Nr. 25 - Juni 2004 Ein Service des Mietervereins Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.
Damit die bisher erfolgreiche Bochum-Agenda 21 auch in Zukunft weitergeführt werden kann, fordert der Agenda-Beirat den Rat der Stadt Bochum mit einem Schreiben auf, die wegfallenden Agenda-Landesmittel durch einen städtischen Haushaltsansatz zu kompensieren. Für diese Vorgehensweise hat die Programmgruppe in ihrer Sitzung am 19. April 2004 eine Empfehlung ausgesprochen. In dem Brief heißt es: Der Bochumer Agenda 21-Prozeß hat sich seit seiner Einberufung im Jahre 1998 entsprechend den Vorgaben des Rates der Stadt Bochum gut entwickelt und ist in ein relativ breites Bündnis gesellschaftlich relevanter Gruppen überführt worden, das eine Politik beratende Funktion in Bochum hat. Dennoch ist die Arbeit mit dem Erreichten nicht beendet. Denn der von allen getragene Anspruch der Bochum-Agenda 21 geht weit über das Erreichte hinaus: alle Bürgerinnen und Bürger Bochums sollen über die Idee der Nachhaltigkeit informiert und zu einer aktiven Beteiligung zugunsten einer lebenswerten Zukunft der nächsten Generationen ermutigt werden. Die Integration der nicht mehr bzw. noch nicht aktiv beteiligten Gruppen ist von daher ebenso wie die Umsetzung des im Dezember 2000 beschlossenen Leitbildes eine Daueraufgabe für die Zukunft. Für die nächste Zeit stehen folgende Arbeiten für den Bochum-Agenda 21-Prozeß an: Die Weiterführung des Leitbildes durch das Indikatorensystem, die Umsetzung des Klimaschutzgutachtens, die Weiterführung des Bochumer Nachhaltigkeits-Checks (BNC) für Unternehmen, die Intensivierung der Unterstützung der Arbeitkreise, die Förderung von Projekten sowie die Öffentlichkeitsarbeit. Für die anwendungsorientierte Bearbeitung der Agenda 21-Indikatoren in Verwaltung und Politik und ein entsprechendes Projektmonitoring und -controlling ist eine wissenschaftliche Begleitung wünschenswert. Die bisher für diese Handlungsfelder bereitgestellten Mittel des Landes NRW (GFG-Mittel) sind nach unseren Informationen diesem Bereich nicht mehr zugeordnet. Wir bitten Sie daher dringend, die Zuordnung dieser Mittel anstelle des Landes NRW für die Bochum-Agenda 21 zu beschließen. Wir rechnen im Sinne des gemeinsam verabschiedeten Leitbildes fest mit einer positiven Entscheidung Ihrerseits und erbitten eine baldige Antwort.
Am 8. Juni 2004 besichtigte der Arbeitskreis Verkehr der Bochum-Agenda 21 zunächst die Deponie Kornharpen und anschließend die Firma Rethmann. Der Aufstieg auf die Deponie gestaltet sich geradezu idyllisch. Von Müll ist nichts zu sehen, der Boden scheint aus Bauschutt zu bestehen. An den Hängen blüht es üppig vom Kraut bis zum Getreide. Mit der Höhe wächst der Weitblick von der ländlichen Umgebung bis hin zur Universität. Am Gipfel angekommen wandelt sich dann das Bild. Dort ist Bochums Müll nicht nur zu sehen, sondern verströmt auch seinen charakteristisch-beißenden Geruch, ähnlich Großmülltonnen im Sommer. Mülltransporter werden entladen, hauptsächlich Hausmüll, Industrie- und Gewerbeabfälle. 800 Lkw fahren die Halde pro Tag an. Große Planierer mit abenteuerlich gezackten Metallreifen verteilen und plätten den Müll. Tankwagen versprühen Wasser, um die Stäube und eine übermäßige Wärmeentwicklung einzudämmen. Wegen der hohen Schadstoffbelastung wird auch Straßenkehricht auf der Deponie entsorgt. Türmt sich eine Müllschicht drei Meter hoch, wird drauf eine ein Meter mächtige Erdschicht aufgebracht - um die Geruchsbelästigung zu senken, den Boden zu verfestigen und Papier und andere Leichtstoffe am Wegfliegen zu hindern. So ist die Deponie seit ihrer späten Eröffnung 1978 beständig in die Höhe und in die Breite gewachsen. Durch Druck, Wärme und Verrottung entweicht dem deponierten Abfall Methan. Das Methan wird in Gasbrunnen gesammelt und liefert über ein Blockheizkraftwerk Fernwärme für rund 200 Wohnungen. Sickerwasser, aufgefangen durch eine abdichtende Folie am Deponiegrund, wird dem Klärwerk Ölbachtal zugeleitet. In Bochum-Gerthe an der Stadtgrenze zu Dortmund sortiert die Firma Rethmann den Bochumer und Wuppertaler Abfälle des Dualen Systems Deutschland DSD, sprich alles, was in den gelben Müllsäcken oder Tonnen landet. 