Begrüßungsreferat bei der Gründung des Bochumer Sozialforums

Wir freuen uns, dass ihr heute so zahlreich erschienen seid. Beginnen wollen wir unser kurzes Impulsreferat mit der jungen Geschichte der Sozialforen. Innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung haben diese zentrale Impulse bewirkt. Nur 13 Monate nach den Protesten in Seattle, auf dem die globalisierungskritische Bewegung ihre öffentliche Weihe erhielt, wurde im Januar 2001 zum ersten Weltsozialforum eingeladen. In Porto Alegre, wo das interessante Experiment einer BürgerInnenbeteiligung beim Stadt-Haushalt praktiziert wird, trafen sich 5000 Menschen, um über die Kritik an der neoliberalen Globalisierung hinaus zu eigenen Standpunkten zu gelangen. Wegen der damals als erfolgreich angesehenen Mobilisierung entstand daraus schnell ein jährliches Meeting der weltweiten Bewegungen. Im Jahr 2002 kamen gleich 50000 Menschen und Anfang diesen Jahres gar 100000.
Schon nach dem 2.Weltsozialforum wurde beschlossen in allen Weltregionen transnationale Sozialforen zu gründen. In Europa wurde im letzten Jahr nach Florenz eingeladen. Auch die dortige Mobilisierung übertraf alle Erwartungen. 40000 Menschen namen an der Konferenz teil und 1 Million vor dem Hintergrund des bevorstehenden Irakkriegs an der abschliessenden Demo.
Wichtig für unser heutiges Treffen ist allerdings auch das Genua Social Forum (GSF). Dieses war das weltweit erste lokale Forum. Bekannt wurde das GSF, weil von ihm aus vor zwei Jahren die Proteste gegen das G8-Treffen in Genua mitorganisiert wurden. Der Erfolg des GSF mobilisierte in ganz Italien Gruppen, ebenfalls lokale Sozialforen als breite Bündnisse zu initiieren.
In Deutschland spielte bis zu den Protesten in Genua die globalisierungskritische Bewegung nur eine Randrolle. Ich denke, wir alle kennen die Folgen von Genua. Die Medien entdeckten die Bewegung und zahllose von den Folgen der neoliberalen Globalisierung empörte Menschen schlossen sich Attac an.
Nach der Gründungsphase von Attac wurde aber auch klar, dass eine Organisation allein nicht alle gesellschaftlichen Gruppen versammeln kann. Zudem teilen nicht alle emanzipatorischen KritikerInnen der derzeitig herrschenden Politik alle Positionen von Attac.
Wir glauben, dass Sozialforen eine noch grössere Breite und damit ein mehr an Stärke gegen die Umverteilung von unten nach oben, globale Ungerechtigkeiten und nationalistische Borniertheit entwickeln können. So begreifen wir die Sozialforen als das adäquate Mittel alternativen zu entwickeln. In den letzten beiden Monaten haben lokale Sozialforen eine ungeheure Dynamik erreicht. Es existieren inzwschen über dreißig Sozialforen in der BRD. Zum Beispiel findet gerade jetzt in Köln eine ähnliche Gründungskonferenz statt.
Innerhalb des nächsten halben Jahres sollten auch wir uns an der Diskussion über ein bundesweit organisiertes Sozialforum beteiligen. Davor möchten einige von uns aber auch zum Europäischen Sozialforum Mitte November nach Paris und zum Weltsozialforum im Januar nach Bombay.
Aber ist es gibt noch andere Gründe jetzt ein lokales Soazialforum aufzubauen. „Wir sind sauer !“. Der Sozialabbau in der BRD hat Dimensionen erreicht, die Widerstand bitter nötig machen.
An die vielen kleinen Verschlechterungen, die in Folge der Globalisierung der Weltökonomie angeblich unausweisslich seien hatten wir uns schon fast gewöhnt. Gegen die unsägliche Sachzwangpolitik agieren viele schon seit Jahren. Manche nennen es Umverteilung von oben nach unten, andere Neoliberalismus – darüber können wir gerne diskutieren. Doch kein Zweifel besteht über die fatalen Folgen für viele Menschen. Die Kürzungen betrafen immer schon, denen es schon nie so toll geht: Leute ohne Ausbildung, Kranke, Migrant/innen... .
Aber seitdem Gerhard Schröder am 14.März diesen Jahres das Zeitalter der Agenda 2010 ausrief, werden wir mit unglaublichen Kürzungsvorschlägen beschossen. Fast keine/r blickt mehr durch. Stellvertretend seien nur die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, die Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln bei der Suche nach Lohnarbeit, die Kürzungen beim Krankengeld und seit letztem Wochenende die Senkung der Rente genannt.
Was nicht gekürzt wird ist genauso bezeichnend. Gutverdienende und Unternehmen müssen in der Welt des neoliberalen Dogmas immer weniger Steuern zahlen, damit sie über eine wundersame Weise die Wirtschaft ankurbeln. Wir wissen, das ist Blödsinn ! Die Bundeswehr wird nur personell verkleinert, aber finanziell gut ausgestattet für die Verteidigung der Freiheit am Hindukusch. Das ist genau die Freiheit, die parallel dazu zugunsten immer schärfere Überwachung abgebaut. Hier sei nur die unsinnigen Prozesse gegen die Website bo-alternativ zu nennen, bei der wir uns hier einmal für die Unterstützung bei der Vorbreitung des Bochumer Sozialforum bedanken wollen. Zusammengefasst läßt sich also sagen, der Staat wird eben nicht abgebaut, sondren umgebaut. Die Finanzierung muss nur woanders herkommen als bisher. Deswegen könne sich der bundesdeutsche Staat nicht mehr die Hängematten leisten, auf der wir alle liegen sollen.
Diese ganz Ideologie wurde und wird begleitet von der Suche nach dem Sündenbock. Jugendliche seien zu sehr an Spaß interessiert, RentenerInnen zu reich, MigrantInnen zu viele, Arbeitslose zu faul ! Gegen solche Ausgrenzungspolitik möchten wir eine konsequente Solidarität setzen. Es kann nicht sein, Menschen für falsche Politik verantwortlich zu machen. Wenn heute viele Jobs nicht mehr gebraucht werden, weil intensiver gearbeitet wird und Maschinen vieles übernehmen können, dann muss über das Ende der Arbeitsgesellschaft nachgedacht werden. Dann ist es zum Beispiel gesellschaftlich von gestern, dass eine vernünftige Rente nur durch 40 Jahre kontinuierliche Arbeit zusammen kommt. Kein mensch arbeitet heute mehr ein Leben lang in einem Betrieb. Aber am Prinzip „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ wird weiter festgehalten. Auf die Idee eine radikalen Arbeitszeitverkürzung und Reichstumsverteilung kommt keine PolitikerIn und kein/e ChefredakteureIn.
Wir sind fest entschlossen uns daran zu betiligen, aus „dem es wir immer schlechter“ rasu zukommen“. Wir wollen Reformen, die den Namen verdienen, indem sie ein besseres Leben für alle ermöglichen.
In die Sinne: Her mit dem schönen Leben !

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