bochum links - Zeitung der DKP für Bochum, Nr. 27, Okt./Nov./Dez. 2000

Eine kurze Reise durch die Bochumer Rechte
Von Stiefelnazis und Nadelstreifenfaschisten

Seit einigen Monaten versammeln sich rund um den Bochumer Hauptbahnhof und im „Bermuda-Dreieck“ am Wochenende militante Neonazis (bochum links berichtete). Mehr oder weniger im klassischen Nazi-Skin-Outfit, marodieren sie in größeren Gruppen durch die Stadt.
Dabei pöbeln sie Leute an, deren Aussehen nicht in ihr faschistisches Weltbild paßt, jagen Menschen mit Migrationshintergrund durch die Stadt und grölen besoffen rechte Parolen und Nazi-Lieder. In etwa auf gleichem Niveau und mit ähnlicher krimineller Energie gestalten sich die Aktivitäten der Nationaldemokratischen Partei Deutschland (NPD), die ihre NRW-Landeszentrale in Wattenscheid unterhält. Von dort aus koordinieren die Nazis vor allem Aufmärsche, bei denen ihre meist schon auf der Hinfahrt alkoholisierte Anhängerschaft im Stechschritt als "nationaler Widerstand" den häßlichen Deutschen demonstriert. Mitmarschieren dürfen in der Regel auch die "freien Kameradschaften", die sich mehr oder weniger im Untergrund organisieren, und derer es im Einzugsbereich Bochums zwei gibt: Die "Kameradschaft Ruhrgebiet", die bundesweit auf keiner größeren Nazi-Demo fehlt, und die "Kameradschaft Dortmund/Witten". Zum NPD-Aufmarsch in Essen am 6. Mai fuhren allein vom hiesigen Hauptbahnhof ca. 80 Rechtsextremisten unter dem Kommando der beiden Bochumer Promifaschos Wolfgang Henning (stellvertretender NPD-Landesvorsitzender) und Karsten Römhild.

Rechte an der Uni

Aber die extreme Rechte besteht nicht nur aus den dumpfen Schlägern und den Stiefelnazi-Aufmarschierern. Rechtsextremes Gedankengut wird ebenfalls an der Hochschule kultiviert und in Politik umgesetzt. Auch wenn an der Alma mater bereits vereinzelte Stiefelnazis gesichtet wurden und in der Studikneipe "die Vorlesung" ein bekennendes NPD-Mitglied Bier ausgibt, fallen hier als Bindeglied zur extremen Rechten eher die studentischen Korporationen ins Auge.

Derzeit gibt es rund 1 000 studentische Korporationen bundesweit, die fast alle in sogenannten Dachverbänden organisiert sind. Die wohl berüchtigtsten sind die Deutsche Burschenschaft (DB), der Coburger Convent (CC) sowie der Kösener Senioren Conventsverband (KSCV). Alle drei Verbände schreiben das Tragen der Verbindungsfarben vor, CC und KSCV sind pflichtschlagend, bei der Deutschen Burschenschaft wird das Schlagen der Mensur fakultativ gehandhabt. Die DB mit ihrer Plattform, der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG), ist nach dem katholischen CV der zweitgrößte Dachverband der studentischen Verbindungen und bildet unter den ca. 55 heute existenten Dachverbänden den äußerst rechten Rand.

Nachweise für Rechtsextremismus – nicht als Einzelfall, sondern als politisches Programm – finden sich in Publikationen insbesondere der DB zahlreiche. Und im Haus einer Hamburger Burschenschaft wurde beispielsweise die mittlerweile verbotene Freiheitliche Arbeiterpartei (FAP) gegründet. Gegen die österreichische Olympia-Wien ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen nachweislicher Kontakte zu Südtirol-Terroristen im Rahmen einiger Anschläge. Derartige Vorfälle finden sich allerdings nicht nur in der DB. So solidarisierte sich z.B. vor einigen Jahren ein Sprecher des Coburger Convents beim alljährlichen Pfingsttreffen mit den Verbrechern des Brandanschlags von Solingen. Als Vertreter der Neuen Rechten finden sich in den studentischen Verbindungen so illustre Personen wie Jörg Haider (Silvania-Wien/Albia Bad-Ischl) und die gesamte Führungsetage der FPÖ, Rolf Schlierer (Germania Gießen), ehemaliger Pressesprecher und Landesgeschäftsführer der DB sowie Bundes- und Fraktionsvorsitzender der Republikaner, Lothar Fink (Corps Saxonia Leipzig zu Augsburg), ehemaliger OB-Kandidat für Coburg und Rechtsanwalt der Republikaner, André Goertz (Germania Hamburg), Mitbegründer der FAP u.a. Die Nachweise für die Verstrickungen der Korporationen mit der extremen Rechten lassen sich beliebig verlängern.

