Zu den drohenden HARTZ IV - Zwangsumzügen in Bochum

Redebeitrag von Norbert Hermann, Unabhängige Sozialberatung, auf der Demonstration am 18-5-2006 in Bochum

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Guten Tag, 

Ich spreche für die Unabhängige Sozialberatung. Ich freue mich, Sie alle hier zu sehen.

Als wir am 3. Januar 2005 mit unserer ehrenamtlichen Arbeit angefangen haben, packte uns das kalte Grausen: dass so schäbig mit Sozialhilfeempfängern umgegangen wird hätten wir uns nicht träumen lassen. Sechs Monate später veröffentlichten wir die „Bilanz des Grauens“, im Herbst dann: „Das Grauen geht weiter“ – und hört bis heute nicht auf.

Ausser uns gibt es noch eine ganze Menge weiterer Menschen in Bochum, die sich in diesem Sinne engagieren. Das sind inzwischen mehrere Rechtsanwaltskanzleien, die engagiert und sachkundig ihre Arbeit tun – für die Betroffenen übrigens im wesentlichen kostenlos. Das sind viele Beratungsstellen, die in ihrer Arbeit immer wieder mit Hartz IV konfrontiert werden, seien es die Frauen- und Schwangerenberatung, die Ausländerberatung oder der Mieterverein. Das sind aber auch die Sozialverbände VdK und SoVD, die beileibe nicht mehr nur sogenannte „Rentnerverbände“ sind, sondern sich beide die Unterstützung ihrer Mitgliedschaft in allen sozialen Fragen zur Aufgabe machen, und das sind auch die Gewerkschaften und der DGB, die mit ihren Rechtsabteilungen und ihren Erwerbsloseninitiativen Unterstützungsarbeit leisten. Es gibt aber, das müsse wir zu unserem Bedauern feststellen, nur eine einzige Vollzeitstelle in Bochum, die sich seit Jahren sachkundig und engagiert in der Beratung einsetzt. Das war schon immer zu wenig, und jetzt unter Hartz IV ist der Beratungsbedarf enorm. Ich denke, dass reichlich Arbeit da wäre für drei volle Stellen. Es ist die Pflicht der ARGE, dafür Sorge zu tragen.

Denn es Ist die gesetzliche Pflicht der ARGE, für umfassende Aufklärung, Beratung und Auskunftserteilung zu sorgen und zügig für Hilfe zu sorgen, wenn jemand Hilfe braucht – von sich aus tut die ARGE das nicht..

Eine besondere Gruppe will ich noch erwähnen, die mir sehr am Herzen liegt, die seit Jahren Opfer staatlicher Willkür sind, und an denen schon mal ausprobiert wird, wie sie mit uns umspringen wollen: das sind die Menschen, die vor Unterdrückung, Hunger  und Elend aus anderen Ländern zu uns geflüchtet sind, die sogenannten Asylbewerber. Ich muss sagen, ich habe dafür volles Verständnis. Meine eigenen Vorfahren sind vor sehr langer Zeit schon aus Frankreich nach Schwaben geflüchtet, weil sie religiös verfolgt waren. Von dort zogen sie dann weiter nach Russland, weil die Landwirtschaft sie nicht mehr ernährte. Und aus Russland flüchteten sie vor mehr als sechzig Jahren, weil sie Gefahr liefen, einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Und ich muss sagen, wenn das hier in Deutschland so weitergeht, dann werde ich vielleicht auch noch flüchten müssen!

Denn jetzt hört man wieder von Reformen. Hartz IV ist ein Flopp hört man von SPD und CDU und FDP. Da soll unbedingt reformiert werden.

Wenn ich das Wort „Reformen“ nur höre, kriege ich schon das Kotzen. Das wurde dann immer nur schlimmer! Schluss mit den Reformen GEGEN uns“

Was wir verlangen:

Wir verlangen als ersten Schritt eine Grundsicherung für alle, die es nötig haben, von 500 Euros  für Singles + die vollen Kosten für die Wohnung. Damit kämen wir sogar in die Nähe der Armutsgrenze, die in Deutschland bei 938 Euros (Single) liegt.

Die Betroffenen lassen sich nicht auf „sozialhilferechtliche Notwendigkeiten“ reduzieren: in vielen Fällen haben sie jahrzehntelang gearbeitet, Steuern und Beiträge gezahlt. Jetzt sieht sich die Gesellschaft nicht in der Lage, den erwirtschafteten zunehmenden Reichtum (in Händen weniger), die notwendigen Arbeitsaufgaben (im zwischenmenschlichen Bereich – Pflege usw., aber auch in der Sanierung maroder Schulen und Strassen) und die Menschen, die das tun können und wollen zusammenzubringen.

Es wird gesagt: „Ihr lebt von der Allgemeinheit, von „Transferleistungen“, der Steuerzahler muss für Euch aufkommen, wir haben die Aufgabe, für ihn zu sparen“.

Aber die Gesellschaft hat die Aufgabe, für eine gerechte Verteilung der Arbeit und des Einkommens zu sorgen.

Darum verstehen wir das Arbeitslosengeld nicht als „Transferleistung“, sondern als die eine Hälfte der gesellschaftlichen Pflicht. Die andere – Teilhabe am Arbeitsleben -fehlt noch.

Einen Arbeitszwang lehnen wir ab. Auch Menschen, die nicht arbeiten können oder wollen, sind mindestens genau so wertvolle Bestandteile der Menschheit wie diverse Politiker oder Manager. Sie alle haben ein Recht auf eine gute Grundsicherung.

Durch den ungeheuren Reichtum (in falschen Händen) und die ungeheure Produktivität gibt es gar kein Problem, das und noch vieles mehr zu finanzieren.

Zu den drohenden Zwangsumzügen

Die Wohnsituation für die HARTZ IV-Betroffenen in Bochum liegt einzig und allein in Händen des Rates (und des Sozialausschusses). Gesetzliche Einschränkungen gibt es nicht! Die Kommune muss für die Menschen sorgen, die hier leben. Sie muss sie verteidigen gegen falsche Entscheidungen aus Bund oder Land.

Wir finden, das ein Umzug generell unzumutbar ist. Nur in besonderen, individuell besprochenen Einzelfällen könnte ein Umzug für zumutbar erklärt wird. Wir verlangen, dass nach Wegen gesucht wird, ein Verbleiben in der Wohnung zu ermöglichen.