1914 war für die deutsche Armee ein willkommener Anlass, den 1. Weltkrieg auszulösen. Doch das damals scheinbar Unglaubliche geschah im August: Die deutsche Sozialdemokratie, angeblich die marxistische Avantgarde der internationalen Arbeiterbewegung, unterstützte das große Gemetzel, in dem sich die Proletarier aller Länder gegenseitig abschlachteten.
Doch von „Verrat“ am Marxismus durch die SPD konnte keine Rede sein, weil sie sich vom preußischen Staatssozialismus Lassalles nie richtig gelöst hatte. Der Vortrag zum 90. Jahrestag des 1. Weltkrieges soll die Verratslegende auf dem Gebiet der Militärtheorie widerlegen. Lange vor 1914 näherte sich die SPD an den preußischen Militärstaat an: August Bebel und Wilhelm Liebknecht träumten von der Ersetzung des stehenden Heeres durch eine Volksmiliz, weil nur diese das „Vaterland“ in der Stunde der Gefahr verteidigen könne. Engels, der viele Briefe mit „General“ unterschrieb, glaubte an eine „Dialektik des Militarismus“: Das Heer der Fürsten würde in ein Heer des Volkes umschlagen, wenn nur immer breitere Teile der Bevölkerung in die Wehrpflicht einbezogen würden. Bei der Ausdehnung der Wehrpflicht würde die deutsche Armee 1900 mehrheitlich sozialistisch sein, schrieb Engels 1891. Auch die Linke Rosa Luxemburg hatte zur Armeefrage nicht viel zu sagen. Durch einen Massenstreik der Arbeiter würde der Militarismus schon gebrochen werden. Die Rechten in der Partei, wie Gustav Noske, griffen Engels‘ Kritik an der „Milizschwärmerei“ auf und behaupteten, die SPD müsse für die Stärkung des stehenden Heeres eintreten, weil die Arbeiterklasse ohne die Nation nicht existieren könne. Bis 1913 stellte sich die junkerliche Armeeführung allerdings gegen eine entscheidende Vergrößerung der Armee. Nicht, weil sie zur Führung eines Krieges nicht bereit gewesen wäre, sondern weil sie eine „demokratische Zersetzung“ fürchtete. Als Erich Ludendorf, der Architekt des „totalen Krieges“, sich nach 1914 an die Aufstellung des „Volkes in Waffen“ machte und auch noch die Gewerkschaften in die Wirtschaftsführung einbezog, verflog jede Illusion von einer „Dialektik des Militarismus“.
Der Vortrag von Anton Pam soll an die Mitschuld der deutschen Sozialdemokratie für die Millionen Toten des 1. Weltkriegs erinnern.