Auch die in Bochum ansässigen Korporationen sind zum Großteil nicht ohne, obwohl ihre Nachwuchsrekrutierungsversuche derzeit noch nicht von dem erhofften Erfolg gekrönt sind. Neben den beiden konfessionellen Studentenverbindungen AV Silesia und Saxo Thuringia, beide im Cartellverband katholischer deutscher Studentenverbindungen, farbentragend und nichtschlagend, gibt es noch drei härter gesottene Korporationen. Die Ubia Brunsviga (Coburger Convent, schlagend, farbentragend), die Prager Burschenschaft Arminia (Deutsche Burschenschaft, schlagend, farbentragend) und das Corps Neoborussia Berlin zu Bochum (Kösener Seniorenconventsverband, Marburger Kreis, schlagend, farbentragend). Außer einem agressiven Auftreten, überkommenen Traditionalismen und einem reaktionärem Weltbild scheint diese Fraktion in den letzten Jahren programmatisch und populistisch von der sogenannten Neuen Rechten gelernt zu haben, was insbesondere an der Aufmachung aktuellerer Publikationen und Veranstaltungen erkennbar wird.

Die neue Rechte

Die Strukturen der Neuen Rechten reichen von parteipolitischen Organisationen wie den Jungen Nationaldemokraten, über möchtegern-intellektuelle Zeitungsprojekte wie "Mut" und "Junge Freiheit", bis weit in den akademischen Wissenschaftsbetrieb. Der Neuen Rechten geht es im Gegensatz zur alten Rechten, wie zum Beispiel der DVU, nicht um ein Leugnen oder Verherrlichen der Greueltaten des Hitlerfaschismus. Vielmehr beruht ihr Politikkonzept darauf, völkischem, rassistischem, nationalistischem, patriarchalem und antidemokratischem Gedankengut eine scheinbar wissenschaftliche Rechtfertigung zu verschaffen. Erklärtes Ziel ist es, mittels dieses "intellektuellen" und "wissenschaftlichen" Anstrichs die – wie es heißt – "kulturelle Hegemonie" zu erringen, indem "auf die Ideen, die Sitten, die Denkweise, den Bedeutungsinhalt der Werte, die Künste und die Erziehung" eingewirkt wird.

Eine ganz andere Kategorie der "ewig Gestrigen" bilden die Vertriebenenverbände. Als deutschtümelnde Heimatverbundene treiben sie mit ihren weitreichenden Kontakten ins rechte Lager und ihrem revisionistischen Auftreten ihr deutsches Unwesen, an dem die Welt seinerzeit genesen sollte. Sie sind auch in Bochum vertreten, beispielsweise durch den sogenannten Reichsbund am Rathaus, und werden von Korporationen immer wieder gerne angesprochen, wenn es darum geht, über die Strategien der Heimatvertriebenen zu referieren.

Der Kult um die Rechten

Ein äußert bedrohliches Phänomen ist der Zuwachs an braunen Gesinnungstätern durch eine jugendliche, diffus rechts orientierte Subkultur. Wenn man durch Bochum schlendert, fällt auf, daß beinahe an allen öffentlichen Orten immer mehr "Baby-Faschos", darunter etliche Frauen, durch ihre Kleidung (z.B. Marken wie Pittbull oder Lonsdale), ihre Frisuren, ihren Musikstil oder Aufnäher, Tätowierungen und Kettenanhänger, ihre Zugehörigkeit zur rechten Szene demonstrieren. Vorwiegend ist ihnen gemeinsam, daß sie nicht zu den organisierten Polit-Kadern, Parteigängern und Aktivisten gehören. Sie sind sind vielfach im Rahmen ihrer Lieblingsfreizeitbeschäftigung rekrutiert worden, – über die rechte Musikszene. Deren Kapellen, man denke an Bands wie Rammstein oder die Bösen Onkels, werden mittlerweile als "mainstream" bei fast allen Musiksendern vermarktet. Es gibt mittlerweile zahlreiche Nazi-Label und auch die Gabbermusik, eine Spielart des Hardcore-Technos, erfreut sich großer Beliebtheit. So finden in Bochum des öfteren Gabber-Konzerte statt, was jedesmal mit einem mittelprächtigen Fascho-Auflauf am Hauptbahnhof endet. Aber auch die Entwicklung im Dark-Wave- und Heavy Metal-Bereich ist mittlerweile deutlich von rechts beeinflußt. In Bochum geplante Konzerte der Nazi-Bands "Fortcoming Fire" und "Death in June" beispielsweise konnten in jüngerer Vergangenheit zwar verhindert werden. Das Konzert der eindeutig verorteten Band "Weißglut" im Blackout fand jedoch statt.

Keinen Fußbreit!

Die akute Präsenz der Nazis im Stadtbild, die vielfältigen "Freizeitaktivitäten", die sich vermehrt in Bochum abspielen und die zahlreichen Überfälle, zeigen eindeutig, wie dreist sich die Nazis mittlerweile bewegen, wie sehr sie sich in Sicherheit wiegen und wie wenig sie Einmischung fürchten müssen.

Uni–Antifa