1.600 Tonnen kommen pro Monat hier an. In der zentralen Halle wird der Besucher zunächst von einem riesigen Müllberg empfangen, der schaufelweise von einem Radlader in einen Trichter befördert wird. Dort werden zunächst alle Säcke aufgerissen, wobei nur der Müllsack geöffnet, nicht aber der Inhalt beschädigt werden soll. Laut ist in der großen Halle, durch die sich ein gewaltiges Konstrukt aus Förderbändern zieht. Noch mehr aber stinkt es dort gewaltig. Fliegen finden sich dort sichtlich wohl. In vielen Einzelschritten wird der Abfall sortiert. Metall wird per Magnet herausgezogen, Aluminium durch statische Aufladung. Getrennt werden auch verschiedene Kunststoffarten. Es wird gesiebt, gerüttelt und weggeblasen und dabei immer feiner getrennt. Auch modernste Technik kommt zum Einsatz. So erfaßt ein Sensor die Größe der auf einem hell erleuchteten Förderband ankommenden Müllstücke. Computergesteuert werden einzelne Bestandteile herausgeblasen. Daneben ist auch noch menschliche Arbeitskraft gefordert. Etwas abgeschirmt in weißen Kabinen sortieren Arbeiter im 400-Euro-Anstellungsverhältnis an Fließbändern Störstoffe, Kunststofflaschen oder Folien größer A4 heraus. Die sortierten Müllbestandteile werden "gebunkert" und bei Bedarf zu "handlichen" Paketen zusammengepreßt und anschließend auf die Lkw der Abnehmer verladen. Deutlich ruhiger, kühler und vor allem ohne Geruchsbelästigung geht es in der Nachbarhalle zu. Dort wird der Pappierabfall aus den Sammelcontainern umgeschlagen. Die Sortierarbeit haben zuvor die Bürgerinnen und Bürger übernommen. Pappe, Papier und Karton sind zu einem hohen Anteil frei von Fremdstoffen. Daher beschränkt sich die Arbeit auf das Umladen. Dennoch soll demnächst eine Sortieranlage eingebaut werden und die Qualität des Gutes noch weiter erhöhen, welches nicht nur nach Holland, sondern bis ins entfernte Asien transportiert wird.
Der Verwaltungsvorstand hat am 3. November 2003 beschlossen, daß die Stadt Bochum am Modellversuch "Bewertung der Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit kommunaler Entscheidungen" teilnimmt. Zusammen mit Bochum waren die Gemeinden Ostbevern und Dinslaken beteiligt. In dem Modellversuch testeten sie bis zum 31. März 2004 die Planungs- und Entscheidungshilfe Zukunftsfähigkeit PEZ. Initiator und Begleiter war Agenda Transfer - Agentur für Nachhaltigkeit GmbH in NRW. Im Rahmen des Modellversuchs sollten ausgesuchte Beschlußvorlagen von der Verwaltung auf ihre Nachhaltigkeit hin überprüft und diese Bewertungen dem Rat als zusätzliches Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden. Innerhalb des Zeitrahmes wurden in Bochum sechs Beschlußvorlagen durch PEZ untersucht: die PCB-Sanierung einer Turnhalle, die Fortschreibung des Schulentwicklungsprogramms für die Sekundarstufe I + II, ein Investitionsplan für einen Kreisverkehr, die Aktualisierung des städtischen Straßenvorbehaltsnetzes, der Grundstücksverkauf für Wirtschaftsförderungszwecke und die Verringerung der Schiedsamtbezirke. Beteiligt waren folgende sechs Fachamtsbereiche: Hochbauverwaltung, Schulverwaltungsamt, Tiefbauamt, Planungsamt, Liegenschaftsamt und Rechtsamt. Auf einer gemeinsamen Abschlußveranstaltung am 30. März in Ostbevern wurden die Erfahrungen der einzelnen Gemeinden präsentiert. Vorgestellt und diskutiert wurde PEZ auch am 21. April auf der Konferenz zur kommunalen Nachhaltigkeit "Bewegen, was Menschen bewegt" von Agenda-Transfer im Wissenschaftspark Gelsenkirchen. Dinslaken hatte nur das Sozialdezernat am Modellversuch beteiligt und zudem ein begleitendes Beratergremium eingesetzt. Ostbevern hatte sämtliche Beschlußvorlagen und Mitteilungen einer Bewertung unterzogen. Im Ergebnis haben alle Beteiligten das Bochumer Vorgehen als am besten geeignet angesehen. Man war sich einig, daß das Verfahren zur Bewertung