Haushaltsrede in der Ratssitzung am 21. April 2005,

von Günter Gleising, Sprecher der Ratsgruppe

der Sozialen Liste Bochum

 

 

 

Die Gruppe der Mitglieder des Rates und der Bezirksvertretungen

der Sozialen Liste Bochum hat sich intensiv mit dem Haushalt 2005 beschäftigt.

 

Wir erkennen das Bemühen um einen genehmigungsfähigen Haushalt an.

Wir sehen auch, dass unter den Bedingungen des Neoliberalismus,

der groß angelegten Umverteilung der Gelder von unten nach oben

und der Armut der Kassen, vor allem der Kommunen, es schwer ist, einen ordentlichen Haushalt aufzustellen.

 

Wir teilen in diesem Zusammenhang – wenn sie denn  ernst gemeint ist –

die Kapitalismuskritik des SPD-Vorsitzenden Müntefering. Es widerspricht dem Grundgesetz und der Landesverfassung von NRW zutiefst, wenn Gewinne privatisiert, Verluste sozialisiert werden oder wenn höhere Gewinne direkt zu neuem Arbeitsplatzabbau führen.

 

Wir erkennen ferner an, dass die Koalition aus SPD und Grünen in Bochum

sich bemüht hat, Leistungen der kommunalen Daseinsvorsorge und Unterstützungen zu erhalten.

Nennen möchte ich in diesem Zusammenhang den Bochum-Pass (Vergünstigungsausweis) für Bürger mit wenig Einkommen und den Kulturetat.

 

Wir erkennen an und halten es für richtig, was OB Dr. Scholz bei der Einbringung des Haushaltes sagte, das man sich trotz hoher Schulden nicht kaputt sparen dürfe.

 

Wir werden diesen Haushalt trotzdem ablehnen. Auf die Gründe möchte ich jetzt eingehen.

 

Der Haushalt 2005 der Stadt Bochum basiert auf der Steuer- und Finanzpolitik der Bundesregierung. Ein wichtiger Bestandteil dieser Politik von Rot/Grün ist die steuerliche Besserstellung von Unternehmen, Managern und Großverdienern.

Die Unternehmenssteuerreform brachte es mit sich, dass heute Raucher weit mehr zur Finanzierung des Staates beitragen als Konzerne und Kapitalgesellschaften.

Weitere Steuersenkungen plant die Bundesregierung, so die Absenkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 19 %, die in der nächsten Woche im Kabinett beschlossen werden soll.

Herr Dezernent Aschenbrenner hat ja schon vor einigen Monaten auf die Misere im Stadthaushalt hingewiesen, als er feststellte, dass Opel schon lange keine Gewerbesteuer mehr in Bochum zahle.

 

Der ganze Widersinn dieser Politik wird darin deutlich, das zum 1. Januar 2005 einerseits Hartz IV, mit all seinen Belastungen für Arbeitslose eingeführt

und gleichzeitig der Spitzensteuersatz gesenkt wurde.

Dem Kleinen wird genommen, den Großen wird gegeben. 

 

Auch unter den öffentlichen Finanzen gibt es eine Umverteilung von unten

nach oben.

Die Austrocknung der Finanzen für die Kommunen ist ein Skandal.

Lag der Gemeindeanteil am gesamten Steueraufkommen in den 80er Jahren noch bei 14 %, so sind wir im Jahr 2003 bei 11,7 % angekommen.

(der Städtetag 1/04).

 

Völlig offen sind auch noch die finanziellen Auswirkungen von Hartz IV auf den Haushalt der Stadt Bochum. Zunächst wurde eine zusätzlich Belastung von 10 Mill. Euro geschätzt, dann eine Entlastung von 10 Mill. Euro, jetzt gibt es gar keine Schätzung mehr. Und - das möchte ich sagen -, es wird auch bis zum Ende des Landtagswahlkampfes so bleiben. Danach, so ist zu vermuten,

wird das dicke Ende kommen.

 

Die gegenwärtige Ausstattung der Kommunen mit Finanzmitteln,

deren Selbstverwaltung im G.G. Artikel 28 geregelt ist, bewegt sich meiner Meinung nach am Rande der Verfassungswidrigkeit. Deshalb schlagen wir heute vor, dass alle politischen Gruppen und Fraktionen im Rat eine gemeinsame Resolution mit der Forderung nach einer Gemeindefinanzreform auf den Weg bringen, diese in Berlin auch zu Gehör bringen und auf dem Deutschen Städtetag entsprechend auftreten.

