Castor-Alarm in Ahaus und Gorleben Demo
Erster Transport wird Anfang November erwartet

Ende August hat die Bürgerinitiative ‘Kein Atommüll in Ahaus’ bundesweiten Castor-Alarm ausgerufen. Obwohl von offizieller Seite die Festlegung auf einen konkreten Transporttermin dementiert wird, liegen der Ahauser Bürgerinitiative verschiedene Informationen vor, die auf praktische Transportvorbereitungen ab der 45.Kalenderwoche (also ab dem 6.November) hinweisen. In Rheine werden Bundeswehr-Kasernen als Unterkünfte für BGS - Einsatzgruppen bereitgestellt, die Einrichtung von Gefangenensammelstellen vorbereitet und der Militärflugplatz Bentlage für BGS-Hubschrauber freigehalten. Für die zum BGS gehörende Bahnpolizei und für die Beschäftigten des Brennelemente-Zwischenlagers in Ahaus (BZA) soll ab der 45.Kalenderwoche eine Urlaubssperre verhängt worden sein. Insgesamt hat die Ahauser BI aus fünf voneinander unabhängigen Quellen Hinweise auf konkrete Transportvorbereitungen erhalten. Die Erkenntnisse der BI decken sich mit den Wünschen der Atomindustrie, die in diesem Herbst noch zwei Castor-Transporte aus den AKW’s Biblis und Neckarwestheim ins westfälische Ahaus schicken will. Einen entsprechenden Transportbedarf haben die Energieversorger bei einem Treffen mit den zuständigen Länderinnenministern und dem Bundesumweltministerium am 18. August in Düsseldorf angemeldet.
NRW-Innenminister Fritz Behrens bestreitet allerdings die Vereinbarung eines festen Transporttermins und verweist auf eine aus Sicherheitsgründen notwendige mindestens sechsmonatige Vorbereitungszeit bis zum nächsten Castor-Transport. Eine hochrangige Koordinierungsgruppe mit Vertretern der Bundesregierung, der Länder, der Sicherheitsbehörden und der Atomwirtschaft soll die Planungen für die Durchführung der Castor-Transporte vorantreiben.
Ein erster Termin dieser Koordinierungsgruppe wurde für den 31. August in Bonn verabredet. Auch die in NRW für die Transportabwicklung zuständige Münsteraner Polizeiführung gibt sich ahnungslos. Bei einem Termin des ‘Runden Tisches Ahaus’ am 21. August bestritt der leitende Münsteraner Polizeidirektor Kampmann den Beginn konkreter Transportvorbereitungen seitens der Münsteraner Polizei. Der grüne Münsteraner Polizeipräsident Wimber will allerdings auch von der überraschenden Vorverlegung des letzten Ahauser Castor-Transportes im März 1998 erst erfahren haben, als der Termin schon längst bis zur Bürgerinitiative durchgesickert war. Damals hatte die rot-grüne NRW-Landesregierung versucht die Anti-Atom-Bewegung mit einer Terminfinte zu überlisten und einen falschen Transporttermin in die Öffentlichkeit lanciert. Auch aufgrund dieser fragwürdigen Informationspolitik der Landesregierung hat sich nach dem letzten Transport in Ahaus ein Runder Tisch mit Vertretern der Ratsparteien, dem Bürgermeister und der Verwaltung, Handwerks- und Industrieverbänden, Kirchen, Jugendorganisationen und Bürgerinitiative konstituiert. Der CDU-Bürgermeister Korte verlangt nun gemeinsam mit dem örtlichen Industrieverband vom NRW-Innenministerium eine rechtzeitige Information - mindestens acht Wochen im Voraus - über einen möglichen Transporttermin.
Ahauser Gewerbetreibende und Schulen fordern zur besseren Unterstützung des lokalen Widerstandes einen Samstag als Transporttag. Selbst die Polizeigewerkschaft meldet Einwände gegen die Art der bisherigen Transporte an und verlangt aufgrund der Gesundheitsgefährdung Strahlenschutzanzüge für die den Transport begleitenden Beamten.
