Die Diskussion um Rechtsextremismus und Rassismus bleibt unglaubwürdig,
solange sich Flüchtlings- und Ausländerpolitik nicht grundlegend ändert! Von Roland Appel Mittwoch, 16.8.2000 WDR-Nachrichten: NRW Innenminister Behrens will rechtsextemen Straftätern mit Entschiedenheit entgegentreten. Mit einem "Bündnis für Toleranz und Zivilcourage" will das Land Fremdenfeindlichkeit und Gewalt entgegentreten. Mittwoch, 16.8.2000 WDR-Regionalnachrichten: NRW Innenminister will den Landrat des Hochsauerlandkreises, Leikopp (CDU) anweisen, Kosovo-Flüchtlinge zurückzuschicken und auf jeden Fall abzuschieben. Zahlreiche Unternehmer hatten sich dafür eingesetzt, den dringend benötigten Arbeitskräften ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren. Pressemeldungen wie diese kennzeichnen ein Grunddilemma der aktuellen Politik: Zum einen sehen Demokraten der bürgerlichen Mitte ein, daß dringende Maßnahmen gegenüber Rechten und Rechtsextemisten geboten sind. Zum anderen befinden sie sich diskursiv in der babylonischen Gefangenschaft einer seit 10 Jahren praktizierten Abschreckungspolitik gegenüber Asylbewerbern und Einwanderern, die spätestens mit der Verstümmelung des Grundrechts auf Asyl 1994 vor den populistischen und durch keine objektiven Fakten begründeten Überfremdungsängsten von rechts geistig kapituliert hat. Die aktuelle Debatte um das Wiedererstarken der rechtsextremistischen Gewalt kommt im Sommerloch 2000 kommt spät, vielleicht zu spät und könnte bald wieder vergessen sein. Der gute Wille soll den bisher Beteiligten nicht abgesprochen werden. Das Programm des Innenministers von NRW weist viele richtige und konsequente Bausteine auf, die im Kampf gegen die rechte Gesinnung eine Rolle spielen können, und doch spricht aus der Vielzahl der Vorschläge etwas Hilflosigkeit und wenig Überzeugung, den richtigen Weg gefunden zu haben. Und dies hängt ursächlich mit der bechiebenen Widersprüchlichkeit von geredeter und tätiger Politik zusammen. Nehmen wir einen ganz normalen Fall der geltenden Rechtslage: Wie mag sich ein Innenminister fühlen, dessen Polizisten völlig im Einklang mit Recht und Gesetz ein Kirchenasyl räumen, Menschen zur Abschiebung festnehmen, wobei Skinheads, die von den Vorgängen erfahren haben, friedlich Spalier stehen, Beifall klatschen, "Zugabe" brüllen und die Aktion mit "La-Ola" Wellen begleiten? Wenig. Denn wenn niemand behindert wird, keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit unterstellt werden kann und keine rassistischen oder volksverhetzenden Parolen gebrüllt werden, ist wenig zu machen - der "Führer" der Skinheads hat vorher eine friedliche Demonstration ohne Waffen angekündigt, Ordner ausgewiesen, Abstände eingehalten und mit der Polizei rechtskonform kooperiert - so könnte dieses fiktive Horrorszenario real werden. Nicht ein zu liberales Demonstrationsrecht wäre für diese Situation verantwortlich, sondern letztendlich die geistige Verwandschaft des geltende Ausländer- und Asylrechts mit den Bestrebungen der Neonazis, Ausländer abzuschrecken. Das geltende bundesdeutsche Ausländer- und Asylrecht gibt in der Tendenz den Intentionen der rechten Extremisten nach und politisch recht. Und deshalb ist ein großer Teil der Anstrengungen, rechter Gesinnung Einhalt zu gebieten, vergebens, solange sich an diesen Gesetzen nichts ändert. Wie will ein Gemeinwesen, das jährlich entgegen der UN- Kinderkonvention hunderte von minderjährigen Flüchtlingen abschiebt, das sich selbst die rot/grüne Koalition in Berlin nicht dazu durchringen konnte, das menschenverachtende Flughafenverfahren im Asylrecht