Tom Binger hat die schriftliche Version der Interviews, die er für die Bürgerradios "Unabhängiges Radio Bochum" und "Neue Essener Welle" mit Dolf Mehring (Leiter des Jugendamtes und Verhandlungsführer der Stadt Bochum gegenüber dem antirassistischen Zentrum) und Gabriele Riedl (Ratsmitglieder der Grünen und Bürgermeisterin) geführt hat, freundlicher Weise für bo-alternativ.de zur Verfügung gestellt.

Interview mit Dolf Mehring


Herr Mehring, bei einem Ortstermin in der alten Feuerwache haben Sie den BesetzerInnen versichert, die Stadt sei ernsthaft Gesprächsbereit und an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. An eine kurzfristige Räumung werde nicht gedacht. Bereits am nächsten Tag stand die Polizei mit schwerem Räumgerät, Gefangenenbussen und einer Hundertschaft vor dem Gebäude und zwang die Besetzer zur Aufgabe. Wie kam es zu dem sehr kurzfristigen Sinneswandel auf Seiten der Stadt? Warum konnten Sie als offizieller Verhandlungsführer der Stadt Bochum ihre Zusagen nicht einhalten?

Ja zunächst einmal hat die Stadt ja sehr deutlich gemacht, dass sie nach wie vor auch gesprächsbereit ist. Das ist sie auch jetzt noch. Und der zweite Punkt ist, dass es innerhalb des Verwaltungsvorstandes einen Sinneswandel insofern gegeben hat, als das zunächst erst mal die Linie klar war, dass es erst einmal toleriert werden sollte, sich dann aber neue Erkenntnisse durch die Polizei eingestellt hatten, die dazu geführt haben zu sagen, wir können das nicht länger hinnehmen, da nach Polizeierkenntnissen Bestrebungen erkennbar waren, bundesweit autonome Kräfte nach Bochum zu ziehen.

In verschiedenen Stellungnahmen aus Politik und Verwaltung wird ein Raumbedarf für ein Antirassistisches Zentrum und Initiativenhaus eingeräumt. Was tut die Verwaltung um diesem politischen Bedarf gerecht zu werden? Gibt es bereits eine Auflistung städtischer Immobilien, die als Standort für ein antirassistisches Zentrum in Frage kommen?

Wir wollen jetzt erst einmal mit allen Initiativen verhandeln, das heißt den genauen Raumbedarf noch mal abklopfen. Wir haben ja von den Initiativen eine Auflistung bekommen, welcher Raumbedarf besteht. Es gibt ja verschiedene sozio-kulturelle Zentren in Bochum, und die Kulturverwaltung und wir sind dazu beauftragt mit den einzelnen Projekten zu sprechen, inwieweit in den vorhandenen Gebäuden Räumlichkeiten angeboten werden können. Es ist zunächst von der Verwaltungseite nicht daran gedacht, ein neues sozio-kulturelles Zentrum in Bochum zu eröffnen.

Also ein anderes Gebäude wird den ehemaligen Besetzern nicht angeboten?

Nein, weil die Verwaltung ganz klar davon ausgeht, dass gerade in diesem Jahr eine Menge an neuen Geschichten gelaufen ist. Das heißt, wir haben ein neues Zentrum in Wattenscheid aufgemacht, wir machen im nächsten Frühjahr ein neues Jugendzentrum in der Hustadt auf. Es gibt verschiedene sozio-kulturelle Zentren in Bochum und wir sind der Meinung, dass das bisherige Raumangebot eigentlich ausreichend ist, um alle Initiativen befriedigen zu können.

Der Fraktionssprecher ihrer Partei, Bündnis90/Die Grünen, Wolfgang Cordes äußerte seine Bestürzung über die übereilte Räumung. Auch andere VertreterInnen der grünen Parteispitze gaben an, über das Vorgehen der Stadt nicht informiert worden zu sein. Warum hat die Verwaltung im Alleingang Fakten geschaffen, ohne eine politische Willensbildung zu dieser Frage abzuwarten? Gab es zwingende Gründe für ein derart eiliges Vorgehen?

