Offener Brief an das 8. Mai Bündnis
Gemeinsam gegen Rechts - aber nicht um jeden Preis

Liebe KollegInnen,

weil wir die Verantwortung studentischer Interessenvertretung gegenüber Hochschule und Gesellschaft ernst nehmen und der Geschichte der Verfassten Studierendenschaft gerecht werden wollen, möchten wir euch bitten, den AStA der Ruhr-Universität aus eurem Bündnis auszuschließen.

Unsere Gründe möchten wir euch kurz darlegen:
Die Verfasste Studierendenschaft wurde zu Beginn der zwanziger Jahre gegründet und erlangte rasch staatliche Anerkennung: Die Mitgliedschaft für Studierende wurde verpflichtend und die Studierendenschaft mit Satzungs- und Finanzhoheit ausgestattet. In der Folge entwickelten sich die Studierendenschaften kontinuierlich nach rechts - ausgestattet mit einem entsprechenden Auftrag der WählerInnen. In den zwanziger Jahren prägten insbesondere spektakuläre Vertreibungsaktionen gegen jüdische und liberale DozentInnen und WissenschaftlerInnen das Bild der Studierendenschaften. Von den Ministerien verschiedener Länder vor die Wahl gestellt, von völkischen Prinzipien abzurücken oder auf die Zwangsmitgliedschaft zu verzichten, entschieden sich die Studierenenschaften gegen die staatliche Anerkennung. Die völkische Radikalisierung fand ihren Abschluss in den Bücherverbrennungen des Jahres 1933 - durchgeführt von den Studierendenschaften.
Dieser Teil der Geschichte studentischer Selbstverwaltung ist "unsere" Geschichte als AktivistInnen in der studentischen Selbstverwaltung und sollte allen eine Verpflichtung sein, die in in Fachschaften, ASten oder Studierendenparlamenten aktiv sind.

Studierendenschaft und studentische Verbindungen

Die Studierendenschaften der zwanziger und frühen dreißiger Jahre waren geprägt von den Studentenverbindungen. Sie bereiteten das Handeln der Studierendenschaften vor und fungierten als Strömungsverbände, vergleichbar mit den heutigen Parteijugenden oder dem LiRa-Bündnis. In den Studierendenschaften geschah nichts gegen ihren Willen. Sie waren Träger der antisemitischen Radikalisierung. Seit den frühen zwanziger Jahren hatten auch die konfessionellen Verbindungen ihre Vorbehalte aufgegeben und antisemitische Forderungen als legitime Position akzeptiert. Zum NS-Studentenbund standen sie gleichermaßen in Konkurrenz wie in Kooperation.
Die Verbindungen existieren bis heute ohne Brüche fort. Wer damals als Aktivist Bücher verbrannte nimmt heute - so er noch lebt - als "Alter Herr" Ehrungen der "Aktivitas", der studentischen Mitglieder, entgegen. Sein Handeln ist Teil der Geschichte der Verbindung, welche unter dem Stichwort "Tradition" verklärt wird.

Die Verfasste Studierendenschaft ist kein Selbstzweck

Daraus folgt für uns, dass die Verfasste StudentInnenschaft antifaschistisch sein muss. Ansonsten hat sie ihre Daseinberechtigung verloren und ihre Aufgabe, Vertretung aller StudentInnen, unabhängig von Herkunft, Religion oder Geschlecht zu sein, verfehlt.
Diese Position, die u.a. im ‚freien zusammenschluss von studentInnenschaften' (fzs) unbestrittener Konsens ist, wird vom AStA der RUB bzw. von den AStA tragenden Listen offensichtlich nicht geteilt. Am 31.03.2005 lehnte die vom RCDS tolerierte Koalition aus Rub-Rosen, Grünen und ‚Die Liste' die von uns und von der Alternativen Liste geforderte Verurteilung des Verbindungswesens im Studierendenparlament einstimmig ab (der Antrag findet sich im Anhang). Das ‚Nein' zur Kritik an Studentenverbindungen verwundert kaum. Denn die Koalition besitzt im Studierendenparlament keine eigene Mehrheit und ist damit auf die Stimmen des RCDS, der keine Berührungsängste mit den vom völkischen Wahn geprägten Verbindungen hat, angewiesen. In den Reihen des Bochumer RCDS sind zahlreiche Verbinder aktiv, einer von ihnen (Markus Hessler von der ‚KDStV Saxo-Thuringia') ist sogar Mitglied des Parlaments.
Wir sind deshalb der Auffassung, dass der derzeitige AStA der RUB sich nicht glaubwürdig in das antifaschistische Bündnis einbringen kann. Euch bitten wir, keine über finanzielle Zuwendungen hinausgehenden Beiträge des AStA der RUB zum Bündnis zu akzeptieren.

Mit antifaschistischen Grüßen

Linke Liste der RUB