abzuschaffen, glaubwürdig gegen rechtsextremistische Gewalt vorgehen, wenn es selbst durch seine Gesetze Kinderflüchtlingen mit struktureller Gewalt entgegentritt? Das schlechte Gewissen der Politik ist begründet Es überrascht, daß trotz anhaltender Gewalttaten der rechtsextremen Szene, die seit Jahren auch in den Verfassungsschutzberichten verzeichnet werden, das Erwachen um den Real existierende Rassismus und Minderheitenhaß erst heute passiert. Spätestens seit dem Tode des Flüchtlings Amadeo Antonio, der im Sommer 1991 in Ostdeutschland auf offener Strasse erschlagen wurde, sind die Auswüchse der unheilvollen Polemik gegen Fremde auch aus dem Munde demokratischer Politiker bekannt. Den Anschlägen der rechtextremen Wirrköpfe sind verbale Anschläge der Politik vorausgegangen. Dem Anschlag in Hünxe am 3.10.91, bei der die kleine Zeinab Saado so schwer verletzt wurde, daß sie lebenslang gekennzeichet sein wird, ging eine Diskussion voraus, die an Geschmacklosigkeiten nicht zu überbieten ist. "Wenn es nach mir geht - weg mit dem Pack" so ein SPD-Ratherr im Gemeinderat, am 3.7.91, Unterschriftensammlungen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen folgten ebenso wie Ratsanträge von CDU "Aufnahmefähigkeit der Gemeinden erschöpft" (30.9.91) und der FDP (18.9.91) für eine härtere Abschiebepraxis. Auch damals, wie bei den folgenden Mordanschlägen von Rostock, Mölln, Solingen waren die Forderungen nach verstärkter Repression gegen rechtsextreme Gewalttäter schnell wohlfeil - ohne auch nur einen einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, ob nicht gerade die zynische Haltung der Politik gegenüber den Opfern genau das unterschwellige Signal an die Gewalttäter ist, daß sie mit ihren Methoden lediglich das zu vollziehen glauben, was andere möglicherweise stillschweigend tolerieren. Im Gegenteil, so verurteilte der damalige Bundesinnenminister Seiters am 28.8.92 mit keinem Wort die Täter von Rostock, beklagte lediglich, daß sie dem deutschen Ansehen in der Welt geschadet hätten und bekräftigte im gleichen Atemzug, daß man deshalb das Asylrecht endlich einschränken müsse. Unvergessen auch das Unwort Helmut Kohls vom "Beileidstourismus", im Zusammenhang mit Lichterketten und Solidaritätskundgebungen nach Solingen. Nicht der Rassismus der Nazis, der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft ist das Problem In Stil und Inhalt der Asyldebatte bis 1994 wurden Signale gesetzt, deren Auswirkungen bis heute nachwirken. Die bis zum damaligen Zeitpunkt gepflegte Polemik gegen Fremde und Minderheiten ging damals in dramatischer Weise in den Sprachgebrauch von Politikern der Parteien der "Mitte" ein. Schon damals wurde von den führenden Politikern mit wenigen Ausnahmen kein Signal gesetzt, das sich eindeutig von den rechten fremdenfeindlichen Denkkategorien absetzte, indem es ihnen diametral entgegentrat. Es wurde vielmehr gegen Flüchtlinge und das Asylrecht polemisiert und sich gleichzeitig lediglich von den Auswüchsen der Gewalt distanziert. Erst Solingen war ein tiefer Einschnitt, hätte schon damals die Chance geboten, darüber nachzudenken, ob nicht anderes Handeln im Umgang mit Minderheiten das bessere Signal gegen Rechtsextremismus sein könnten. Diese Chance wurde jedoch vertan. Zwar wurden die Mörder von Solingen einer schnellen Bestrafung zugeführt, aber die Reflexion der Ursachen solcher Untaten unterblieb doch weitgehend. Auch die aktuelle Empörung, etwa des Bundes- Ausländerrates über die vorzeitige Freilassung der damaligen jugendlichen Straftäter beweist, daß die wirklichen Ursachen völlig unaufgearbeitet