Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V -
Engelsburgerstr. 168 - 44793 Bochum



Presseerklärung
09.Oktober 2003


Prozess gegen Bo-alternativ Herausgeber
Richter kannte Urteil bereits bei Prozesseröffnung
Internationale BeobachterInnen über Prozessverlauf irritiert


Am heutigen Donnerstag um 11:30 Uhr wurde vor dem Bochumer Landgericht der
Prozess gegen den Friedensaktivisten und Herausgeber der Internetseite
bo-alternativ.de, Herrn Martin Budich, eröffnet.
Herr Budich ist angeklagt wegen der Veröffentlichung eines Fotos, welches
zwei Zivilbeamte der Bochumer politischen Polizei abbildete, die auf einer
Friedensdemonstration im vergangenen April eingesetzt waren.
Bo-alternativ berichtete seinerzeit, dass die Zivilpolizisten, entgegen der
Absprachen mit der Schutzpolizei, begannen, die
DemonstrationsteilnehmerInnen zu filmen. Dabei waren die beiden als
"Schlapphüte" bezeichnet worden.

Bei der heutigen Prozesseröffnung gegen Herrn Budich stand das Urteil
bereits fest. Der vorsitzende Richter verkündete, dass die Veröffentlichung
des Fotos einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Zivilbeamten
darstelle und riet dem Angeklagten, sich schuldig zu bekennen.
Die Ausführungen des Friedensaktivisten fanden kein Gehör. Herr Budich
versuchte geltend zu machen, dass die Veröffentlichung des Fotos
presserechtlich garantiert sei, da es sich um die Dokumentation eines
polizeilichen Verstoßes gegen getroffene Absprachen zum
Demonstrationsverlauf handele. Die Schutzpolizei habe zuvor garantiert, dass
nicht gefilmt würde. Der Anwalt der Zivilpolizisten gab an, seine Mandanten
hätten von dieser Absprache nichts gewusst. Der mit ca. 50 Leuten gut
gefüllte Saal quittierte den Informationsfluß zwischen Schutzpolizei und
politischer Polizei mit Gelächter.
Auch die Ausführungen der Verteidigerin des Herausgebers von bo-alternativ,
die unter Verweis auf den öffentlichen Charakter von Demonstrationen
betonte, dass hier keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der
eingesetzten Zivilpolizisten vorliegen könne, blieb von Seiten des Gerichtes
ohne Gehör. Von der Verletzung der Persönlichkeitsrechte der gefilmten
DemonstrantInnen war während des Prozesses keine Rede.
Internationale BeobachterInnen aus Chile und Venezuela, die anlässlich des
Prozesses im Gerichtssaal erschienen waren, zeigten sich irritiert über den
Verfahrensverlauf in deutschen Zivilprozessen. "Wie kann ein Richter bereits
vor der Prozesseröffnung das Urteil gefällt haben. So etwas gibt es bei uns
nicht," waren sich die BeobachterInnen einig.
Der Prozess wird nun vor dem Oberlandesgericht fortgesetzt.

Die Medizinische Flüchtlingshilfe protestiert gegen die einseitige
Prozessführung. Das Urteil stellt einen deutlichen Eingriff in die
Pressefreiheit dar, mittels dessen versucht werden soll, die Bespitzelung
durch Zivilpolizisten der politischen Polizei zu decken. Der Prozess steht
im Kontext einer weiteren Anklage gegen den Herausgeber von Bo-alternativ,
der in Kürze wegen der Dokumentation eines Demonstrationsaufrufes erneut vor
Gericht stehen wird.
Die Medizinische Flüchtlingshilfe fordert die Kläger in beiden Fällen auf,
ihre Klagen gegen Bo-alternativ umgehend zurückzuziehen und ihre Eingriffe
in die Pressefreiheit einzustellen.


i.A. Knut Rauchfuss