Plettenberg revisited
"Diese Schande dauert jetzt schon 52 Jahre", lautete nur einer jener zahlreichen
Kommentare, mit denen Passanten auf die Demonstration zur Unterstützung von
Flüchtlingen am vergangenen Samstag in Plettenberg reagierten. In ihrer Haltung
bekräftigt durften sich die Schaulustigen durch ein Großaufgebot der Polizei
fühlen, das jeden Schritt der rund 100 Menschen überwachte, die sich zum
Protestzug in der sauerländischen Gemeinde zusammengefunden hatten. Die
Beamten drängten Demonstrierende in unbelebte Seitenstraßen und hinderten sie
daran, auch nur Flugblätter zu verteilen. Schließlich brachen die AntirassistInnen
ihre Aktion ab, weil sie sie damit als faktisch verboten ansahen.
Im SPD-regierten Plettenberg müssen 400 Flüchtlinge in zwei Unterkünften unter
hygienisch miserablen Bedingungen leben. Sechs der Asylbewerber waren
deshalb im August in den Hungerstreik getreten: Für eine menschenwürdige
Unterbringung und gegen den Zwang zur "gemeinnützigen Arbeit". Zwei Mark pro
Stunde erhalten sie für diese moderne Form der Sklavenarbeit, ohnehin wird
ihnen die Sozialhilfe nur in Gutscheinen ausgezahlt. Doch auch nach dreiwöchigem
Hungern weigerten sich die Vertreter der Stadt, mit den Flüchtlingen zu reden.
"Mißstände" gäbe es nicht, so die örtliche Presse, die Forderung der "Herren
Hungerkünstler" seien eine Unverschämtheit. Ständig anhaltende Drohungen taten
ihr übriges: Rund die Hälfte der in Plettenberg untergebrachten Flüchtlinge verließ
die Stadt.
Auszug aus http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/37/09b.htm