von Beschlußvorlagen auf ihre Nachhaltigkeit hin nur die zweitbeste Lösung ist, weil sie auf subjektiven Bewertungen beruht. Dies wird als entscheidende Schwachstelle gesehen. Daher ist das Verfahren nicht geeignet, Nachhaltigkeit zu messen und zu bewerten. Dies wird objektiv nur durch die Entwicklung geeigneter Indikatoren möglich sein. PEZ bietet aber den nicht unbedeutenden Vorteil, Nachhaltigkeit "zwangsweise" in Verwaltung und Politik einzubringen. Dies erscheint angemessen, denn es gibt in Bochum eine Selbstverpflichtung zur Nachhaltigkeit durch das Agenda-Leitbild. Deshalb wird der Modellversuch durchaus als geeignete Maßnahme gewertet, ein Bewußtsein für die Nachhaltigkeit von kommunalen Entscheidungen zu bilden. Daher hat in Bochum der Verwaltungsvorstand am 3. Mai 2004 beschlossen, das Verfahren zur Bewertung von Beschlußvorlagen bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode fortzusetzen.
Für den Test von PEZ in Bochum sprach für die Verwaltung zum einen das vorhanden Agenda-Leitbild, welches nicht nur deklaratorischen, sondern selbstverpflichtenden Charakter für die Anwendung von Nachhaltigkeit beinhaltet. Zum anderen war es der Glaube, die Verwaltung handele vielfach bereits nachhaltig, habe dies aber nie nach außen transportieren können. Ziel war es deshalb, kommunale Entscheidungen im Sinne des Agenda-Leitbildes auf ihre Nachhaltigkeit zu bewerten und diese Bewertung auch sichtbar zu machen. Zu diesem Zweck wurden ausgesuchte Beschlußvorlagen von der Verwaltung in Form der Planungs- und Entscheidungshilfe PEZ auf ihre Nachhaltigkeit überprüft. Diese Nachhaltigkeitsbewertung soll dem Rat bzw. den Ratgremien als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden. Von PEZ wurde erwartet, daß das Verfahren die Verwaltung darin unterstützt, positive und negative Folgen von geplanten Vorhaben und Projekten auf Nachhaltigkeit abzuschätzen und abzubilden. Als Zusatz zur Beschlußvorlage soll eine solche Folgenabschätzung der Politik als zusätzliche Entscheidungsgrundlage helfen, Vorhaben und Projekte in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten. Zudem soll PEZ Verwaltung und Politik mit dem Thema Nachhaltigkeit vertraut machen und sie in die Arbeit an der nachhaltigen Stadtentwicklung einbeziehen. Schließlich soll sich die Verwaltung und Politik im Ergebnis bewußt am Agenda-Leitbild orientieren und das Leitbild selbst stärker umgesetzt werden. PEZ besteht aus zwei Vorlagen, die das zuständige Fachamt bekommt. Diese werden ausgefüllt. Im Vordruck "Leitfragen" sind die Auswirkungen auf die fünf Handlungsfelder Wirtschaft und Arbeit, Soziales und Gesellschaft, Umwelt, Geschlechtergerechtigkeit und BürgerInnenbeteiligung zu bewerten. Insgesamt gilt es 34 Fragen zu beantworten, z.B. die Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Beschäftigung, die Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur, den Energieverbrauch, die Abwasserbelastung und das bürgerschaftliche Engagement. Für jede Leitfrage ist durch Ankreuzen festzustellen, ob es positive, negative oder keine Auswirkungen gibt. Diese Bewertung wird dann anschließend in den Vordruck "Folgenabschätzungen" übertragen. Nur die Fragen mit positiver und negativer Auswirkungen werden übernommen. Die Beurteilung der Handlungsfelder wird in kurzen Begründungen vermerkt. Überwiegen die positiven Wirkungen, hat das Vorhaben überwiegend positive Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit. Nur der Vordruck "Folgenabschätzungen" wird zusammen mit den Einladungsunterlagen an die Ratsgremien versandt. Der Vordruck "Leitfragen" verbleibt verwaltungsintern. Für folgende Arten von Beschlußvorlagen können Bewertungen vorgenommen werden:
Ausgenommen sind Vorlagen der Bauleitplanung, wie Flächennutzungsplan und Bebauungsplan, da ihr Verfahren gesetzlich vorgeschrieben ist. Der von Agenda-Transfer begleitete Modellversuch wird als geeignete Chance gesehen, zu dokumentieren wie nachhaltig im täglichen kommunalen Leben geplant und entschieden wird.