geblieben sind. Wer bei allem Verständnis für die Opfer glaubt, daß die Frage der Haftzeit dreier jugendlicher Mörder etwas an der Gefahr des Rechtsextremismus in der einen oder anderen Weise ändert, hat nichts, hat gar nichts verstanden. Eine derartige Reaktion verwundert aber auch nicht, denn die gesellschaftliche Diskussion über den Grundgedanken einer Politik für mehr Rechte von Minderheiten, über den gleichberechtigten Umgang mit Fremd- Sein, über gelebte Multikulturalismus mit allen ihren sozialen Spannungen und Problemen fand nur in kulturellen Nischen statt. Ansätze dazu finden sich in der Nordrhein-Westfälischen Migrationspolitik, nicht aber in der Flüchtlingspolitik, die weitestgehend von Reformen ausgeklammert worden ist. Die Haltung der Politik gegenüber Fremden hat sich nicht verändert In der quasi Abschaffung des Asylrechts 1994 wurde durch die offizielle Flüchtlingspolitik denjenigen recht gegeben, denen das Grundrecht auf Asyl ein Dorn im Auge war. Im Verhalten der verfassungsändernden Mehrheit des Bundestages von damals liegt der größte politische Erfolg des Rechtsextremismus seit Bestehen des Grundgesetzes. "Fluten" mußten eingedämmt, "Asylschwindler und Asyltouristen" abgewiesen und deshalb das Grundrecht auf Asyl zerstört werden. Mögen die dahinter liegenden Motive bei vielen wie etwa dem ehemaligen NRW-Innenminister Schnoor lauter und über alle Zweifel erhaben gewesen sein: Aber auch wer ein Grundrecht einschränkt, weil er glaubt, damit etwas gegen den Faschismus zu tun, wendet sich nicht gegen den Faschismus, sondern gegen das Grundrecht. Dies soll hier nicht erwähnt werden, um nachzukarten, sondern es gehört zur Analyse, wenn die Frage beantwortet werden soll, wie in Zukunft rechtsextremem Denken und Rassismus - und diese vor allem müssen und können verändert werden - der Boden entzogen werden soll. Am Umgang mit dem Thema Migration hat sich seitdem jedoch wenig geändert. Ab 1994 wurden dann "ausländische Kriminelle" oder "reisende Straftäter" das Ziel reinigender staatlicher Abschreckungspolitik. Mit der Konferenz von Dublin wurde Europa zur Festung ausgebaut, mit der Diskussion um Europol die Furcht vor "internationalen Straftätern" betrieben. In den Koalitionsverhandlungen von SPD und GRÜNEN 1998 wurde das Thema Flüchtlinge zu einem außerordentlichen Beispiel schwarz-roter Kontinuität. Besonders der ehemalige GRÜNE und Bürgerrechtsanwalt Otto Schily erwies sich in dieser Frage als der schlimmste Wendehals in der Geschichte der rechtstaatlichen Anwaltschaft. Einst empört über den Bürgerrechtsabbau der Antiterrorgesetze erwies sich Otto Schily als der oberste Hüter Kanther'scher Flüchtlingspolitik. Humanere Prüfungskriterien für Asylverfahren, eine dringend nötige wirkungsvolle Altfallregelung, eine taugliche Härtefallregelung und sogar die Abschaffung des Flughafenverfahrens für unbegleitete Kinderflüchtlinge - jede bürgerrechtliche Liberalisierung scheiterte an der autoritären, technokratischen Starrköpfigkeit des heutigen Bundesinnenministers. Verbote, die nicht stattfinden schaden - falsches Denken läßt sich nicht verbieten Das Denken und die Einsicht der Menschen müssen erreicht werden, wenn Rassismus und Minderheitenhaß überwunden werden sollen. Das Denken aber wird durch Gesetze, Polizeigewalt und Verfassungsschutzobservation in ganz anderer Weise geprägt, als das auch in diesen Tagen wieder gut meinende Politiker und Politikerinnen wünschen. Die Demokratie verteidigt man nicht, indem man ihre Freiheiten einschränkt. Diejenigen, die in diesen Tagen Verschärfungen und Abbau des Demonstrationsrechts (CSU) und neue Kompetenzen für den Bundesgrenzschutz (Schily) fordern, meinen es in Wirklichkeit nicht gut mit der Demokratie, sie betreiben vielmehr das Geschäft der Feinde der Demokratie. Die Diskussion um das NPD-Verbot ist deshalb die falsche Diskussion über das falsche politische Mittel. Selten konnte sich die NPD freuen, so oft in Wort und Bild der Medien zu erscheinen, wie im Sommer 2000. Keine Millionenschwere Werbekampagne hätte so nachhaltig die jahrelang im rechten Lager umstrittene Frage beantworten können, wer denn nun das wahre Sammelbecken nationalistischer Dumpfheit und Brutalität ist, die NPD oder ihre Konkurrenten DVU oder Reps. Grund genug, daß tumbe Glatzen und rassistische Schmerbäuche schon darüber fröhlich die Zapfhähne in die Bierfässer schlagen können. Und sie werden sich vielleicht weiter auf die Steilvorlagen so mancher gegenüber sozialen Krisen scheinbar hilflosen virtuellen Demokraten, "new economy- Modernisierer" und Medienschwadronierer freuen können. Einige derer, die heute das NPD-Verbot fordern, haben 1998 Martin Walser Beifall geklatscht, als er in seiner peinlichen Rede bei der Verleihung des Friedenspreises unter anderem meinte, das Gerede über rassistische Straßengewalt in Deutschland sei journalistische Übertreibung, andere haben sich über Johannes Rau empört, der versicherte, als Bundespräsident auch für Menschen ohne deutschen Paß da zu sein. Die Forderung nach NPD-Verbot richtet schon jetzt mehr Schaden an, als sie nutzt, weil ihr Ausgang völlig offen ist. Es mag Situationen geben, in denen das Verbot einer Organisation, deren Ziel und Infrastruktur es ist, Straftaten zu begehen, rechtlich einwandfrei vollziehbar ist und Straftätern wirklich die Basis ihres Tuns zerstört. Bei der FAP lag ein solcher Extremfall vor. Bei einem Parteiverbot der NPD liegt der Fall unendlich schwieriger, weil unsere freiheitliche Verfassung dem Parteiverbot zu Recht engste Grenzen setzt. Deshalb ist ein Ausgang völlig offen. Das müssten auch diejenigen wissen, die sich dazu äussern. Wer jedoch weiss, daß nicht nur das Risiko, vor dem Verfassungsgericht zu scheitern besteht, müsste auch wissen, dass schon eine negativ beantwortet Vorprüfung der Verbotsfrage von der NPD und ihrem Umfeld als Sieg, als Motivationsschub wahrgenommen wird, denn es ist eins der erstrebtesten Ziele der autoritären, extremen Rechten, auf ihre "Legalität" verweisen zu können. Deshalb ist die öffentliche Verbotsforderung, die nicht eingehalten werden kann, politisch höchst kontraproduktiv. Starker Staat und kurzer Prozeß lösen kein Problem, sie sind das Problem Fahrlässig ist es ebenso, wenn Politiker in diesen Tagen schnellere Gerichtsverfahren und härtere Urteile fordern oder die pauschale Behauptung in die Welt setzen daß die Gerichte zu freundlich mit Rechtsextremisten umgingen. Derartige Schelte der Justiz ist nicht nur purer Populismus, sondern beinhaltet, von höchsten Repräsentanten eines Verfassungsorgans vorgetragen, einen intellektuell extrem niedrigschwelligen Entlastungsangriff gegen die dritte Gewalt, um vom eigenen politischen Versagen bei der Analyse der Ursachen des Rechtsextremismus abzulenken. Auch Willy Brandt mußte erleben, daß sein Radikalenerlass und die Gesinnungsschnüffelei der Siebziger Jahre mehr Schaden an der Demokratie angerichtet, als Extremisten in ihrer Meinung beeinflußt haben. Es ist nicht vergessen, wieviele Angehörige einer ganzen Generation ihr Vertrauen in die Demokratie durch die Berufsverbotepraxis verloren haben. Demokraten, die die Liberalität ihrer Ordnung in dieser Weise beschädigen, geraten