Azzoncao: Bericht und Einschätzung der Demo vom 17.3.2007 in Bochum




"Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder keine Frage"
Wäre wohl eine schöne Abschlußparole der antifaschistischen
Demonstration am 17. März 2007 gegen den Nazifashion-Laden "Goaliat!"
in Bochum gewesen. - Wäre uns die da mal eingefallen.
Naja. Es war so schön, daß wir auch ohne dies Parölchen wieder
auflaufen werden.
400 bis 500 Leute demonstrierten an diesem Samstag durch die Bochumer
Innenstadt und den angrenzenden Stadtteil Ehrenfeld. Trotz mäßigen
Wetters waren viele Leute aus Bochum und den angrenzenden Städten
erschienen. Organisierte Antifagruppen, VertreterInnen diverser linker
Gruppierungen, Einzelpersonen, BürgerInnen. Aber auch Vertreter der
SPD und PDS/WASG.

Waren es in der City noch gut 400 Personen, schlossen sich im
Stadtteil selber noch ca 100 Menschen aus dem Viertel an. Jugendliche
MigrantInnen, AnwohnerInnen, Nachbarn und Neugierige. Eine Demo als
Protestform schien ihnen wohl zu fremd, neu oder generell nicht ihr
"Ding" zu sein. Als es aber zum Laden ging, waren sie dabei. Viele
StadtteilbewohnerInnen schauten aus den Fenstern und lauschten den
Redebeiträgen, die auf der Oskar-Hoffmann-Str. und der Alten Hattinger
Str. gehalten wurden. Gut informiert waren sie ehedem schon. Nicht nur
im letzten Jahr verteilten Leute von "Azzoncao" dort schon 3000
Flugblätter als der Laden "Goaliat!" aufmachte. Auch eine Woche vor
der Demo wurden ca 1500 Flugblätter entlang der Demoroute verteilt und
Geschäfte hingen das Demoplakat in ihren Räumen oder in den
Frontscheiben auf.

An dem Laden selbst konnte die Demonstration nicht vorbeiziehen. Aus
Sicherheitsbedenken, wie die Polizei angab.
Dazu später etwas mehr.

Einschätzung
Wir sehen es als Erfolg an, dass fast 500 Leute zu der Demo gekommen
sind. Es war Zeit nach all den Recherchen, Flugblätter, Artikeln und
Veranstaltungen allen Menschen eine Form öffentlichen Protestes zu
bieten. Eine Form die jede/r wahrnehmen kann.
Wir sind gefragt worden, wie es dazu käme, dass zu diesem Anlass kaum
andere Organisationen aufgerufen hätten. Die Antwort ist leicht. Das
Bochumer Polit-Cafè "Azzoncao" war die erste Gruppe die zu diesem
Laden recherchierte, informierte, eine Veranstaltung machte, die
Schulen und die Norwegische Regierung anschrieb, etcp.p... Auf das
Anliegen dieser Gruppe und einiger NachbarInnen eine Demonstration
gegen den Laden zu machen, ging der Initiativkreis und die dort
anwesenden Gewerkschaften und Parteien nicht ein. So kam es
unabhängig, "autonom" könnte man fast sagen, zu dem Entschluß eine
Demo zu machen. Die Zeit war reif dazu. Im Februar schon erschien die
Ankündigung zur Demo auf einer Bochumer Internetside. Darauf meldeten
sich keine Gruppen. (Ganz im Gegenteil zu den zahlreichen Angeboten
von NachbarInnen und Einzelpersonen. Da gab es eine Menge
Unterstützung.) Da die OrganisatorInnen Wert darauf legten, dass sich
alle angesprochen fühlten, wurde das Flugblatt und das Plakat ohne
Gruppenbezüge veröffentlicht. Es sollte eine Demo "von allen, für
alle" sein. Deswegen wurde auch dazu aufgefordert, Parteifahnen zu
Hause zu lassen und nur mit inhaltlichen Transparenten, etc. zu
erscheinen.

Wir finden dies Konzept ist super aufgegangen. Die Leute sind
zahlreich gekommen. Viele schienen mit dem Ablauf der Demo zufrieden
zu sein. Nachbarn bedankten sich noch mal für die Aktion. Die Leute
haben gezeigt, dass sie viele sind und dass sie entschlossen sind
diesen Laden und der braunen Ideologie das Licht auszublasen.. Was
will man mehr?

Es gibt in der antirassistischen Fußballszene den Slogan: "Dem Ball
ist es egal, wer ihn tritt." Wir denken, dass man diesen Slogan auf
die Situation gut ummünzen kann. Den Leute ist es unmittelbar egal,
wer zu einem antifaschistischen Protest aufruft. Die Hauptsache ist
ihnen, dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, ohne Vereinnahmung,
daran teilzuhaben.

