Rede von Hella Eberhardt am 8. 11.00 auf der Demonstration für ein antirassistisches Zentrum

Liebe ehemalige BesetzerInnen, liebe SympathisantInnen, liebe PassantInnen,

(ich spreche im übrigen mit großem I, die anwesenden Männer mögen sich bitte mitgemeint fühlen)

Ich bin als Sprecherin des Linken Netzwerks Bochum für einen Redebeitrag auf der heutigen Demonstration angefragt worden. Vermutlich wird in den anderen Reden auf die Notwendigkeit eines antirasstischen Zentrum und das aggressive Verhalten der Polizei auf der Demonstration am Dienstag eingegangen. Deshalb möchte ich einen eher persönlichen Beitrag halten.

Ich bin jetzt seit fast 20 Jahren politisch aktiv und habe immer wieder erlebt, wie schwierig es ist, einen Ort und Infrastruktur für diese Aktivitäten zu finden. Von Vereinen und Initiativen wird von offizieller Seite erwartet,

- dass sie selbst Geld eintreiben

- dass sie Satzungen und Konzepte schreiben

- dass sie Anträge stellen

- dass sie sich mit Richtlinien auseinander setzen

- usw. usf.

Das alles raubt viele Energien und führt häufig zu nichts oder zu rein kosmetischer Unterstützung. Denn mal behaupten die BürokratInnen, dass der Antrag falsch oder zu spät gestellt wurde, mal behaupten sie, dass kein Geld da sei. Für andere Projekte gibt es dagegen schnell und unbürokratisch öffentliche Mittel, wie die 35 Millionen Mark für den Umbau der Ruhrstadions. Die standen einfach mal zur Verfügung, ohne dass sich der Rat zuvor damit beschäftigt hatte. Viele politisch Aktive wenden sich deshalb erst gar nicht mehr an die Stadt.

Jüngstes Beispiel für die städtische Hinhaltetaktik ist die Agendagruppe, die sich für ein Frauenprojektehaus einsetzt. Die Unterstützung seitens der Stadt bleibt weiterhin sehr unkonkret. Auch das Freiraumprojekt hat über ein Jahr mit der Stadt wegen eines politisch, kulturellen Zentrums verhandelt. Auch das hat zu nichts geführt.

An diesem Punkt stellt sich die Frage: Resignieren oder die Sache selbst in die Hand nehmen? In Bezug auf das antirasstische Zentrum haben vorwiegend junge Leute aus den Erfahrungen gelernt und sich entschlossen, die Räume zu erkämpfen. Und das ist gut so!

Ich persönlich habe die Einhaltung von Regeln so sehr verinnerlicht, dass ich schon fast nervös werde, wenn ich bei rot über die Ampel gehe. Aber ich halte zivilen Ungehorsam in bestimmten Fragen für sinnvoll und notwendig. Ich selbst hätte nicht den Mumm und die Ausdauer, bei einer Besetzung mit zu machen. Denn eine Besetzung ist nicht der reine Spaß, wie manch AußenstehendeR vielleicht vermutet. Sicherlich hat eine Besetzung auch ihre netten Seiten.

Aber

- die BesetzerInnen müssen sich darauf einstellen, dass sie gewaltsam geräumt werden.

- Sie müssen damit rechnen, dass gegen sie Anzeige erstattet wird.

- Sie haben sich mit sehr kargen Wohnverhältnissen zurechtzufinden.

- Es ist vieles zu organisieren: vom Ofen über Decken bis hin zur Wasserversorgung.

- Dann gibt es noch die inhaltlichen Ansprüche eines gemeinsamen Projekts. Das bedeutet, dass auf Versammlungen immer wieder der Weg und Positionen diskutiert werden müssen. Und auch das ist anstrengend.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle den BesetzerInnen meinen Respekt für ihr Engagement ausdrücken.

Von seiten der Stadt und der Polizei wird mit eurem Engagement- um es beschönigend auszudrücken - leider alles andere als respektvoll umgegangen. Vielleicht liegt's an eurem Alter, vielleicht an eurem Outfit, vielleicht daran, dass ihr nicht die Spielregeln eingehalten habt. Aber erfreulicherweise hat die Besetzung eine große Ausstrahlungskraft auf politisch interessierte und engagierte Menschen und Gruppen in Bochum. Durch das Treffen mit den Initiativen am Dienstag gibt es neuen Schwung in der Bochumer Bewegung und der hat auch zu Solidarisierungen geführt. Dass sich jetzt die Fraktionen von SPD und Grünen von der Räumung distanzieren, hängt meines Erachtens auch damit zusammen. Mal sehen, ob den warmen Worten auch Taten folgen. Lasst uns weiter Druck machen!

Gemeinsam sind wir stark!

Solidarität mit den BesetzerInnen!

Rückgabe der alten Feuerwache an das antirasstische Zentrum!