Rede von attac am 16.08.04

Liebe FreundeInnen,
Hartz IV ist der Weg in die lebenslängliche Armut.
Wir stehen hier, um das zu verhindern.

Immer deutlicher werden die eigentlichen Ziele von Hartz IV öffentlich benannt:
So sagt der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann in einem Interview:
Zitat:
…in der Phase, in der wir uns zur Zeit befinden, fordert die Globalisierung ein größeres Gefälle zwischen Arm und Reich in Deutschland.

Schön gesagt Herr Zimmermann. Wir wissen: Hartz IV macht die Reichen reicher.

Und weiter sagt er zur Politik der Agenda 2010:
Zitat:
Sie muss auch gegen die Demonstrationen durchgesetzt werden, weil es keine Alternativen gibt.

Diesem nicht endenden Geschwätz von der Alternativlosigkeit des Sozialkahlschlags halten wir entgegen:
Wir stehen hier - für soziale Gerechtigkeit - weltweit
mit dem Motto des Weltsozialforums: "Eine andere Welt ist möglich."

Ein wichtiger Kritikpunkt bei der Umsetzung des "Hartz IV-Gesetzes" ist die bewußte Verletzung des Datenschutzes.
In einem monströsen 20-seitigen Erfassungsbogen wird der Antragsteller gezwungen, alles erdenkliche aus seinem Privatleben preis zu geben.
Fragen, die zum Teil schwerwiegend gegen den Datenschutz verstoßen.
Ein Formular muß dem Arbeitgeber eines Antragstellers vorgelegt werden. Diese Bescheinigung fragt nach den Einkommensverhältnissen der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, das heißt, der Arbeitgeber bekommt unmittelbar mit, wie die Einkommensverhältnisse des Partners oder eheähnliche Partner sind. Damit werden dem Chef die sozialen Schwierigkeiten von Verwandten und Partnern des Arbeiters bekannt. Die Betroffenen stehen dann natürlich unter doppeltem Druck, weil der Arbeitgeber Informationen erlangt, mit denen er seinen Arbeitnehmer unter Druck setzen kann und die ihn einfach nichts angehen.
Auch werden die Adressen und Bankverbindungen der Vermieter abgefragt. Somit würde die bundesweit größte Datenbank über Vermieterangaben entstehen. Dabei ist völlig unklar, wozu eine solche Vermieterdatenbank gebraucht wird.
Diese Reihe setzt sich mit weiteren Fragen fort. Es werden Daten über Angehörige abgefragt, obwohl es dafür keinen Rechtsgrund gibt.
Harald Thome, geschäftsführender Vorstand von Tacheles e.V. Wuppertal hat insgesamt elf datenschutzrechtliche Verstöße entdeckt.
Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, kritisiert die großspurig angekündigten Hausbesuche, die BA-Mitarbeiter machen sollen. Schaar wendet sich gegen eine "Arbeitslosenpolizei", da private Wohnungen grundgesetzlich geschützt sind.
20 Seiten für armselige Leistungen. Die Grenzen des Datenschutzes werden mit Absicht und reihenweise übertreten.
Dieses 20-seitige Antragsformular macht überdeutlich, wohin der "Reformzug" gehen soll: Enteignung und Sippenhaft! Verwandte und Freunde sollen für Erwerbslose aufkommen; die 20-seitigen Antragsunterlagen sind die Grundlage, um möglichst oft die Leistung verweigern zu können!
Das kommt einem Offenbarungseid gleich.
Da können wir die nächste Demonstration gleich nackt machen.

Die auf den Fragebögen und Formularen zum ALG II vorliegenden Verstöße gegen den Datenschutz sind noch nicht einmal die Spitze des Eisbergs. Die Auswirkungen von Hartz IV gehen viel weiter.
Hartz IV bedeutet die strukturelle, systematische und institutionalisierte Aufhebung des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung bei vielen Millionen von Menschen.

In unserer Gesellschaft haben wir eine weitgehende Trennung der Lebensbereiche "Arbeiten" und "Wohnen", bzw. "Arbeiten" und "Privatleben".
Diese Trennung ist ein wesentliches Grundmerkmal unserer Gesellschaft und zugleich eine wichtige demokratische Errungenschaft gegenüber den Strukturen der Feudalgesellschaft!
Mit Hartz IV aber wird das vollständig anders! Denn alle Daten einer Person, aus dem beruflichen Bereich genauso wie auch aus dem Privatbereich, laufen in Zukunft bei einer Stelle zusammen und werden auf Dauer gespeichert.
Die zukünftigen Arbeitsvermittlungen, egal von wem sie betrieben werden, haben Informationen aus allen Lebensbereichen über die Arbeitssuchenden.
Gerade die Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichen Bereichen stellt stets eine besondere Bedrohung für den Datenschutz und für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
Die sogenannten Fallmanager haben alle, aber auch alle Informationen über einen Menschen. Sei es über Erkrankungen, sei es über Partnerschaften oder sexuelle Vorlieben, sei es über berufliche Qualifizierung oder berufliche Probleme - der "Big Brother" Fallmanager weiß alles, beobachtet alles, wertet alles aus, und zwar unter dem Gesichtspunkt möglicher Kosteneinsparungen und möglichst des Hinauswurfs aus dem Leistungsbezug!
Die zukünftigen Datenbanken bei den Agenturen für Arbeit, bei den Kommunalen Arbeitsvermittlungen oder den Arbeitsgemeinschaften enthalten Daten sensibelster Art aus allen Lebensbereichen in einem Datensatz!
Damit wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das bisher durch die Trennung der Daten aus unterschiedlichen Lebensbereichen gewährleistet war, für eine großen Teil der Bevölkerung faktisch liquidiert.
In wenigen Jahren werden mindestens zehn Millionen Datenbestände angesammelt sein. Dies hat eine ganz andere Dimension als die für 1987 geplante Volkszählung. Diese ist am Widerstand der Bevölkerung und am Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur informationellen Selbstbestimmung gescheitert. Eine breite Widerstandsbewegung, ähnlich wie bei der Volkszählung, hat gute Argumente und gute Aussichten, Hartz IV zu kippen.

Doch ein bloßes zurück ignoriert: Daß knapp 3 Millionen Sozialhilfeempfänger schon immer dieser menschenunwürdigen Aushorchung ausgesetzt waren und sind.
Deshalb fordern wir:
Die ganze Agenda 2010 - Politik muss fallen.
einen gesetzlichen Mindestlohn, der zum Leben reicht,
ein ausreichendes garantiertes Mindesteinkommen für alle Erwerbslosen, ohne Bedürftigkeitsprüfung

Danke