Das müssen Sie nicht mich fragen, sondern das müssen Sie den Verwaltungsvorstand fragen. Ich bin ja vom Verwaltungsvorstand als Verhandlungsführer eingesetzt worden. Ich habe einfach die Gespräche mit den Besetzern insofern geführt, als dass ich auch eruieren wollte, welche Interessen und Bedürfnisse stecken dahinter. Das war mein Auftrag und den habe ich erfüllt. Alles andere lag nicht in meinen Händen.

Das heißt der Beschluss zur Räumung ist gar nicht mit Ihnen abgestimmt worden?

Nein.

Als ein Grund für die schnelle Räumung wird von Seiten der Stadt immer wieder die Existenz eines Kaufinteressenten angeführt. Die Informationen hierzu sind allerdings sehr widersprüchlich. Sie selbst haben gegenüber den BesetzerInnen den Verein Krisenhilfe als Nutzer des Gebäudes ins Gespräch gebracht. Die Krisenhilfe, die gerade ihre neuen Büroräume bezogen hat, hat das umgehend dementiert. Nun wird eine Malerfirma als Investor ins Gespräch gebracht. Mit dieser Firma konnte allerdings laut Auskunft von Wolfgang Cordes, dem grünen Fraktionsvorsitzenden, bereits vor einem halben Jahr keine Einigung über einen Kaufpreis erzielt werden. Nach Beginn der Besetzung soll die Stadt derselben Firma das Grundstück zu einem wesentlich günstigeren Preis angeboten haben. Handelt es sich bei dem angeblichen Investor also nur um einen Bluff der Stadt?

Auch dazu kann ich Ihnen eigentlich relativ wenig sagen, weil ich bin nicht das Liegenschaftsamt und ich bin auch nicht die Wirtschaftsförderung. Und das sind eigentlich Themen, die von dort aus behandelt und bearbeitet werden. Da kann ich eigentlich ganz wenig zu sagen. Da müßten Sie eigentlich schon direkt die Wirtschaftsförderung fragen, inwieweit die Liegenschaft da anderweitig verplant ist. Ich kann mich nur auf die Aussagen von dort verlassen, das heißt, wenn mir gesagt wird, dieses Objekt ist im Augenblick in Verkaufsverhandlungen, dann muss ich das erstmal so akzeptieren und zur Kenntnis nehmen.

Ihnen ist also der konkrete Stand der Verhandlungen und auch der Investor nicht bekannt?

Nein. Das ist auch nicht mein Bier!

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Interview mit Gabriele Riedl

Frau Riedl, nachdem von Seiten der Stadt zunächst Gesprächsbereitschaft gegenüber den Besetzern der alten Feuerwache bekundet wurde, kam es dann in der letzten Woche doch zu einer sehr plötzlichen Räumung. Warum wurden Sie als Bürgermeisterin und Vertreterin einer Koalitionspartei von OB Stüber nicht über die bevorstehende Räumung informiert? Welche politischen Konsequenzen wird dieser Alleingang des Oberbürgermeisters haben?

Warum wir nicht informiert worden sind, dass würde mich auch nach wie vor interessieren. Der Oberbürgermeister hat seine Handlungsweise damit begründet, dass es Erkenntnisse gab, die eine Räumung unabdingbar machten und dass er als Hausherr es nicht dulden könne, dass ein städtisches Gelände besetzt wird. Für uns alle kam das überraschend. Wir hatten eigentlich eine Terminvereinbarung für Mitte dieser Woche mit dem OB, so dass für uns der Eindruck herrschte, es gibt Zeit. Wenn man über die Dinge reden will und es gibt einen Termin, dann gehe ich davon aus, dass zumindest bis zu diesem Termin noch Zeit ist, um Dinge zu überlegen und Unterstützungsnetzwerke aufzubauen und dergleichen mehr.

Der Oberbürgermeister hat gleichzeitig betont, dass er wert darauf legt, im Gespräch zu bleiben mit diesen Leuten, was natürlich in sich etwas schwierig ist. Im Moment sieht es so aus, dass das Jugendamt und das Kulturamt nach wie vor auch Gespräche führen.

