Rede von Jan Reinecke, AStA-Vorsitzende
der RUB, am 22.03.03 auf dem Husemannplatz
Liebe Freundinnen und Freunde,
Genossinnen und Genossen,
Drei Tage ist es nun her, dass
das Rätselraten um den Tag X sein Ende gefunden hat - Bagdad wurde und wird noch weiterhin bombardiert.
Bodentruppen sind vom Norden und Süden aus in den Irak eingefallen und befinden sich auf dem Vormarsch nach
Bagdad.
Der jetzt begonnene Krieg entbehrt
jeglichen völkerrechtlichen Grundlagen. Aus den Worten der UNO-Resolution - dem Irak "drohen ernsthafte
Konsequenzen" - lässt sich jedenfalls keine Erlaubnis ableiten, dieses Land anzugreifen. Insofern war
die Haltung Joseph Fischers konsequent, wenn er behauptete, mit "Deutschland sei kein Krieg zu machen",
da ihm wohl bewusst war, dass eine Entscheidung der UNO für den Krieg ihre eigene Grundlage in Frage stellte.
Währenddessen erklärt sein Chef, Bundeskanzler Schröder, dass er im Traum nicht daran denke, die
ABC-Räumungstruppen aus Kuwait, geschweige denn die deutschen Soldatinnen in den fliegenden Feuerleitzentralen
– den AWACS-Flugzeugen - abzuziehen.
Wir müssen uns gegen diese
Politik wehren. Eine Politik in der Krieg zur Konfliktlösung mittlerweile eine Gewohnheit ist. Jeder Krieg
ist ein Krieg zu viel, vor allem wenn er von Deutschland ausgeht. Kosovo, Afghanistan, Irak, drei Kriege innerhalb
vier Jahre und alle mit direkter deutscher Beteiligung. Der Pazifismus dieser Bundesregierung ist verlogen. Und
wenn auch wieder mit dem moralischen Zeigefinger auf den bösen amerikanischen Imperialismus gezeigt wird,
macht es uns nicht davon davon frei, sich der eigenen Verantwortung zu stellen.
Krieg ist die offensichtliche
Grausamkeit des Kapitalismus! Es ist schon reichlich absurd, dass nun mit aktiver deutscher Beteiligung ein Land
angegriffen wird, welches schon seit Jahrzehnten u.a. durch deutsche Rüstungsexporte auf den jeweiligen Höchststand
der Kriegstechnologie gepusht wurde. Gerade Deutschland ist die Quelle all der chemischen Kampfstoffe, von denen
in den letzten Monaten die Rede war. Es sei dahingestellt, ob die irakische Regierung noch darüber verfügt
oder nicht. Dennoch gehen zumindest aus der Zeit vor dem Irak-Krieg des Jahres 1991 viele Tote auf das Konto der
chemischen Industrie in Deutschland.
Vor fast genau 15 Jahren - am
16. März 1988 - beging die irakische Armee eines der größten Massaker in der Geschichte nach dem
zweiten Weltkrieg. Nahezu die gesamte Bevölkerung der kurdischen Stadt Halabja wurde durch ein Nervengas getötet,
dass ähnlich dem Stoff ist, mit dem in deutschen Vernichtungslagern fast die gesamte jüdische Bevölkerung
Deutschlands und weiter Teile Europas ausgelöscht wurde.
Für die Belieferung fast
aller Vernichtungslager war damals die I.G. Farben-Industrie AG - noch immer in Abwicklung - verantwortlich. Die
endgültige Zerschlagung dieser Mörderbande wurde nach den zweiten Weltkrieg im Potsdamer Abkommen eindeutig
geregelt. Es ist jedoch nicht nur so, dass der Konzern durch allerlei juristischen Tricks bis heute weiter existiert.
Der Preis seiner Aktien steigt täglich.
Was jedoch die Angelegenheit
unerträglich macht, ist die Tatsache, dass seine formellen Nachfolger Agfa, Bayer, BASF und Hoechst das todbringende
Geschäft munter weiter betreiben. Im Schnitt exportieren diese Unternehmen ca. 50% ihrer Erzeugnisse ins Ausland.
Da Deutschland nach Frankreich wichtigster Handelspartner des Irak ist, kann man mutmaßen, dass fast das
gesamte in Rede stehende Giftgas - trotz Handelsembargo, das die UNO ausgesprochen hat! - von eben diesen Firmen
geliefert wird.
Die einzige Möglichkeit,
diesem Wahnsinn ein Ende zu machen, ist die endgültige Zerschlagung der IG Farben und ihrer Nachfolger. Es
bedeutet in letzter Konsequenz, die eben genannten Unternehmen aufzulösen und ihre Produktionsstätten
unter demokratische Kontrolle zu stellen.
Unser Protest muss sich gegen
die Grausamkeiten von Kriegen richten. Wir dürfen nicht in plumpe, antiamerikanische und antisemitische Ausfälle
verfallen, die allzu oft zu hören sind. Nie sollte vergessen werden, dass es die vor allem us-amerikanische
Truppen waren, die eine Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus vor nun fast 60 Jahren ermöglicht haben.
Wir bekennen uns auch zum Staat Israel.
Nie wieder Faschismus,
nie wieder Krieg,
nie wieder Deutschland!