Die Bochumer SPD-"Bürgerzeitung" - nach der "Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede" des Kanzlers im Spagat des Jahrzehnts
Mit Schönreden und gleichzeitigem Anschiss durch die Basis sind die publizistischen Lokalideologen der Partei nicht klargekommen.

Wie informiert man ParteifreundInnen und verbliebene WählerInnen über des eigenen Kanzlers brutalsten und folgenreichsten Angriff auf das Sozialsystem, den je eine deutsche Nachkriegsregierung in Angriff genommen hat? Die neue SPD-"Bürgerzeitung" vom 30. März fand die Lösung:
Informationen am besten gar keine, dazu Verwirrung stiften und schön reden, was sich noch irgendwie an den Haaren herbeizitieren lässt.
Pech nur, dass der Parteitag der Bochumer SPD dazwischen kam und befand, dass man mit diesem Frontalangriff auf die ärmere Hälfte des Volkes weitere Akzeptanzprobleme bekommen würde.

Kurz vor Drucklegung des Blattes hatten die MacherInnen aber offenbar keinen Bock mehr, ihr mühsam schön gefärbtes Geschwurbel noch einmal zu überarbeiten.
Vielleicht setzten sie auch auf die jahrelang trainierte Ergebenheit ihrer Klientel, sich mit Leerformeln abspeisen zu lassen bzw. am besten nicht so genau hinzuschauen. Vielleicht war auch der Werbedruck der Blatt-Finanzierungsfirmen aus dem Parteiumfeld zu groß, die ihre öffentlichen Gelder schon für Inserate flott gemacht hatten.
Also wurden die Jubel-Arien beibehalten - etwa: "Mutige Reformen, um Deutschland wieder fit zu machen", oder "Durchgreifende Veränderungen nötig, damit der Sozialstaat erhalten bleibt und wieder mehr Arbeit und Wohlstand geschaffen werden." Tenor: alles super, wenn auch anfänglich ein bisschen schmerzlich.
Keine Rede von der faktischen Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, keine Rede von der Begrenzung des ALG auf 12 Monate, keine Rede von der Streichung des Krankengeldes, keine Rede von Leiharbeit, Lohndumping, Aushebeln der Flächentarifverträge und des Kündigungsschutzes oder vom dramatischen Herunterfahren der Arbeitsförderungsmittel, keine Rede auch vom nochmaligen "Konsolidierungsbeitrag" der RentnerInnen.

Dann aber - mitten im Jubeltext - ein blauer Kasten: "Unmut an der Basis". Die Basis protestiert - warum nur? - "gegen "einzelne" Maßnahmen, die der Kanzler in seiner Regierungserklärung angekündigt hat". Einzelheiten soll die gebeutelte LeserIn am besten unter www.SPD-bochum.de nachlesen.
In der Tat: unter jener - diesmal sehr empfehlenswerten - Adresse ist mehr vom Kuriosum zu lesen: wie es immer schwieriger wird, das Wahlvolk über den rot-grünen Tisch zu ziehen und ihm gleichzeitig Beifall abzunötigen.