nicht nur aufgrund ihrer Methoden ins Zwielicht, sondern laufen auch Gefahr, damit Zweifel an diesem Gemeinwesen noch zu schüren. Eine demokratische, eine offene Gesellschaft muß immer wieder selbst ihre Grundrechte und Grundwerte erkämpfen und sich ihre Verfassungsprizipien neu aneignen. In dieser Offenheit liegt ihre Stärke und ihre Qualität gegenüber autoritären Systemen. Es geht in der Auseinandersetzung um nicht mehr und nicht weniger als die Frage, ob unser Gemeinwesen Toleranz, Liberalität, Offenheit und Gleichberechtigung erfolgreich gegen Anfeindungen von rechts, gegen autoritäres Denken und Untertanengeist verteidigt. Wer aber die Freiheit verteidigt, darf dies nicht mit unfreiheitlichen Methoden tun. Den Schutz der Verfassung kann niemand delegieren, weder auf Politiker, noch auf Verfassungsschützer oder die Polizei. Deshalb bedarf es zur erfolgreichen und langfristigen Eindämmung des Rechtsextremismus weder neuer Gesetze, Polizeiaufgaben oder Dateien beim Verfassungsschutz. Es bedarf des aktiven Engagements der Demokraten. Die gröbsten Fehler, die gegen die vermeintliche Bedrohung der Gesellschaft - damals durch links begündeten Terror - gemacht wurden, war die Beschädigung von rechtstaatlichen Prinzipien Ende der siebziger Jahre durch "Antiterrorgesetze", Kontaktsperre, Rasterfahndung, Dateien aller Art. Das darf sich nicht wiederholen. Gegen Gewalt und Straftäter gibt es die Polizei, der Notruf ist 110 und der Verfassungsschutz weiß zumindest soviel, daß die politisch Verantwortlichen längst hätten daraus Konsequenzen ziehen können. Mancher, der sich heute plötzlich über Rechte Straftaten und Rassismus empört, trägt ganz konkret die Verantwortung dafür, daß bisher nichts geändert wurde. Sie seien erinnert, daß in der Politik wie im Strafrecht gilt, daß nicht nur tun, sondern auch Unterlassen bestraft werden kann. Politik muß sich ändern - Demokratie zu verteidigen heisst Minderheitenrechte schützen Unterlassen wurde beispielsweise auf Betreiben des Bundesinnenministers, die konkrete Politik gegenüber Minderheiten und insbesondere der Flüchtlinge zu verändern. Unterlassen wurde, eine grundlegende Reform des Ausländerrechts zu schaffen und unterlassen wurde auch, wenigstens kleine Korrekturen am Ausländerrecht wie eine wirkungsvolle Härtefallregelung vorzunehmen. Gegen Rechts ist Handeln angesagt, nicht nur reden. Politisches Handeln gegen rechts hieße im Jahr 2000 bereit zu sein, jenseits parteipolitischer eingefahrener ideologischer Formeln die tätige Politik gegenüber Minderheiten zu verändern. Ganz einfach und doch so viel, würde es doch Politikerinnen und Politikern abverlangen, nicht nur manchem Stammtischstrategen und seinen Vorurteilen entgegenzutreten. Es würde auch Selbstverpflichtung bedeuten, zum Beispiel im Falle der Homo-Ehe den Verzicht der CDU, aus dümmlichen Vorurteilen gegen Homosexualität politisches Kapital zu schlagen. Denn eine Kampagne gegen gleiche Rechte für eine Minderheit ist in unserer heutigen Zeit des real existierenden Rechtsextremismus eine Kampagne gegen Toleranz und Liberalität und damit gegen die Werte, auf die es gerade auch die Rechtsextremisten abgesehen haben. Werte, die es aber von den Demokraten, wenn sie denn wirklich welche sein wollen, zu verteidigen gilt. Toleranz und Liberalität in jeder gegebenen politischen Situation zu leben und zu verwirklichen ist das beste Mittel gegen Bedrohungen der Demokratie von rechts und links. Damit ist nicht gemeint, daß das demokratische Gemeinwesen auf das Gewaltmonopol verzichtet - mit Skinheads läßt sich nicht über den