In der Beirats-Sitzung am 6. Mai wurde auf eine Anfrage aus dem Beirat zur Bio-Tonne geantwortet. Mit der Einführung der Bioabfallsammlung wurde der Umweltservice Bochum USB als in Bochum tätiges Entsorgungsunternehmen beauftragt. Die Anfrage wurde daher an den USB weitergeleitet. Zum 21. Januar 2004 waren insgesamt 1.875 Bio-Tonnen in Gefäßgrößen von 30 bis 240 Litern zur getrennten Erfassung und Entsorgung für ca. 9.100 Einwohner aufgestellt. Das entspricht einem Volumen von 3.730 ccm pro Jahr. Wie viele Haushalte die Bio-Tonne nutzen, kann mangels Daten nicht ermittelt werden. Gleiches gilt für eine Unterscheidung in Mieter- und Eigentümerhaushalte. Von großen Wohnungsbaugenossenschaften liegen noch keine Bestellungen für Bio-Tonnen vor. Eine konkrete Beratung vor Ort, um bei der Nutzung behilflich zu sein, gibt es nicht. Interessierte können Informationen telefonisch, per Internet oder schriftlich über den USB erhalten. Speziell die großen Wohnungsbaugenossenschaften wurden im Vorfeld der Einführung der Bio-Tonnen zu Informationsgesprächen unter der Teilnahme eines Gutachters zum USB eingeladen. Hierbei wurden neben den ökologischen Gesichtspunkten der Bio-Tonnen auch auf die positiven ökonomischen Auswirkungen hingewiesen und entsprechendes Informationsmaterial verteilt.
Wie das EineWeltForum feststellt, erlebt der faire Handel seine Höhen und Tiefen. Einerseits ist im vergangenen Jahr der Absatz des wichtigsten fair gehandelten Produktes, des Kaffees, leicht zurückgegangen, andererseits gelingt es immer stärker, fair gehandelte Produkte in das normale Supermarktsortiment auszunehmen. So werden ab sofort bei Kaiser's Tengelmann TransFair-Bio-Bananen unter der Marke "naturkind" angeboten. Der Otto-Versand führt ab sofort fair gehandelte Bälle. Die Kampagne für saubere Kleidung führt am 12. Juni einen bundesweiten Aktionstag zum Sportsommer 2004 durch, bei dem Konsumenten motiviert werden sollen, sich für "saubere" Sportbekleidung einzusetzen. Zur Vorbereitung wird sich das EineWeltForum mit dem Thema "Saubere Kleidung" beschäftigen. Die faire Woche vom 20. bis 26. September wird dieses Jahr unter dem Leitthema Frühstück stehen. Das EineWeltForum wird sich auch daran beteiligen.