Von Seiten der Stadt wurde der ihrer Partei angehörende Leiter des Jugendamtes mit der Verhandlungsführung beauftragt. Herr Mehring hat noch einen Tag vor der Räumung den Besetzern versprochen, dass es zu keiner kurzfristigen Räumung kommen werde. Welche politischen Konsequenzen wird dieser Wortbruch des frisch gekürten grünen Amtsleiters zeitigen? Warum hat sich Herr Mehring nicht einer polizeilichen Lösung des Problems widersetzt?

Ich weiss es nicht! Ich bin nicht dabei gewesen. Ich kann nur vermuten, dass er das sicherlich getan hatte, wenn er es denn gewusst hätte. Aber da müssen sie ihn selber fragen.

Die beiden Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen räumen in einer Anfrage an die Verwaltung den Raumbedarf für ein antirassistisches Zentrum und ein Initiativenhaus in Bochum ein. Was wird von Seiten der Politik in der nächsten Zeit konkret unternommen, um diesem Raumbedarf nachzukommen?

Also das eine ist - wir haben das gestern ja auch in der Fraktion beraten - dass wir gesagt haben, dass geguckt werden muss, welche städtischen Brachen, welche Freiflächen gibt es überhaupt. Das haben wir eigentlich die ganze Zeit schon gemacht. Dieser Raumbedarf und dieses Anliegen war ja auch bekannt und ist auch soweit unumstritten, insbesondere was die Jugendlichen betrifft. Wir müssen aber gucken, was überhaupt geht. Und deshalb werden wir wert darauf legen, dass diese Gesprächsbereitschaft, die von Seiten der Stadt signalisiert wurde, auch wirklich eingehalten wird. Dass dieser Jugendamtsleiter und dass das Kulturamt weiter im Geschäft bleiben und dass das nicht irgendwo in den Verwaltungsgängen verschwindet. Und das andere ist, dass wir natürlich auch - wir haben bereits in der letzten Woche das Gespräch mit den Besetzern gesucht - mit den Leuten direkt in Kontakt bleiben möchten. Einfach auch um laufend informiert zu sein, was denn nun angeboten wird von Seiten der Stadt und ob das akzeptable Sachen sind.

Die Stadt begründete die schnelle Räumung mit der Existenz eines Investors. Angeblich soll eine Malerfirma am Ankauf des Grundstücks interessiert sein. Laut Auskunft ihres Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Cordes, sollen die Verhandlungen mit dieser Firma allerdings bereits vor einem halben Jahr abgebrochen worden sein, da keine Einigung über einen Kaufpreis erzielt werden konnte. Nach Beginn der Besetzung sei derselben Firma ein neues, wesentlich günstigeres Angebot unterbreitet worden. Handelt es sich bei einem derartigen Vorgehen nicht um eine böswillige Täuschung der Öffentlichkeit?

Ich fände es merkwürdig, wenn es so wäre. Meines Wissens hat der Herr Cordes gesagt, dass die Verhandlungen ins Stocken geraten sind, aber nicht, dass sie endgültig abgebrochen waren. Ich kann nur sagen, ich bin nicht im Ausschuss für Stadtentwicklung, war also nicht direkt daran beteiligt. Ich war aber auch etwas überrascht, dass da jetzt noch mal diese Preisgeschichten ins Gespräch kommen. Ich fände es tragisch, wenn jetzt politisch so etwas passiert, dass man sagt, wegen der Hausbesetzer geht der Stadt jetzt Geld durch die Lappen. Das fände ich ganz schlecht. Ich glaube auch nicht, dass das so ist. Dass um Investoren gerungen wird, ist bekannt. Ich glaube, dass man tatsächlich eine Stockung hatte und jetzt das Ganze noch mal wieder aufgegriffen worden ist. Ich finde es schade, dass man sich nicht dazu durchringen konnte, eine andere Nutzung wirklich ernsthaft ins Auge zu fassen. Wir haben aber auch gesagt, dass wir die Koalition an der Stelle nicht platzen lassen, weil dass ist das, worauf die Gegner von der anderen Seite nur warten. Herr Stüber und diverse Andere hätten sich sicherlich darüber gefreut, wenn man dann freie Bahn für alle Vorhaben hat, die eben zur Zeit mit uns nicht gehen.

Vielen Dank für das Gespräch.