 

 

Wir lehnen den Haushalt aber auch wegen seiner inneren Wiedersprüche

und seiner kommunalpolitisch/inhaltlichen Ausrichtung in wesentlichen Teilen ab:

 

Erstens. Der Haushalt 2005 müsste erste Antworten auf die Opel-Krise und die eintretenden Arbeitsplatzverluste geben. Die können wir nicht erkennen.

Im Gegenteil: In dem vor wenigen Tagen veröffentlichten „Handlungskonzept Bochum 2015“ ist nicht eine einzige Maßnahme enthalten, wie die Kompetenz der ausscheidenden Opel-Mitarbeiter sinnvoll eingesetzt werden könnte.

Wie z. B. statt einer Transfergesellschaft zum Übergang größerer Teile in die Arbeitslosigkeit eine Beschäftigungsgesellschaft geschaffen werden könnte,

die etwa in Richtung alternativer Antriebsenergien, alternativer Antriebe und  Transportmittel tätig wird.

Das könnte ein  Pilotprojekt in ganz Europa werden.

Doch stattdessen will sich die Stadt Bochum um eine Spielbanklizenz für die Stadtpark-Gastronomie bemühen und „hochwertige Angebote in verschiedensten Bereichen“ schaffen.

Das ganze steht dann unter der Überschrift „Bochum nutzt die Krise als Chance“.

In dem gesamten Handlungskonzept kommt die Opel-Belegschaft nicht einmal vor. Man könnte meinen, die sei „abgeschrieben“.

 

Zweitens. Der Haushalt 2005 setzt die Politik der Prestigeobjekte fort.

Als besonderer Klotz am Bein erweist sich dabei der Ruhrcongress,

der auch in diesem Haushalt mit fast 2,5 Mill. Euro Zuschuss zu Buche schlägt. Ein Ende für diese Investitionsruine ist nicht in Sicht.

Wir fordern daher heute und hier den geordneten Rückzug aus diesem Projekt, denn mit der Jahrhunderthalle existiert eine hervorragende Konzert- und Veranstaltungsstätte.

In diesem Zusammenhang möchte ich der CDU danken!

Denn sie zeigte: zur Durchführung von Parteitagen oder Konferenzen ist der Ruhrcongress verzichtbar.

Auch dafür ist die Jahrhunderthalle, für die die Stadt Bochum ja auch im Haushalt 2005 einen Betriebskostenzuschuss von 400.000 Euro leistet,

bestens geeignet.

 

Zum Konzerthaus. Auch wenn der SPD-Fraktionsvorsitzende Fleskes

„den Hügel will“, wie die etwas kleinere Lokalzeitung schrieb.

Das Konzerthaus ist in absehbarer Zeit nicht zu realisieren.

Und: Es lässt sich in Konkurrenz mit dem Dortmunder Konzerthaus, der Essener Philharmonie, dem Musiktheater im Revier auch nicht betreiben.

Die 50.000 Euro Planungskosten, die dafür im Haushalt bereitgestellt werden, sind auch nur Tünche, die über diesen Zustand hinweg trösten soll.

Zur Ehrlichkeit der Bochumer Politik würde gehören, dieses Projekt zu begraben. Als zentrale Spielstätte für die Bochumer Symphoniker sollte daher die Jahrhunderthalle dienen. Auch die Spielstätten Audimax und Wattenscheider Stadthalle sollten ebenso wie andere Kooperationsmöglichkeiten in der Kulturhauptstadt Ruhrgebiet genutzt werden.

 

Im Bereich der Prestigeobjekte muss auch die Steuergeldverschwendung mit dem Bahnhofsvorplatz erwähnt werden. Der Architekt Schmiedeknecht hat sich ja dahingehend in der Öffentlichkeit deutlich geäußert. Wir teilen die Kritik.

Es kann nicht sein, das schon nach etwas über 20 Jahren zentrale städtische Planungen und Investitionen komplett erneuert werden, wie es am Bahnhof passiert.

 

Übrigens, wir sehen auch nicht ein, warum ein Wetterstudio, das im wesentlichen für einen Fernseh- und Rundfunksender arbeitet mit einem jährlichen Betrag von 40.000 Euro unterstützt wird.

 

Drittens. Die Soziale Liste Bochum lehnt weitere Privatisierungen ab.

Im Gegensatz zu anderslautenden Bekundungen wird dieser Prozess, der im Cross-Border-Leasing Geschäft seinen vorläufigen Höhepunkt fand, auch im Haushalt 2005 fortgesetzt.