Mehr als 150 Menschen diskutierten mit, mehr als 400 tanzten anschließend bis in den frühen Morgen. Das zweite Bochumer Sozialforum zeigte, daß Alternativen nicht nur denkbar, sondern auch tanzbar sind. Fazit der Organisatoren: Das Bedürfnis nach Wissen über sozioökonomische Themen ist groß, die Bildungs- und Vernetzungsaktivitäten des Sozialforums werden fortgesetzt. Prof. Elmar Altvater aus Berlin und Prof. Norbert Wohlfahrt hatten am Freitag und Samstag mit zwei zentralen Vorträgen den Rahmen gegeben. Altvater hatte darauf hingewiesen, daß die Privatisierung öffentlicher Güter in unserem Alltag weit fortgeschritten ist, "so daß uns die Teilhabe am öffentlichen Leben immer mehr genommen wird." Er nannte Beispiele, die von der vermehrten Kriegführung durch private Sicherheitsarmeen über intransparente Cross-Border-Leasing-Geschäfte bis hin zur Privatisierung der Sozialversicherungen reichten. Altvater plädierte dafür, verlorengegangene Gestaltungsmöglichkeiten zurückzuholen: "Das geht nur, wenn derartige Vorgänge öffentlich und breit diskutiert werden. Bildungsorte wie das Bochumer Sozialforum sind genau der richtige Weg." Das Prinzip des aktivierenden Staates, seine Fordern-und-Fördern-Methode und die Fehlleistungen der Agenda 2010 waren die Themen von Professor Norbert Wohlfahrt. Daß die Schieflage der öffentlichen Haushalte nicht über eine Erhöhung der Einnahmen sondern über eine Verringerung der Ausgaben erfolge, sei der schwerste Fehler dieser vermeintlichen Systemkorrektur. Risikoreiche Folgen für uns alle seien eine zunehmend ausländerfeindliche und nationalistische Politik, die den Weg in den autoritären Staat öffne. Alternativen ließen sich dagegen selbst zahlenmäßig nachweisen: Steigende Arbeitsproduktivität führe permanent zu erhöhter Wertschöpfung, die mehr Menschen gerecht ernähren könne. Mit den Eckdaten der Vorträge gingen die Teilnehmer des zweiten Bochumer Sozialforums in den Samstagnachmittag. Sieben parallele Arbeitsgruppen hatte das Sozialforum zur Auswahl geboten. Bestbesuchter Workshop war die Diskussion um die Alternativen zum Neoliberalen Wirtschaftssystem. Hier wurde klar, daß der Bedarf nach Wissens- und Erfahrungsaustausch über sozioökonomische Themen gestiegen ist. "Die Bürgerinnen weichen dem Informations-Overkill aus und wollen sich selbst aufklären", sagte Reinhard Wegener, Moderator des Workshops. "Sie suchen den Kontakt mit Experten und lassen sich auch einfache Fragen erklären." Konzerte und Kongreß des zweiten Bochumer Sozialforums waren mit Unterstützung des Bahnhofs Langendreer, der Bochumer-Agenda 21, der Asten von FH und Uni und vieler Einzelpersonen möglich geworden. Daß die Anerkennung als Forum wächst, zeigte auch die Teilnahme von ver.di, die neben der Bochum-Agenda 21 und attac Bochum mit einem Informationsstand vertreten waren. Das Plenum des Sozialforums trifft sich regelmäßig am letzten Montag des Monats im Bahnhof Langendreer im Raum 6 um 19 Uhr. Die Ergebnisse der Workshops sollen demnächst auf der Homepage des Sozialforums zur Verfügung stehen.
Der BNC begann vor rund einem Jahr mit acht Unternehmen, einer Schule und vier Sponsoren. Am 6. Juli 2004 werden nun die Ergebnisse im Stadioncenter des VfL-Bochum vorgestellt. 300 bis 350 Gäste werden erwartet. Prominentester Redner wird neben Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber Dr. Volker Hauff sein. Der ehemalige Bundesminister ist seit 1985 Mitglied der "World Commission On Environment And Development" der Vereinten Nationen und seit 2001 Vorsitzender des Rats für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung. Der Abend wird zum großen Teil von den teilnehmenden und unterstützenden Firmen finanziert. Trotzdem kostet eine Eintrittskarte zur Refinanzierung noch 40 Euro. Beginn ist ca. 17:30, Ende ca. 22:00 Uhr. Anmeldung bis 21. Juni per Fax bei 06007 918180 und www.nachhaltigkeit.de. Ziel des Abends ist es, das Instrument BNC, die beteiligten Organisationen und Akteure sowie die Ergebnisse in ansprechender Art und Weise vorzustellen und weitere Interessierte zur "Nachahmung" anzuregen. Vorgestellt wird auch der "Nachhaltigkeitsbericht Bochumer Wirtschaft", in dem der BNC präsentiert wird. Er soll weitere Interessierte zur Nachahmung anregen. Nach der Vorstellung des BNC und des Berichtes stellen sich bei Buffet, Getränken und Rahmenprogramm Unternehmensvertreter und Projektteam den Fragen. Nach den guten Erfahrungen, welche die Unternehmen in Bochum mit dem Check gemacht haben, wollen die Akteure mit der Abschlußveranstaltung eine zweite Runde initiieren. War der erste Durchlauf noch der schwierigste, dürfte eine weitere Runde leichter fallen. Die Unternehmen haben ihre Angst vor dem Thema Nachhaltigkeit und möglichen Kosten verloren. Der BNC hat überregionale Aufmerksamkeit erzeugt und Werbung für die Bochum-Agenda 21 gemacht. Es gilt den direkten Anschluß zu finden, den Schwung zu nutzen und eine zweite Runde auf die Beine zu stellen. Wieder sollen 8 bis 10 Firmen mitmachen.