Baseballschlag diskutieren - aber bevor das Strafrecht und die Polizei als letztes Mittel bereit sind, müssen andere Mittel zur Verteidigung der Demokratie eingesetzt werden! Die Stärkung der Rechte von Minderheiten und zwar bestenfalls im Grundkonsens der demokratischen Parteien wäre das richtige Mittel, um rechter Gewalt zu zeigen, wohin die politische Kultur sich entwickeln muß und im Zeitalter der Globalisierung auch zwangsläufig entwickeln wird. Dazu bedarf es jedoch des notwendigen Muts. So ist der Grundgedanke der "Green Card" die Einsicht eines modern agierenden Bundeskanzlers Schröder, daß Abschottung ökonomisch nicht möglich ist und auch gegen Migration keine Zukunft mehr hat. Die Lösung, ein Mini-Kontingent befristeter Elite-Jobber einzeln per Handschlag zu begrüßen ist weder ökonomisch sinnvoll, noch geeignet, das für eine freiheitliche Verfassungsordnung notwendige politische Signal zu geben und in geeigneten Verfassungs- oder Gesetzesnormen zu konkretisieren. Wer Eindeutige Signale gegen Rechts geben will, der macht eine konsequente, auf Analysen gestützte Einwanderungspolitik und grenzt nicht - wie geschehen - die Vertreter der Flüchtlings- und Einwandererorganisationen und die eingebürgerten Menschen selbst aus der Diskussion der Regierungskommission aus. Der Wille zu einer offenen Einwanderungsdiskussion, die die ohnehin unrealistische Abschottungsideologie der letzten beiden Jahrzehnte rückhaltlos über Bord wirft, wäre ein wichtiges tätiges Zeichen der Politik gegen Rechts. Ob die Süssmuth-Kommission dem gerecht werden wird, darf bleibt abzuwarten. Grundrechte und Menschenrechte stehen über dem Ausländerrecht Ein weiteres Feld, auf dem Signale gegeben werden müssen, ist die Praxis des Umgang mit Flüchtlingen. Eine zum Teil rüde, zum Teil rücksichtslose Abschiebepraxis auch gegenüber Kindern und jugendlichen ist heute die öffentlich kaum noch bedauerte Regel. Da wurden Achtjährige zur Abschiebung von Polizisten in Handschellen aus dem Unterricht abgeführt, da versuchte die Stadt Bonn die zehnjährige Halbwaise Hafida abzuschieben, nur weil sie, als sie fünf Jahre zuvor zu ihrem hier lebenden Großvater kam, drei Monate nach Einführung der Visapflicht versäumte, ein solches zu beantragen. Verzweifelte Aktionen wie das "Wanderkirchenasyl" in NRW wurden mit dem achselzuckenden Hinweis auf die geltende (Un-)Rechtslage bearbeitet. Nordrhein-Westfalen hat auf Drängen der Grünen vereinbart, die Rechte der Härtefallkommission zu stärken. Dies sollte schneller als in der letzten Legislaturperiode umgesetzt werden. Die starre, nahezu verbohrte Unbeweglichkeit in der Frage von Härtefallregelungen für ausländerrechtliche Grenzfälle steht als Symbol der weitgehenden und uneinsichtigen Fortsetzung Kanther'scher Flüchtligspolitik. Die tiefe bürgerrechtliche Ignoranz, die hinter dieser Haltung steckt, hat aber in ihrer politischen Wirkung nicht nur Linke, Grünen, Bürgerrechtler in ihren Hoffnungen auf eine liberalere Flüchtlingspolitik unter einer rot-grünen Regierung enttäuscht. Schlimmer: Sie hat es unterlassen, durch eine Änderung der Abschottungspolitik aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und damit ein tätiges Zeichen zu setzen, daß Diskriminierung von Flüchtlingen nicht zum Stil dieser Regierung gehört. Dieses Zeichen wäre notwendiger und vor allem glaubhafter als alle Erklärungen, wie sie in der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts zum Kerzenschein der Lichterketten abgegeben wurden. Sie haben offensichtlich nicht nachhaltig gegen rechte Vorurteile gewirkt. Noch am 20.7.1997 hat der