So wurde Anfang 2005 die Tiefgarage unter dem Bildungs- und Verwaltungszentrum Investoren zum Kauf angeboten.

Auch ist der Verkauf von einem weiteren Teil des Wohnungsbestandes vorgesehen.

 

Viertens. In der uns für heute angereichten Beschlussvorlage für den Haushalt heißt es wörtlich: „Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Entwurf der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2005 nach vorheriger öffentlicher Bekanntmachung am 18. 12. 2005 vom 22. 12. 2004 bis 3. 1. 2005 öffentlich ausgelegen hat. Gegen den Entwurf sind keine Einwendungen erhoben worden.“

Man muss sich diese Formulierung genau vergegenwärtigen.

Vom 22. 12. bis 3. 1. hat der Haushalt zur Einsichtnahme ausgelegen.

Ja, wer geht denn in dieser Zeit zum Amt, um sich drei dicke Bücher mit Zahlen anzusehen, geschweige denn, sie durchzuarbeiten?

Ganz davon abgesehen, dass Heiligabend, Weihnachten, Sylvester und Neujahr in diese Zeit fielen.

Ich frage die Verwaltung: Ist sie etwa stolz darauf, dass kein Bürger unserer Stadt Einwendungen gemacht hat? Ist dies nicht auch ein Beispiel für Politikverdrossenheit oder für die Haltung „man kann ja doch nichts ändern“?.

 

Es muss auch anders gehen. Zukünftig sollte sich Bochum an dem landesweiten Projekt „Kommunaler Bürgerhaushalt“ beteiligen. Herzstück dieses Projektes ist die Bürgerbeteiligung am Haushalt mit Fragen wie:

 

                    Woher bekommen wir Geld?

                    Wofür geben wir es aus?

                    Wie ist die finanzielle Lage?

                    Welche Handlungsmöglichkeiten bestehen überhaupt?

 

Ich hoffe, dass der neue Kämmerer hier tätig wird im Sinne einer weiteren Demokratisierung und Bürgerbeteiligung. Castrop-Rauxel und Hamm haben sich der Aktion „Kommunaler Bürgerhaushalt“ schon angeschlossen.

Weitere Anleihen zu diesem Thema könnten und sollten unbedingt auch bei dem Weltwirtschaftsforum, z. B. an dem Bürgerhaushalt der brasilianischen Stadt Porto Allegre, genommen werden.

 

Zur Demokratisierung der städtischen Finanzen gehört auch, die Ausstattung der Bezirke mit finanziellen Mittel zu verbessern und deren Mitwirkungsmöglichkeiten an der Aufstellung des Haushaltes zu vergrößern.

 

Fünftens. Wir lehnen die Ausrichtung von großen Teilen des Bochumer Haushaltes und der Stadtpolitik nach den Bedürfnissen von „Investoren“ ab.

Ziel ist es, nach offizieller Darstellung hierbei „Metropolqualitäten, Internationales Flair, urbane Dichte und Vielfalt“ (Handlungskonzept Bochum 2015) zu schaffen. In einer Vorlage der Verwaltung unter dem blasierten Titel: „Die Ruhr-Universität als Burg über dem Lottental – Landschaftskonzept“ vom März diesen Jahres heißt es wörtlich:

„Zu einem tragfähigen Zukunftsstandort gehört die Schaffung eines höchst attraktiven Umfeldes. Nur so wird es gelingen, die besten Köpfe an den Standort Ruhr zu holen und zu binden.“

 

Ihren Part findet diese Ausrichtung der Politik dann in der Konzeption das Ruhrgebiet soll das New York Europas werden, wie es eine große Sonntagszeitung schrieb. Oder wie es Ministerpräsident Peer Steinbrück ausdrückt und fordert, „Rhein-Ruhr-City“ zu schaffen. (Welt am Sonntag 20.

März 2005)

 

Was schlagen wir als Alternativen vor?

 

Bochum braucht ein längerfristiges Beschäftigungs- und Investitionsprogramm

mit den Kernpunkten Verkehr und Infrastruktur, Energie und Stadtentwicklung.

Über die Stadtwerke hat Bochum z. B. direkte Möglichkeiten, in Richtung ölunabhängiger Energieträger Entwicklungen voranzutreiben und Alternativen zu entwickeln. Stichwort Ausbau der Fernwärme, Nutzung der Erdwärme, weiterer Ausbau der eigenen Stromerzeugung.

