Bochum, 26. September 2003


Offener Brief an
Herrn Oberbürgermeister
Ernst-Otto Stüber



Sehr geehrter Herr Stüber,

in der Sitzung des Ausschusses für Kultur und Wissenschaft vom 11.September 2003 ist eine Vorentscheidung hinsichtlich der Rechtsformänderung des Bochumer Schauspielhauses in eine Anstalt des öffentlichen Rechts gefallen.

Beschäftigte und der Personalrat haben diese Entscheidung mit großer Enttäuschung und Sorge zur Kenntnis genommen und gleichzeitig deutlich gemacht, dass sie diese Entscheidung nicht hinnehmen werden.

Der Personalrat hat insbesondere Sorge, da die Entscheidungsgründe für die Rechtsformänderung von der Verwaltung geliefert wurden. Neben der Sorge um den Verlust von Ausbildung und Arbeitsplätzen innerhalb des Schauspielhauses und in anderen Verwaltungsbereichen, stellt sich für uns die Frage, inwieweit die Verwaltung den mit dem Personalrat in der Dienstvereinbarung zur Fortsetzung des Veränderungs- und Optimierungsprozesses eingeschlagenen Weg glaubhaft weiterführen will. Dieser gemeinsame Weg ist in Gefahr, wenn ein Mitglied des Verwaltungsvorstandes in Person von Herrn Dr. Küppers, im ureigensten Interesse gegen die vereinbarten Grundsätze verstößt und dabei die Mitarbeiter der Gesamtverwaltung ebenso in einer nicht hinnehmbaren Art und Weise unterstellt, dass Sie ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß und pflichtbewusst erledigen.

Dies ist insbesondere nicht mit der Pflicht eines Verwaltungsvorstandsmitgliedes zur Wahrung der gesamtstädtischen Interessen zu vereinbaren.

In seinem bedingungslosen Einsatz für eine Rechtsformänderung nimmt Herr Dr. Küppers billigend in Kauf, dass die Arbeitnehmer im Schauspielhaus letztendlich auf Dauer keine sicheren Arbeitsplätze, keine Bezahlung nach den Tarifen des öffentlichen Dienstes und eine sehr deutlich reduzierte Alterssicherung haben. Selbst die in anderen Verwaltungsbereichen, besonders bei den Zentralen Diensten drohenden betriebsbedingten Kündigungen wegen der Änderungen im Schauspielhaus scheinen Herrn Dr. Küppers nicht zu interessieren.

Bisher sind dies nur Sorgen und Erwartungen. Eine konkrete Auswirkung der Rechtsformänderung ist aber bereits beschlossen: für das Jahr 2004 wird nicht mehr im Schauspielhaus ausgebildet!

Es reicht nicht, wenn Sie als Oberbürgermeister bei der Begrüßung der neuen Auszubildenden am 01.09.2003 den jungen Menschen Zukunftsperspektiven bei der Stadt Bochum aufzeigen und stolz über die besondere Verpflichtung der Stadt für Ausbildung reden, wenn schon solche einschneidenden, negativen Auswirkungen bekannt sind.

Weiter hat Herr Dr. Küppers in allen Sitzungen des Ausschusses für Kultur und Wissenschaft immer wieder besseren Wissens behauptet, dass die Teile der Verwaltung, die Serviceleistungen für den Kulturbereich erbringen, unflexibel und schwerfällig arbeiten und dadurch die Zukunft des Schauspielhauses gefährdet würde. Gerade Herr Dr. Küppers weiß, dass es keinen Bereich in dieser Verwaltung gibt, der so bevorzugt behandelt wird wie das Schauspielhaus.

Dies gilt auch und besonders für die Bochumer Schulen, für die Herr Dr. Küppers ebenfalls verantwortlich ist. Schüler und Eltern dürfen erwarten, dass der zuständige Dezernent an der Spitze der Bewegung steht, wenn es um die Renovierung der maroden Bausubstanz und die Beseitigung von Schadstoffbelastungen an Bochumer Schulen geht. Aber es scheint, dass nur eine gute Presse für die Kultur wichtig ist.