amtierende Bundeskanzler Schröder, sich mit Sprüchen wie "Wer das Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus und zwar schnell" in verbaler Kraftmeierei gegen "kriminelle Ausländer" ergangen und damit fleißige Vorurteilspflege betrieben, wie mit ihm zahlreiche Konservative. Die Gefahr, daß rechtextremes Gedankengut und Rassismus, wie ihn Wolfgang Thierse als im Osten alltäglich registeriert, zu der Selbstverständlichkeit bei nicht zu vernachlässigenden Teilen der Bevölkerung wird, kommt nicht bereits durch die Agitation der Extremisten und Ewiggestrigen zustande. Erst, wenn sie aus etabliertem Munde und sei es auch nur marginale Bestätigung erfahren, trauen sich die latenten Mitläufer, mitzulaufen. Bekommen diese Gegenwind, sind die wirklich militanten Rechten schnell wieder politisch und ideologisch isoliert. Eine in diesem Sinne konsequente Gegenwehr gegen rechtes Gedankengut hat aber in den neunziger Jahren nur ganz marginal stattgefunden. Sicher, einige Initiativen haben das Augenmerk darauf richten können, daß sich an der Verwirklichung der Minderheitenrechte die Liberalität einer Gesellschaft entscheidet. Die Einführung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts war eine zwingende Folge davon. Sicher, auchdie Tatsache, daß Schwarze Deutsche in Wirtschaft und Medien und nicht nur im Sport Karriere machen, ist ein Stück "Normalität" geworden. Aber schon bei der neuen Staatsbürgerschaft bedienten sich Unionschristen bereits wieder mit der Kampagne gegen des angeblichen "Doppelpaß" schamlos der nationalistischen Stigmen, um durch die Mobilisierung von Vorurteilen Vorteile zu gewinnen, den rechten politischen Rand zu mobilisieren. Solange diese politische Methode von einer etablierten Partei betrieben und nicht - wie im Falle Rüttgers glücklicherweise geschehen - am besten aus den eigenen Reihen geächtet wird, bleiben alle repressiven Maßnahmen gegen Rechts Projekte zur Beruhigung des schlechten Gewissens der politisch Verantwortlichen, die sich weigern, etwas gesellschaftlich wirksames gegen rechts zu tun. Welche Maßnahmen wären nötig? Viele Möglichkeiten und Aktionsformen, gegen rechtes Denken und Rassismus in den Köpfen vorzugehen, sind inzwischen hinlänglich bekannt. Das gegeneitige Abbauen von Vorurteilen, die Begegnung und der Austausch gehören dazu. Tausende von Initiativen gegen Gewalt haben in den neunziger Jahren hierzu Projekte erarbeitet. Sie gilt es zu nutzen, dafür Mittel zur Verfügung zu stellen. Die 70 Mio DM der Bundesregierung hierfür sind uneingeschränkt zu begrüßen. "Farbe bekennen - Rassismus ächten!" war zum Beispiel eine wichtige Kampagne der GRÜNEN NRW, die zu einem frühen Zeitpunkt den Blick für die Hintergründe von Ausgrenzung geschärft hat. Viele Projekte wie etwa Konfliktberater oder Antirassismustrainings bei der NRW-Polizei sind heute in praktische Politik eingeflossen. Auch Aufrufe, Bündnisse, von Gewerkschaftern bis Christen, Künstlern, DJs sind Möglichkeiten, sich einzumischen, die Schule und Hochschule sowieso. Aber die Aktionen müssen auch unter neuen Bedingungen, attraktiver, offener, natürlich im Internet aber auch auf der Straße gedacht werden! Immer dann, wenn die gewählten Parteien nicht ausreichend das tun, was zur Veränderung der Situation nötig ist, muß Mensch selbst handeln! Das weiß doch niemand besser, als die Grünen, die so entstanden sind. Also sind sie gut beraten, ihre Infrastruktur und Kommunikationskanäle für Initiativen, "runde Tische" anzubieten! Arbeit und Perspektive sind wichtig, aber auch gelebte Solidarität und Freiräume in Form von Angeboten an Jugendliche, diese lernen und austesten zu können. Also Jugendarbeit, vom Fanprojekt bis zur offenen Stadtteiarbeit trotz leerer Kassen. Nur zur Erinnerung an die Politiker, denen ökonomie wichtiger ist als das "Moralisieren" des Bürgerrechtlers, daß ein Sozialarbeiter den Staatssäckel mit etwa DM 80.000.