Rede der Bochumer Bürgermeisterin, Gabriele Riedl, auf der Kundgebung des Friedensplenums am 15.2.

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

jede Woche, die ohne den Kriegsbeginn vergangen ist, ist ein Gewinn.
Und es macht Mut, morgens in den Nachrichten zu hören, daß in Neuseeland, in Japan und in Südostasien, wo ja jetzt der Tag fast vorbei ist, viele Menschen schon für den Frieden demonstrieren.
Hier aus Bochum sind viele Menschen heute nach Berlin gefahren, und ich freue mich, daß die die hiergeblieben sind, jetzt dennoch auch hier am - schon fast traditionellen Samstagsdemoplatz von Bochum - sind.
Krieg ist kein Mittel der Politik. Davon bin ich überzeugt. Denn Krieg bedeutet Leid und Elend für Millionen von Menschen, die mit den Ursachen einer gewaltsamen Auseinandersetzung nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Sie möchten möglichst glücklich leben, sie brauchen Nahrung, Kleidung und Obdach - und alles dies wird durch einen Krieg - egal, wo er stattfindet, gefährdet - letztlich zerstört.
Besonders perfide ist es, wenn behauptet wird, der Krieg werde im Interesse der Menschen geführt. Wessen Interesse könnte es sein, seine elementaren Lebensgrundlagen zu gefährden?

Ich glaube, daß Krieg im wesentlichen zwei Ursachen hat:
Machtstreben und wirtschaftliche Vorteile.
Wo beides nicht durch Verhandlungen oder Geschäfte erreichbar scheint, werden Gründe gefunden, sich kriegerisch zu betätigen.
Letztlich müssen ja auch die ganzen Waffensysteme, die für Millionen von Dollar, Euro oder welcher Währung auch immer angeschafft wurden, irgendwann einmal eingesetzt werden - schon um Platz für die neue Generation von Waffen zu machen ... Das für Waffen verschleuderte Geld fehlt übrigens den Menschen dann, um Wohlfahrtseinrichtungen, Sozialleistungen und Infrastrukturmaßnahmen zu bezahlen.
Jetzt kann eingewendet werden, auch von der Waffenproduktion leben Menschen - wir haben uns - der oder die eine oder andere wird sich erinnern - schon in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Frage auseinandergesetzt und wir haben eine Menge nützlicher Dinge gefunden, die man stattdessen produzieren kann.
Das "Alte Europa" weiß, was Krieg bedeutet. Für die meisten ganz hautnah und handfest in der Familie: Meine Großmutter war 14 Jahre alt, als der Erste Weltkrieg begann, mein Vater war 7, als Nazi-Deutschland Polen überfiel. Letztes Jahr war ich mit meinem Vater in seiner alten Heimat - im Sudetenland - heute Tschechien. Und obwohl er ja inzwischen fast 70 Jahre alt ist, konnte ich in seinem Gesicht noch heute den Schmerz des 12jährigen sehen, der nicht versteht, warum er mit seiner Mutter und seinem Bruder das Zuhause verlassen muß ... Die meisten von uns, wenn wir genau nachdenken, haben eine oder mehrere Personen in unseren Familien, die durch Krieg traumatisiert wurde/n.
Es war selten Thema, in Deutschland nicht und anderswo auch nicht, aber wir wissen heute, welche Langzeitfolgen der Verzweiflung die Kriegsopfer überall auf der Welt zu ertragen haben. Ob es Hiroshima, Vietnam, Bosnien, das Kosovo, Argentinien, Kashmir, Tschad oder wo auch immer eine der zahllosen gewaltsamen Auseinandersetzungen ist - überall leben letztlich Menschen, deren einziges Bestreben eigentlich ist, gut leben zu können.
Die Globalisierung fordert ihren Preis - nicht nur im Ölpreis, sondern auch im Zugriff auf lebenswichtige Ressourcen. Ich glaube, die Ölfrage ist hier in Wirklichkeit nur eine "Randerscheinung" tatsächlich werden über kurz oder lang künftige Auseinandersetzungen um wirklich lebensnotwendige Ressourcen gehen: Wasser, Boden und Luft. Es wird dann entscheidend sein, wer Zugriff auf diese Ressourcen und die dafür erforderliche Infrastruktur hat. Übrigens auch einer der Gründe, warum ich das Cross-Border-Leasing-Geschäft ablehne. Wer das heute noch tun möchte, kann da drüben das Bürgerbegehren unterschreiben - das aber nur am Rande.
Die Kehrseite der Globalisierung möchte ich aber auch erwähnen:
Wir wissen heute in Sekundenschnelle, daß heute weltweit für den Frieden demonstriert wird, wir wissen, daß wir nicht allein hier in Bochum herumstehen, sondern daß auch anderswo Menschen sich sorgen und ihre Meinung sagen. Das gibt Mut und Kraft "Nein zum Krieg" zu sagen. Das soll auch die Bundesregierung ermutigen, standhaft zu bleiben!
Zur aktuellen Kriegsgefahr: Es scheint so zu sein, daß der gestrige Blix-Bericht eine Art Moratorium bewirkt hat. Aber ich fürchte, die USA sind so auf den Krieg fixiert, daß er nicht mehr zu vermeiden zu sein scheint. Die Ideen und Pläne, die von Frankreich und Deutschland aufgebracht wurden, sollten eigentlich diskutiert werden, stattdessen wird ein Video von Bin Laden vorgespielt, das sich aber offenbar auch als unbrauchbar erwiesen hat - so schnell, wie es wieder von der Bildfläche verschwunden ist.
Ich bin froh, daß die Bundesregierung - so gerne ich mich auch kritisch mit ihr auseinandersetze, zur Achse Paris - Berlin - Moskau - Peking gehört und dazu beiträgt, nach friedlichen Lösungen zu suchen.
Ich hoffe, daß nicht im Hintergrund doch eine Beteiligung in irgendeiner Form vorbereitet wird - ich würde mich dann sehr betrogen fühlen - und Sie sich sicherlich auch!
Wir hatten im Zusammenhang mit dem 11. September eine Diskussion über die "zivilisierte Welt". Ich halte es für einen Fortschritt dieser Welt insgesamt, in der internationalen Staatengemeinschaft über die Frage von Krieg und Frieden zu beraten - noch besser fände ich es natürlich, wenn man sich ganz auf friedliche Wege konzentrieren könnte, dann ginge es nicht nur um Abwehr, sondern auch um Gestaltung - aber so weit ist diese "zivilisierte Welt" wohl noch nicht.
Ich mag angesichts der heutigen zahllosen Friedensdemonstrationen die Hoffnung trotzdem nicht aufgeben:
Die Hoffnung, daß die Vernunft sich durchsetzt, daß ein Krieg verhindert werden kann!
Die Hoffnung, daß andere Wege gefunden werden, dem geschundenen Land Irak und vor allem seinen Menschen wirklich zu helfen.
Die Hoffnung, daß grundsätzlich die Erfahrung der Völkergemeinschaft, einem Krieg zu entkommen, positiv für Konflikte in der Zukunft wirkt.

In diesem Sinne möchte ich meine Rede mit einem Appell beenden:
Mischen Sie sich ein!
Machen Sie mit beim Bochumer Friedensplenum!
Kommen Sie am Tag des Kriegsbeginns um 18.00 Uhr zum Bochumer Hauptbahnhof und
Sagen Sie mit uns
"NEIN ZUM KRIEG"!