Wir möchten uns hier noch mal herzlichen beim PA-Verleih, der
EA-Gruppe, den AnwältInnen, den OrdnerInnen, den
FlugblattverteilerInnen, den NachbarInnen und GeschäftsinhaberInnen
aus dem Stadtteil und diversen Einzelpersonen für ihre personelle,
finanzielle und ideelle Unterstützung bedanken.


Die Polizei - which side are you on?

Der Bochumer Polizei kann man anlässlich dieser Demonstration kein
gutes Zeugnis ausstellen.

1.Sie verteilte vor der Demonstration in der Nachbarschaft des
Ladens "Goliath" Flugblätter. Auf diesem Blatt sind vier Punkte
vermerkt. Allein drei davon sprechen von Regelverstößen,
gesetzlichen Grenzen und Friedlichkeit. Gleichzeitig wurde der
kleine Laden mit Absperrgittern zu beiden Seiten ca 100 Meter
abgesichert, als gelte es die "Bank von England" zu schützen.
Mit Sicherheit hat es die Polizei nur gut gemeint, steht doch
über dem Ganzen: "Ihre Polizei schützt Versammlungen und
Aufzüge." Das initiierte Szenario ließ aber leicht die
Assoziation aufkommen, als handele es sich bei der anstehenden
antifaschistischen Demonstration um den Ansturm gewaltbereiter
Horden.
Frage an die Polizei: Warum verteilen sie in der Nachbarschaft solcher
rechten Läden, die wie hier von Hooligans der Kategorie C betrieben
werden, nicht prophylaktisch Hilfetipps, Rechtsbelehrungen und
Warnungen vor Übergriffe seitens dieser Herrschaften? Sind diese Läden
mit ihrer Rundumpräsens von Rassismus, Gewaltverherrlichung und
faschistischer Ideologie ihnen das nicht wert? Ein antifaschistischer
Protest gegen ein solchen Laden schon?
2) Die Präsens von Polizeiwagen vor der Demonstration war unnötig.
Auch sie sollte wohl die Gefährlichkeit der DemonstrantInnen
symbolisieren. Das der Dokumentationswagen der Polizei so vor den
ersten Reihen fuhr, dass diese mit ihrem Fronttransparent schlecht
gesehen wurde, sorgte vor allem auf dem Massenbergboulevard für Unmut.
Leider bestätigte sich über einen Journalisten von Indymedia beim
Abschluß der Demonstration, was die ersten Reihen der Demonstration
die ganze Zeit der Polizei vorwarfen: Sie würde die DemonstrantInnen
abfilmen und biometrisch erfassen. Auf die Anfrage des Demoanmelders
wurde dieses Vorgehen durch die Polizei verneint. Was soll man zu
einem so provokanten und unwahrheitlichen Verhalten noch sagen?
3) Den Vogel schoß nun Frank Plevka in seiner Rolle als
Polizeisprecher ab. In dem von ihm signierten Pressebericht spricht er
von "Störungen", die aus der Versammlung heraus, erfolgt sein. Er
unterläßt zu erwähnen, dass es zu Tätlichkeiten gegenüber dem
Demonstrationsanmelder durch einen Nazi vor der Demo am Husemannplatz
kam. (Anzeige steht noch aus.) Von dem Vorgang hatte die Polizei
Kenntnis. Er verschweigt, dass das Auftauchen eines bekannten NPDlers
ebenso eine gezielte Provokation der Versammlung war, wie der
Hitlergruß einer Frau aus einem Fenster heraus. Hier soll es angeblich
zu Eierwürfen seitens der DemonstratInnen gekommen sein. Durch eine
Zeugin ist Anzeige gegen die Provokateurin gestellt worden.
Zur "Rauchbombe". Die "Rauchbombe" wurde auf der Oskar-Hoffmann-Str.
gezündet, als die Demo noch nicht einmal um den Häuserblock gebogen
war. Wer hat diese "Rauchbombe" gezündet, Herr Plevka? Waren es die
Hooligans des Ladeninhabers Herrn Kellerhoff, die in einer Kneipe an
der Demoroute saßen? Herr Plevka, Behauptungen kann man auch mit
Belegen versehen.

Bei so viel tendenziösen Verhalten kann man nur Fragen: "which side
are you on"?
Aber auch an alle MitdemonstrantInnen:
Bitte, bedenkt: Es sind PolizistInnen. Die denken anders. Ihr müsst
sie "getreu ihrer Eigenart" (Zitat: Kurt Kreissler) behandeln.
Fahrt einfach eure Programme runter, dann werden sie auch
geschmeidiger. Man muss nicht für jeden "trash" sein "Virenprogramm"
starten.
Heute ist nicht alle Tage. Wir kommen wieder keine Frage.

Autonome Antifa Witten
Autonome Antifa Castrop
"Azzoncao" -ein Polit-Cafè (Bochum)

Redebeitrag Oskar-Hoffman-Str.
Redebeitrag Alte Hattinger Str.
Redebeitrag Husemannplatz
Polizeibericht Bochum
Polizei-Flugblatt
Fotos der Demo auf Indymedia
Demo-Video