Doch nicht nur lokalpolitische Nörgeleien und Bedenken der Sicherheitsorgane machen der Atomindustrie zu schaffen. Auch zweieinhalb Jahre nach dem Castor - Kontanimationsskandal hat sie die technischen Probleme beim Beladen der Castor-Behälter immer noch nicht im Griff. Obwohl bereits im Januar jeweils zwei Transporte aus Neckarwestheim, Biblis und Philippsburg nach Ahaus vom Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt wurden, konnten bisher lediglich sechs Behälter in Neckarwestheim und zwei Behälter in Biblis erfolgreich beladen werden. Alle anderen Versuche mit dem neu angeordneten Beladeverfahren scheiterten an der festgestellten Restfeuchtigkeit im Deckel- und Dichtungsbereich. Die verlangten Strahlenwerte konnten so nicht eingehalten werden. Als möglicher Ausgangsort für ein Castor ‘Six-Pack’ kommt deshalb zur Zeit nur Neckarwestheim infrage. Doch jenseits aller technischen Probleme und sicherheitspolitischen Bedenken ist mit einer baldigen Wiederaufnahme der Castor-Transporte zu rechnen. Schließlich hat sich die Bundesregierung in dem Atomkonsensdeal mit den Energieversorgungsunternehmen dazu verpflichtet, bis zur Inbetriebnahme der geplanten standortnahen Zwischenlager in spätestens fünf Jahren, weitere Atom-Transporte in die Zwischenlager Ahaus und Gorleben sowie in die Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague und Sellafield zu ermöglichen. Wie sie allerdings die bis zum Jahr 2005 allein nach Ahaus und Gorleben geplanten 20 bis 25 Castor-Transporte durchsetzen will, bleibt das Geheimnis der Atomindustrie. Die durch den Atomkonsens erhoffte Befriedung des Anti-Atom-Widerstandes ist bisher jedenfalls noch nicht abzusehen. Im Gegenteil: Umweltverbände, Standortbürgerinitativen und autonome AKW-Gegner sind sich in der Ablehnung der rot-grünen Atompolitik einig wie selten. Nachdem der Konsens zwischen Regierung und Atomindustrie bisher weitgehend ohne bemerkbaren Protest der Anti-Atom-Bewegung über die Bühne ging, beginnt sich nun der Widerstand zu regen. Unter dem Motto ‘Atomausstieg? Alles Lüge’ ruft die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg für den 23. September zu einer bundesweiten Anti-Konsens-Demonstration ins Wendland auf.
Gegen die Planungen der dezentralen Zwischenlager an den Atomstandorten entwickelt sich überall neuer Widerstand. Doch erst die Mobilisierung gegen einen erneuten Castor-Transport wird zeigen, ob die schon oft totgesagte Anti-Atom-Bewegung die rot-grüne Bundesregierung in ernsthafte politische Schwierigkeiten bringen kann.
Sollte auch der nächste Transport wieder nur im polizeilichen Ausnahmezustand unter Einsatz des gesamten Bürgerkriegsapparates durchzusetzen sein, dann dürften die ehrgeizigen Transportvorgaben der Energieversorger wohl kaum zu halten sein. Ob das von Bundesumweltminister Trittin angebotene Schlupfloch der sog. ‘Transportbereitstellungslagerung’ atomrechtlich haltbar ist, ist noch äußerst unklar. Sollte die Bundesregierung ihre Zusagen und Befriedungsversprechungen gegenüber der Atomindustrie nicht einlösen können, dann ist sicherlich der gesamte
Konsensdeal noch einmal grundlegend in Frage gestellt. Das ungelöste Entsorgungsproblem könnte sich also einmal mehr als die Archillesferse der Atomindustrie erweisen.