In der Juli-Sitzung wird sich der Agenda-Beirat mit dem Folgen des Hartz-Konzepts beschäftigen. Zur Vorbereitung an dieser Stelle einige Hintergrundinformationen. Der Bundestag hat ein umfassendes Gesetzespaket zum Abbau sozialstaatlicher Leistungen und Regelungen beschlossen. Dazu zählen auch Leistungen für das Wohnen. Potentiell betroffen sind Millionen Arbeitslose. Zum 1. Januar 2005 werden Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe zusammengelegt. Dann erhalten alle Arbeitslosen nach maximal 1 bis 1,5 Jahren nur noch Leistungen nach dem sogenannten "Arbeitslosengeld II" (ALG II). Dieses setzt sich zusammen aus Pauschalen für den Lebensunterhalt und Zuschüssen für die Wohnkosten. Beide liegen nur noch auf der Höhe der bisherigen Sozialhilfe. Das bedeutet für viele, die bislang Arbeitslosenhilfe bekamen, ganz empfindliche Einschränkungen. Die Wohnkosten werden nur in "angemessener Höhe" übernommen. Ein Wohngeld für ALG II-Bezieher gibt es nicht mehr. Schon heute wissen Sozialhilfe-Empfänger, was das bedeutet: Die Kommunen - in Zukunft vielleicht auch die Arbeits-Agenturen - legen Obergrenzen für die Quadratmetermieten und die Wohnungsgröße fest, die teilweise deutlich unter den ortsüblichen Vergleichsmieten oder den Standards im sozialen Wohnungsbau liegen. Haushalte mit "überhöhten" Wohnkosten werden dazu gezwungen, ihre Wohnkosten durch Umzug zu senken. Zumindest müssen sie nachweisen, daß sie sich vergeblich um billigere Wohnungen bemüht haben. Wie bei der Sozialhilfe muß in Zukunft auch beim ALG II jeder Umzug von der Behörde genehmigt werden. Für den Rechtsweg sind die schwerfälligen und oft mieterfeindlichen Verwaltungsgerichte zuständig. Neu ist, daß auch die Höhe der "angemessen" Wohnkosten durch Rechtsverordnung "pauschaliert" werden kann, d.h. es muß nicht auf den Einzelfall eingegangen werden. Eine heftige Verschärfung gegenüber dem bisherigen Sozialhilferecht besteht darin, daß Leistungskürzungen bei "fehlender Mitwirkung" auch die Wohnkosten einbeziehen können, mit absehbar schwerwiegenden Folgen für die Mietzahlungen und damit für den Erhalt der Wohnung. Bislang trat immer die Sozialhilfe ein, wenn die Arbeitslosenhilfe für das Existenzminimum - und dazu zählt ganz entschieden das Wohnen - nicht reichte. Da die Kommunen wohl die kompletten Wohnkosten bezahlen müssen, wird gerade in Städten mit hoher Arbeitslosigkeit der Haushalt belastet. Das erhöht den Druck, die Wohnkosten so gering wie möglich zu halten. In Folge werden Arbeitslose samt Haushalte aus ihrem Wohnumfeld vertrieben. Wer umziehen will, ist auf die Gnade seines Fallberaters angewiesen. Der kann umgekehrt einen Arbeitslosen aber dazu zwingen, für einen neuen Arbeitsplatz umzuziehen. Denn: Die Zumutbarkeitsgrenzen für die Aufnahme von Arbeit werden umfassend abgesenkt, insbesondere was die Zumutbarkeit des Arbeitsortes und eines Wohnsitzwechsels anbelangt. Die Betroffenen müssen zum Teil lange und häufig wechselnde Wege zur Arbeit akzeptieren und sind auf PKW angewiesen - bei sinkenden Einkommen und reduzierter Entfernungspauschale. Mit einer weiteren Zunahme der Wohnungslosigkeit ist zu rechnen. Mehr zum Thema im nächsten Newsletter.
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