strange emily Es ist sehr selten, dass in Strafprozessen sich Staatsanwalt und Richter darin zu übertrumpfen versuchen, wer nun besser formuliert, dass der Angeklagte eigentlich ein ehrenwerter Mensch ist. So geschehen im Emily-Prozess am 17.05.04 vor dem Amtsgericht in Bochum. Zur Anklage stand die Veröffentlichung eines Plakates, das zum Widerstand gegen einen Nazi-Aufmarsch aufrief. Richter und Staatsanwalt wollten unbedingt eine Verurteilung. Es ging schließlich darum, einer bestimmten Szene endlich mal die gelbe Karte zu zeigen. Die Veröffentlichung des Emily-Plakates sei ein Aufruf des Angeklagten zur gefährlichen Körperverletzung und dazu, mit Waffen eine Kundgebung zu verhindern, hatte der Staatsanwalt in seiner Anklage formuliert. In seinem Schlussplädoyer ließ er diese Vorwürfe fallen und argumentierte nur noch, dass der Angeklagte mit der Veröffentlichung des Plakates die Kundgebung der Nazis stören wollte. Die sei schließlich legal gewesen. Widerstand sei illegal. Ein solcher Trend in der Rechtsprechung soll offensichtlich jeden Widerstand gegen Nazi-Aufmärsche noch stärker kriminalisieren als bisher: Den Nazis die Straße, den Antifas die Strafe! Der Richter, der sich offensichtlich durch die Anklageschrift hatte beeindrucken lassen und das Verfahren eröffnet hatte, merkte relativ schnell, dass es ziemlich rechtsbeugend sei, den Angeklagten ernsthaft zu verurteilen. Er bot eine Einstellung des Verfahrens gegen bestimmte Auflagen an. Eine Einstellung auf Staatskosten wollte er aber nicht, weil er dann eingestanden hätte, dass er auf eine völlig überzogene Anklageschrift der Staatsanwaltschaft reingefallen ist. Er verwarnte schließlich den Angeklagten. Die Verwarnung ist aber eigentlich eine Sanktion, die nur gegen Angeklagte ausgesprochen wird, die einsichtig sind und kein Einkommen haben. Der Angeklagte hat aber die Anklage als Kriminalisierung der Antifa-Szene, als lächerlich, als staatlich organisierten Rufmord gegen sich bezeichnet. Der Richter selber äußerte die Vermutung, dass der Angeklagte immer wieder so handeln würde, wie in dem Fall, der zur Anklage stand. Mit der ausgesprochenen Verwarnung wäre das Urteil für den Angeklagten aber preisgünstiger geworden, als die Einstellung mit Auflagen, die der Richter angeboten hatte. Der Angeklagte hatte auf Freispruch bestanden. Also fühlte der Richter sich genötigt noch ein Bußgeld - 1000 Euro an den Tierschutzverein -aufzubrummen, damit diese Widerspenstigkeit nicht belohnt wird. Der Angeklagte hat angekündigt, dass er ein weiteres Gericht darum bemühen wird, einen Freispruch gegen den Staatsanwalt zu verhängen. BSZ vom vom 19.5.04 Emily-Prozess endet mit Verwarnung bo-alternativ vor Gericht Geldstrafe auf Bewährung. So lautet der am 17. Mai verkündete Urteilsspruch gegen den Betreiber der Internetseite boalternativ. de nach einem denkwürdigen Strafprozess. Wie bereits mehrfach in der bsz berichtet, zogen die Proteste gegen den Naziaufmarsch am 22. Februar vergangenen Jahres ein skurriles Verfahren vor dem Bochumer Amtsgericht nach sich. Aufruf zur Verhinderung einer angemeldeten Versammlung (der Naziaufmarsch) und schwerer Aufruf zur Gewalt (das verwendete Bild soll dazu aufgerufen haben, bewaffnet zur Demonstration gegen den Naziaufmarsch zu erscheinen) – so sah es, anfangs zumindest, die Staatsanwaltschaft und entschloss sich Mitte letzten Jahres, jemanden zur Verantwortung zu ziehen. Journalismus kann strafbar sein Dabei ist der Sachverhalt auf den ersten Blick sehr harmlos: Gegenstand des Ärgernisses war ein Plakat, das vom Betreiber der Seite noch nicht mal erstellt, sondern nur veröffentlicht wurde. Der in solchen Fällen häufi g benutzte Spruch „Naziaufmarsch verhindern“ stand dort in Verbindung mit dem Hinweis auf eine angemeldete Gegendemo, kombiniert mit dem Bild einer Comicfi gur. Nun hat diese Figur, Emily, ein schelmisch blickendes, 13jähriges Mädchen, eine gespannte Zwille in der Hand. Dies reichte für die Staatsanwaltschaft, um den oben genannten Gewaltaufruf mit all seinen Begleiterscheinungen zu konstruieren. Wahrscheinlich fühlte sich der Staatsanwalt an seine aktive Zeit im Marxistischen Studentenbund Spartakus an der RUB in den 80ern erinnert, als auch an der RUB alle mit Zwillen bewaffnet waren. Ehrenwerte Absichten vor Gericht Der Druck, den viele Organisationen mit Protestnoten und Solidaritätsbekundungen mit boalternativ. de erzeugten, zeigte beim Staatsanwalt Wirkung. Nervös und deutlich bemüht hielt er sein Schlussplädoyer, verwickelte sich dabei aber in zahlreiche Widersprüche. Fast vollständig wurden die Vorwürfe hier zurückgenommen, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Anklage. Fast zu Tränen gerührt konnten die ZuschauerInnen und die Anklageseite die Bemühungen der Staatsanwaltschaft verfolgen, dieses völlig überflüssige Verfahren