Richtiger wäre es gewesen, einmal auf die Veränderungs- und Optimierungsblockade des Schauspielhauses hinzuweisen und diese zu unterbinden. Dieser Pflicht scheint er aber nicht nachkommen zu können oder zu wollen.

Den einzigen Weg, den der Kulturdezernent bei der Verwaltungsreform und der Konsolidierung des Haushaltes der Stadt Bochum zu gehen bereit ist, scheint der Weg der Ausgründung und Konfrontation zu sein.

So müssen wir leider festhalten, dass bis 1995 nur ein einziges Verwaltungsgerichtsverfahren vom Personalrat eingeleitet wurde, wobei die Einleitung des Verfahrens zwischen der Verwaltung und dem Personalrat abgestimmt war, um eine strittige personalvertretungsrechtliche Frage zu klären.

Seitdem Herr Dr. Küppers das Dezernat für Kultur, Schule und Wissenschaft leitet, wurden allein 7 Verwaltungsgerichtsverfahren aus den Bereichen Schulverwaltungsamt und Schauspielhaus notwendig. Eine solche Politik der Konfrontation ist nicht dazu geeignet, den Frieden in der Dienststelle zu erhalten.

Auch im Rahmen der Haushaltskrise und der damit verbundenen Diskussion um Konsolidierungsmöglichkeiten sind bisher keine konstruktiven und hilfreichen Vorschläge vorgebracht worden. In diesem Dezernat wird offensichtlich ausschließlich über Privatisierungen, Rechtsformänderungen und Schließungen von Einrichtungen nachgedacht. Denn neben der beabsichtigten Rechtsformänderung im Schauspielhaus wird im Dezernat IV die Privatisierung der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie vorbereitet. Leider müssen wir auch davon ausgehen, dass nach dem Schauspielhaus auch die Bochumer Symphoniker den Weg in eine andere Rechtsform suchen werden.

Darüber hinaus trauen wir Herrn Dr. Küppers auch zu, dass er mögliche negative Auswirkungen auf städtische Beschäftigte bei den Projekten "Schule 21" und "Ganztagsgrundschule" ebenso billigend in Kauf nimmt.

Es ist beschämend, dass Herr Dr. Küppers die gesamten Anstrengungen und Erfolge der letzten Jahre im Veränderungs- und Optimierungsprozess bei der Stadt Bochum zunichte machen kann und er dabei nicht einmal auf Widerspruch stößt.

Der Personalrat und die Beschäftigten erwarten von Ihnen als Oberbürgermeister eine deutliche Aussage zu diesen Vorgängen.

Vielleicht ist aber der gesamte Prozess der Neuen Steuerung an Herrn Dr. Küppers vorbeigegangen. Das wäre um so schlimmer, da er ja eigentlich mitverantwortlich ist.

Der Personalrat wird nicht zulassen, dass das Engagement der Beschäftigten so mit Füßen getreten wird. Allein die Zusammenführung der gewerblich technischen Bereiche wie Reinigung, Werkstätten und die damit verbundenen Einschränkungen und Belastungen für die Beschäftigten sowohl im sozialem als auch im Arbeitsumfeld zeigen, was in dieser Verwaltung mit und durch Beschäftigte erreicht wurde und weiter werden kann. Dabei war dem Personalrat auch wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger als "Kunden" von den Reformen profitieren. Die Einrichtung von flächendeckenden Bürgerbüros mit den erheblich ausgeweiteten Öffnungszeiten sind ein weiteres Ergebnis der großen Beteiligungsbereitschaft der Beschäftigten und des Personalrats.