--jährlich belastet, ein straffälliger Jugendlicher im Vollzug im Jahr mehr als DM 100.000.--kostet - die gesellschaftlichen Folgekosten der Tat - Anwälte, Gerichte, Schaden, Wiedergutmachung nicht mitgerechnet. Der Täter-Opfer-Ausgleich im Strafrecht muß angesichts der aktuellen Situation drastisch ausgebaut werden! Weil sich Gesinnung nicht verbieten, sondern bestenfalls bilden läßt, können 2000 Lehrer mehr erreichen als 5000 Polizisten! Es ist verständlich, aber Unsinn, die Gelegenheit zur Forderung nach mehr stellen für die Polizei zu nutzen! Wenn unsere Gesellschaft einen Mangel hat, den es in den nächsten zehn Jahren mit absoluter Priorität zu bekämpfen gilt dann ist es der an Bildung und Ausbildung. Bildung und Ausbildung vor allem als Mittel zur Teilhabe an der Gesellschaft, zur Verbesserung der sozialen Chancen für breitere Schichten. Denn wenn der Reichtum der neuen Ökonomie keiner wird, an dem die bisherigen Verlierer der Gesellschaft - und die leben in ihrer grossen Zahl im Osten - perspektivisch teilhaben können, nützen auch die beste Erziehung und das schönste Antirassismus- Training gar nichts, das Abgleiten von nennenswerten Teilen der Gesellschaft nach rechts zu verhindern. In der von immer kürzeren Phasen bei klarem Bewußtsein zwischen den Werbeblöcken gestreßten Mediengesellschaft ist der Faktor - Demokratie durch Erfahrung erlernen ein unverzichtbarer Faktor zur Fortentwicklung der Demokratie. Dazu gehört auch, daß Jugendliche ihr Schicksal selbst bestimmen und an politischen Entscheidungen konkret mitwirken können! Also auf, die Parteien, Öffnen die Räte, erleichtern die Abstimmungen und Entscheide vor Ort! Und schaffe die besseren demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten, wie niedrigere Quoten für Bürgerentscheide und eine gläserne, eine wirklich transparente Verwaltung. Die Möglichkeiten der Aktion gegen rechts sind bekannt. Die Mittel dazu auch. Die Menschen sind zu Teil noch aktiv, viele sind für die Demokratie zu gewinnen. Rot Grüne Regierungen, das zeigt das Beispiel NRW, reagieren sensibler auf rechte Gewalt, das ist positiv. Aber es reicht bei weitem nicht aus, um endlich ein Zeichen, ein eindeutiges STOP gegen Neonazis und Rassisten zu setzen. Eins dieser eindeutigen Zeichen der Bundes- und Landesregierungen muss auch in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik gesetzt werden, alles andere ist kurieren an Symptomen. Nur dies wäre eine glaubwürdige Umkehr des Mainstream in der Poitik gegenüber Minderheiten. Neu wäre eine solche Utopie, weil die Parteien damit ihr wichtigstes verfassungsrecht im Sinne dieser Verfassung ausfüllen könnten - an der politischen Willensbildung mitzuwirken - einmal anders. Neu wäre aber auch, daß Politik so etwas wie Einsicht in gemachte Fehler zeigen würde. In der Geschichte der Bundesrepublik ist derlei erst einmal passiert - 1981 bei der teilweisen Korrektur der von ihr selbst geschaffenen Antiterrorgesetze durch die damalige sozialliberale Koalition. Es wäre zu wünschen, daß Rot/Grün die notwendige Einsicht zur Bekämpfung des Rassismus beweist und es wäre zu wüschen, daß aufgeschlossene, Zukunftsgewandte Unionschristen, fortschrittliche PDS- Politiker und die wenigen verbliebenen wirklich liberalen in der FDP sich daran beteiligten. |