zur rechtfertigen. Die ehrenwerten Absichten des Angeklagten wurden ebenso gewürdigt wie seine Integrität als Person und Aktivist des Friedensplenums, die belegen, wie weit er von Gewalttaten oder dem Aufruf dazu entfernt sei. Auch die Notwendigkeit, gegen Naziaufmärsche zu protestieren, wurde als richtig und wichtig eingeräumt. Aber die Veröffentlichung des Plakats, dies ginge nun wirklich zu weit. Justicias Humorlosigkeit In seiner sehr langen Schlusseinlassung betonte der Angeklagte nochmals die politische Dimension des Prozesses, wobei er immer wieder auf den satirischen Gehalt des ganzen Verfahrens hinwies. Der zuständige Richter zeigte sich in diesem Punkt leider extrem humorlos, nahm die Anklage der Staatsanwaltschaft doch sehr wörtlich und verhängte eine Geldstrafe auf Bewährung sowie eine Geldbuße. Der Richter deutete in seiner Begründung an, vor sich einen Unbelehrbaren zu haben, der wieder versuchen werde, politisch aktiv zu sein. So kommt das Urteil auch einem Maulkorb gleich, da durch dieses Verfahren wieder deutlich wurde, dass dem Staat kein Anlass zu gering ist, um mal wieder kräftig die Muskeln spielen zu lassen. Fortsetzung folgt in der nächsten Instanz, wir dürfen also gespannt bleiben. eas Ruhr Nachrichten Bochum, 18.5.04 Gericht verurteilt Friedens-Aktivist Für das Gericht gab es am Ende keine Zweifel mehr. Martin Budich, Bochumer Friedens-Aktivist, hat im Februar 2003 ein Plakat veröffentlicht, das als Aufruf zur Gewalt verstanden werden kann. Zu hoch wollte Amtsrichter Pattard die Angelegenheit aber nicht hängen. Auch, weil die Aktionen von Martin Budich überwiegend billigenswert und keinesfalls verwerflich seien. Das Urteil war dann auch so eine Art Friedensangebot. Der Angeklagte wurde zu 1750 Euro Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. Als Bewährungsauflage wurde allerdings die Zahlung von 1000 Euro an den Tierschutzverein festgesetzt. Budich selbst hatte einen Freispruch gefordert und seine Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft erneuert. Der Strafprozess, so glaubt er, sei nur geführt worden, um ihn zu kriminalisieren. Am ersten Verhandlungstag hatte der nun Verurteilte sogar von "staatlich organisiertem Rufmord" gesprochen. In der Sache ging es um ein Plakat, das eine Comicfigur mit Zwille zeigt. Darüber stand: "Naziaufmarsch verhindern". Für Staatsanwalt Christian Petlalski hat Budich damit über das Ziel hinausgeschossen. "Die gesetzlichen Vorschriften müssen gleich bleiben " egal ob es gegen linke oder rechte Demonstranten geht", sagte der Ankläger. Schließlich sei es auch nicht hinzunehmen, wenn Rechtsradikale eine angemeldete Demonstration linker Gruppierungen sprengen wollten und dazu ein Plakat mit ähnlicher Aufschrift und einem baseballschwingenden Skin veröffentlichen würden. Martin Budich wurde außerdem verurteilt, weil er seine Anklageschrift schon vor dem Prozess ins Internet gestellt hatte. Das ist nämlich auch verboten. jh WAZ Bochum, 18.5.05 "Aufforderung zu Straftaten" Der Betreiber (53) der Internet-Seite "Bo-alternativ.de" hat sich nach Überzeugung des Bochumer Amtsgerichts wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten schuldig gemacht. Zudem hielt ihn der Richter für schuldig, weil er bereits vor dem Prozess die Anklage veröffentlicht hatte ; das ist verboten. Das Gericht sprach eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aus, eine Art Geldstrafe auf Bewährung. Heißt: Falls sich der Angeklagte bis 2006 nicht straffrei führe, müsste er wohl 1750 E (35 Tagessätze zu je 50 E) zahlen. Zusätzlich legte ihm das Gericht auf, 1000 E an den Tierschutzverein zu zahlen. Wie berichtet, hatte der Staatsanwalt dem in der alternativen Szene sehr aktiven Mann vorgeworfen, im Februar ´03 im Vorfeld einer genehmigten Demo Rechtsradikaler ein Plakat veröffentlicht zu haben, das zu Straftaten aufrufe. Es zeigte mit dem Schriftzug "Nazi-Aufmarsch verhindern" eine mädchenhafte Comic-Figur, die mit einer gespannten Zwille in unbekannte Richtung zielt. Der Staatsanwalt räumt ein, dass der Angeklagte nicht direkt zu Gewalt habe aufrufen wollen. Wohl aber habe er es billigend in Kauf genommen, dass sich Dritte dazu animiert fühlen könnten. Der Angeklagte erklärte, dass er völlig friedfertig sei und mit dem Plakat niemals an Gewalt gedacht habe. Das habe die Staatsanwaltschaft auch gewusst - und ihn trotzdem "wider besseres Wissen" angeklagt. Das sei "politischer Rufmord und Kriminalisierung" und "bösartig". "Man hat gesucht, wo können wir ihm was anhängen." "Sie haben mich hammerhart öffentlich diffamiert." Er erwähnte auch, dass die Gegen-Demo friedlich war. Der 53-Jährige wollte Freispruch, der Staatsanwalt eine Geldstrafe von 1050 E (35 Tagessätze). Das Gericht folgte in der Bewertung der Sache aber dem Ankläger. Der 53-Jährige kündigte Berufung an. B.Ki. |