Weitere Beispiele wie die Errichtung der eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen Alten- und Pflegeheime und die Zentralen Dienste machen deutlich, wie ein partnerschaftliches Miteinander von Verwaltungsführung und Beschäftigten positive Entwicklungen fördern. Denn in beiden Bereichen wurden unter erheblicher Beteiligung der Beschäftigten neue leistungsfähige Einrichtungen geschaffen. Dies alles vollzog sich in einem für öffentliche Verwaltungen sehr kurzem Zeitraum und insbesondere ohne die von vielen erwarteten großen Widerstände und Konflikte.

Ganz nebenbei haben die Beschäftigten die politische Entscheidung, dass im Rahmen des Haushaltssicherungskonzeptes die Personalkosteneinsparungen an erster Stelle stehen, erduldet. Dies obwohl mit dem Konzept ein erheblicher Stellenabbau und ein Abbau von Überstunden verbunden ist. Die daraus resultierende Arbeitsverdichtung wird noch zusätzlich durch neue Aufgaben, die auch aufgrund politischer Beschlüsse des Rates basieren, verstärkt.

Wir müssen darüber hinaus daran erinnern, dass weitere Rahmenbedingungen wie Controlling und Berichtswesen, Kosten- und Leistungsrechnung, moderne Führungsgrundsätze und ein verbessertes Beurteilungs- und Stellenbewertungsverfahren entwickelt und weitestgehend umgesetzt wurden. Nicht vergessen sollte man an dieser Stelle die sehr guten Ergebnisse, die in der Realisierung von Organisationsentwicklungsprozessen im Altenpflegebereich und dem Grünflächenamt erzielt wurden. Ergebnisse, die nur durch das große Engagement und die Bereitschaft der betroffenen Beschäftigten möglich waren.

Von daher kann und wird der Personalrat nicht zulassen, dass ein Mitglied des Verwaltungsvorstandes solche negativen Eindrücke von städtischen Beschäftigten in der Politik und der gesamten Öffentlichkeit erweckt.

Wir erwarten von Ihnen als Dienststellenleiter, dass Sie sich klar und deutlich von Herrn Dr. Küppers Position und Vorgehensweise distanzieren.

Sie sollten den Beschäftigten unmissverständlich darlegen, ob Sie die Zukunft der Stadtverwaltung Bochum in der Weiterführung eines Veränderungs- und Optimierungsprozesses unter weiterhin starker Beteiligung der Beschäftigten sehen oder durch das Einschlagen eines neuen Weges der durch Ausgründungen, Privatisierungen und Rechtsformänderungen gekennzeichnet ist.

Hierbei reicht es dem Personalrat nicht, wenn Sie, wie in den Jahren 1997 und 1998, Ihre Bereitschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit erklären. In dieser für die Stadt Bochum äußerst schwierigen Situation muss den Beschäftigten in nachhaltiger Form ein Zeichen gegeben werden.

Dabei dürfen die Beschäftigten mindestens eine Antwort auf folgende Fragen erwarten:

1. Sind weitere Rechtsformänderungen geplant?

2. Gilt weiterhin die Dienstvereinbarung zur Fortsetzung des Veränderungs- und Optimierungsprozesses und wenn ja, wie ist die Rechtsformänderung beim Schauspielhaus damit zu vereinbaren?

3. Wie soll in Zukunft die tarifliche Bezahlung der Beschäftigten des Schauspielhauses einschließlich deren Altersversorgung sichergestellt werden?

4. Schließen Sie weiterhin betriebsbedingte Kündigungen bei der Stadt Bochum aus?

5. Wie soll mit den Beschäftigten umgegangen werden, die nicht in die Anstalt des öffentlichen Rechts wechseln wollen?

Diese Fragen sind nur ein Grundkatalog, sind jedoch maßgeblich für das weitere Vorgehen und die Bereitschaft des Personalrates und der Beschäftigten, gemeinsame Lösungen im schwierigen Prozess der Haushaltskonsolidierung zu finden.

Eines muss jedoch abschließend deutlich gemacht werden: Durch das Verhalten eines Fachdezernenten steht die Glaubwürdigkeit der gesamten Verwaltungsführung auf dem Spiel!

Mit freundlichen Grüßen


Edgar Fischer
Vorsitzender