Presseerklärung von Mieterverein und attac Bochum

Bürgerbegehren gegen Cross-Border-Leasing:
Ratssitzung am Sonntag


Der Bochumer Stadtrat wird auf einer Sondersitzung am Sonntag, den 9. März,
um 18 Uhr über das geplante Cross-Border-Leasing Geschäft mit dem Kanalnetz
der Stadt entscheiden. Bis dahin soll die Verwaltung die von den Initiatoren
des Bürgerbegehrens eingereichten 15.280 Unterschriften geprüft haben.
Hintergrund der großen Eile: Am 10. März soll Stadtkämmerin Ottilie Scholz
den Vertrag in den USA unterschreiben. Der Investor wolle sich, so sagte
Scholz auf der regulären Ratssitzung am 27. Februar, nicht länger hinhalten
lassen.

Inzwischen gibt es Indizien dafür, dass sich der hohe Aufwand (zusätzliches
Personal, Nacht- und Wochenendschichten bei der Stadtverwaltung), zu dem
sich OB Ernst-Otto-Stüber unter dem Druck der Politiker überreden ließ, als
Verschwendung von Steuergeld entpuppen könnte. Denn nach Informationen der
Süddeutschen Zeitung sind SPD und Grüne, die im Bochumer Stadtrat die
Mehrheit stellen, entschlossen, das Geschäft auch bei einem Erfolg des
Bürgerbegehrens durchzuziehen.

SPD-Geschäftsführer Axel Flügge und Grünen-Geschäftsführer Theo Brackmann
gaben gegenüber der SZ (NRW-Ausgabe von heute) an, ihre Fraktionen würden am
Sonntag erneut für das Geschäft stimmen. Brackmann wird zusätzlich mit der
Aussage zitiert, "wenn den Kritikern das Vorgehen nicht passe, könnten sie
einen Bürgerentscheid anstreben "mit einem Millionenrisiko für die Stadt"".
Auch die CDU habe Zustimmung signalisiert.

Dazu stellt Aichard Hoffmann, Sprecher des Mietervereins Bochum, der das
Bürgerbegehren unterstützt hat, fest:
"Offensichtlich spricht Herr Brackmann in Unkenntnis der Rechtslage. Nicht
die Initiatoren des Bürgerbegehrens haben den Schwarzen Peter und müssen
entscheiden, ob sie einen Bürgerentscheid anstreben oder nicht. Der Rat
selbst muss den Bürgerentscheid einleiten, wenn er ein Bürgerbegehren als
zulässig und erfolgreich einstuft, ihm aber nicht folgt. So steht es
eindeutig in § 26 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalens. Die Entscheidung
über das Millionenrisiko liegt also nicht bei den Initiatoren des
Bürgerbegehrens, sondern beim Stadtrat."

Anders als ein Bürgerbegehren, bei dem die Initiatoren drei Monate Zeit
haben, die erforderliche Anzahl an Unterschriften zu sammeln (in Bochum:
11.989), ist der Bürgerentscheid eine Urabstimmung an einem bestimmten
Stichtag. Dabei muss eine Mehrheit für den vorgelegten Abstimmungstext sein
und außerdem ein Quorum von 20 % der Wahlberechtigte erreicht werden; in
Bochum wären das knapp 60.000. Dazu werden - wie bei einer Kommunalwahl -
zwischen 10 und 18 Uhr die Wahllokale geöffnet. Allerdings schreibt die
städtische Satzung keine Wahlbenachrichtigungen und keine Briefwahl vor. Die
entsprechende Passage in der Gemeindeordnung des Landes NRW lautet wörtlich:
"Entspricht der Rat dem zulässigen Bürgerbegehren nicht, so ist innerhalb
von drei Monaten ein Bürgerentscheid durchzuführen. Entspricht der Rat dem
Bürgerbegehren, so unterbleibt der Bürgerentscheid."

Der Bürgerentscheid ist also zwingend, wenn der Rat sich - wozu er
berechtigt ist - über das Bürgerbegehren hinwegsetzt. Richtig ist auch, dass
das Bürgerbegehren, auch wenn sein Erfolg amtlich festgestellt ist, keine
aufschiebende Wirkung hat. Erst bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid wäre
der angefochtene Ratsbeschluss aufgehoben. Rechtlich ist die Kämmerin also
nicht gehindert, den Vertrag am 10. März zu unterschreiben.

Für Ralf Bindel von attac-Bochum steht aber ohnehin fest, dass die
Initiatoren des Bürgerbegehrens das CBL-Geschäft nicht juristisch, sondern
politisch verhindern wollen: "Unabhängig davon, was man über
Cross-Border-Leasing denkt, geht es jetzt auch um das Demokratieverständnis
des Bochumer Rates. Es wäre eine krasse Missachtung des Bürgerwillens, wenn
der Vertrag unterschrieben würde, bevor der Bürgerentscheid Klarheit
gebracht hat. Da würde dann nicht nur über Kanal-Leasing, sondern über
Demokratie in Bochum abgestimmt. Wir fordern alle Demokraten auf, am Sonntag
zur Ratssitzung zu kommen und sich das Schauspiel anzusehen."

Bei einer Unterschrift unter den CBL-Vertrag vor dem Bürgerentscheid
entstünde eine bundesweit einmalige Situation: Hebt der Entscheid den
Ratsbeschluss vom 21. November 2002 auf, müsste der gerade erst
unterschriebene Vertrag wieder gekündigt werden. Dann wäre eine
Vertragsstrafe in Höhe des gesamten Transaktions-Volumens fällig - 450 Mio.
€. Darauf hatte F.D.P.-Ratsherr Forth auf der letzten Ratssitzung
hingewiesen. Beim bisher einzigen CBL-Bürgerentscheid im bayrischen Kulmbach
war der Vertrag noch nicht unterschrieben.

Bisher sind die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens nicht zu der
Ratssitzung am Sonntag eingeladen worden. Dort haben sie nach der
Gemeindeordnung Rederecht. Sie werden aber da sein und ihr Rederecht in
jedem Falle einfordern.