 

 

Im Bereich Verkehr muss es um eine Abkehr von der Politik der „Autogerechten Stadt“ gehen. Wir lehnen die Planungen für den Ausbau der A 40 und der A 433 ab. Stattdessen soll der schnelle Ausbau der Stadtbahn 310 in Langendreer

vorangetrieben werden. Auch eine Weiterführung der 310 von Wattenscheid

bis Essen wäre ein überaus sinnvolles Projekt. Selbst eine Eingliederung der neuen Ruhrtalbahn in den öffentlichen Nahverkehr mit einer Verbindung von Dahlhausen nach Hagen würde sich als sinnvoll erweisen.

 

In diesem Zusammenhang stehen auch Maßnahmen im Zusammenhang mit der LKW-Belastung in Goldhamme und der Feinstaubproblematik an.

 

Im Bereich Stadtentwicklung muss der Schwerpunkt auf Erhalt gelegt werden. Die Abrisspolitik der letzten Jahre muss beendet werden. In diesem Zusammenhang müssen zukünftig Mittel bereitgestellt und Konzepte erstellt werden, damit sowohl die V + W Akademie als auch die Marienkirche erhalten und öffentlich genutzt werden können. Evtl. lässt sich hier ein Bürgerhaus schaffen, in der Weimarer Republik nannte man so etwas Volkshaus.

 

Bochum braucht einen Subventionsbericht. Förderungen, Beihilfen, Tarifrabatte und andere Leistungen dürfen nur noch unter Arbeitsplatzauflagen vergeben werden, sind zu kontrollieren und jährlich darzustellen.

 

Bochum braucht eine Verbesserung seiner Einnahmesituation.

Hierbei müssen auch die städtischen Töchter stärker herangezogen werden.

Wer sich, wie die Stadtwerke, einen Protzbau am Ostring leisten kann, kann auch stärker zu Leistungen für den kommunalen Haushalt beitragen.

 

Im Zusammenhang mit Opel habe ich schon von einer zu schaffenden  Beschäftigungsgesellschaft gesprochen, die auf dem Gebiet von alternativen Antrieben und Fortbewegungsmitteln tätig werden soll. Ein Beispiel hierfür liefert auch die aktuelle Diskussion um Feinstaub. Allein die Umrüstung der kommunalen Fahrzeuge, etwa auf ölunabhängige Fahrzeuge wäre eine echte Zukunftsaufgabe und Pionierleistung. Denn es soll nicht der Übergang in die Arbeitslosigkeit finanziert werden, sondern Zukunftsaufgaben.

Aufgaben, um die sich „der Markt“ jetzt noch nicht kümmert.

 

Der Politik für einen möglichst attraktiven Standort nach kapitalistischen Gesichtspunkten wollen wir die Konzeption einer solidarischen Stadt Bochum entgegen setzen. Eine Stadt, die für alle da ist. In der Jeder leben kann, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Einkommen und politischer und religiöser Einstellung.

 

Deshalb lehnen wir Ein-Euro-Jobs, wie sie jetzt auch die Stadt Bochum schafft, ab. Stattdessen soll mit dem Beschäftigungs- und Investitionsprogramm und der Beschäftigungsgesellschaft Arbeit auf vielen sinnvollen Gebieten geschaffen werden.

 

In Bochum soll Jeder und Jede am kulturellen und gesellschaftlichen Leben

teil haben können. Deshalb soll der Bochum- Pass erweitert werden, gilt es für ein Sozialticket im VRR zu erkämpfen.

 

In Bochum darf keiner durch Hartz IV ins soziale Nichts abstürzen. Deshalb muss eine kommunale Beratungs- und Hilfsstelle geschaffen werden, die auch unbürokratisch Hilfe leisten kann. Keiner darf aus seiner Wohnung vertrieben werden. Umzüge sollen nur im gegenseitigen Einvernehmen durchgeführt werden.

 

Ich komme zum Schluss.

 

Am 8. Mai jährt sich die Befreiung Deutschland von Faschismus und Krieg zum 60. mal. Viele Probleme, auch der Kommunen ließen sich durch eine konsequente Abrüstungspolitik verwirklichen. Allein bis zum Jahr 2010 will die Bundesregierung für 45 Milliarden Euro neue Waffensysteme ausgeben.

Setzen wir uns gemeinsam für Frieden, Völkerverständigung und Abrüstung ein. Es ist auch zum Wohle der Stadt Bochum und ihres kommunalen Haushaltes.