Wem gehört der Konrad-Adenauer-Platz?
Auf und um den Konrad-Adenauer-Platz
spielen sich zur Zeit spannende Dinge ab. Vor einem Jahr wurden noch
alle BesucherInnen, die sich z. B. mit einer Dose Bier an den Brunnen
vor dem Mandragora setzten, von schwarzen Sheriffs der Kneipe vertrieben.
Jetzt lümmeln sich Punks in den neu aufgestellten Liegestühlen
am Brunnen, trinken ihr mitgebrachtes Bier, und es passiert nichts.
Den Hintergrund dieser Entwicklung bildet eine ungewöhnliche Auseinandersetzung.
Viele Jahre lang war der "Mandra-Platz" ein Treffpunkt, der
mit dem kommerziellen Angebot der Kneipe, dem Billigbier aus der damaligen
Tankstelle im Parkhaus und "der Bühne" eine gewisse Faszination
ausstrahlte. Der Platz wurde aber auch zum Brennpunkt sozialer Probleme.
Es gab zunehmend Stress mit Gewalt und härteren Drogen als Bier.
Die Stadt Bochum entledigte sich dieses Problems: Sie übergab den
gesamten Platz inklusive Brunnen und Bühne in einer Sondernutzungsverfügung
an die Kneipe. Gleichzeitig verfasste das Ordnungsamt der Stadt Bochum
einen Brief, in dem höchst offiziell mitgeteilt wurde, dass die
Kneipe das Hausrecht auf dem Platz habe. Dieses nun in Plastik eingeschweißte
Dokument präsentierten die inzwischen angeheuerten Rausschmeißer
(T-Shirt-Aufdruck: Security) allen Leuten, die sich nicht als ordentlich
konsumierende Gäste erwiesen, und vertrieben sie vom Platz.
Einer, der im letzten Jahr vertrieben werden sollte, war Wolfgang Wendland.
Der Chef der Punk-Band "Die Kassierer" trank seit Jahrzehnten
sein mitgebrachtes Bier auf diesem Platz und wollte ihn auch nach Aufforderung
nicht verlassen. Er erhielt vom Schankwirt der Kneipe, Steinbrecher,
zwei Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. Daraufhin meldete Wendland zwei
Demonstrationen auf dem Platz an, um die Privatisierung des Platzes
zu problematisieren.
Gleichzeitig war der Bochumer Altlinke Martin Budich von mehreren jüngeren
Leuten darauf angesprochen worden, dass sie von "Platz" vertrieben
würden. Budich lud daraufhin zu einem "Drink-In" mit
einem Kasten Bier am Brunnen ein. Die Geschäftsführung der
Kneipe zeigte sich äußerst konziliant, präsentierte
das Schreiben des Ordnungsamtes mit der "Hausrechtsübertragung",
duldete aber die Aktion. Die Vertreibungspraxis blieb aber anschließend
unverändert. Bei einer zweiten Aktion von Budich verlor Steinbrecher
die Nerven und zeigte auch ihn wegen Hausfriedensbruchs an.
Die Bochumer Justiz spielte aber nicht mit. Sie fand die Idee wohl eher lächerlich, dass mit einer Sondernutzung
auf einem öffentlichen Platz ein Hausrecht vergeben werden darf. Dies würde z.B. bedeuten, dass die Polizei
nur mit einem richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl auf den Platz dürfte. Sie stellte die Verfahren ein.
Wolfgang Wendland und Martin Budich kamen dann unabhängig voneinander
auf die gleiche Idee, wie die völlige Privatisierung des Platzes
gestoppt werden kann und eine öffentliche Diskussion darüber
herzustellen ist. Sie meldeten Kundgebungen auf dem Platz an. Wendland
für jeden dritten Samstag im Monat, Budich für jeden Freitagabend
während der Biergartensaison.
Bei einer ersten Demonstration zur Biergartensaison-Eröffnung kamen
600 Leute. Die Kneipenwirte im Bermuda-Dreieck und die politisch Verantwortlichen
der Stadt reagierten äußerst nervös. Sie befürchteten,
dass nach dem Baustellen-Desaster und vielen Leerständen in der
Stadt nun auch noch die letzte Bochumer Attraktion, "das Bermuda-Dreieck",
beschädigt würde. Wenn jedes Wochenende damit begänne,
dass Hunderte von PolizistInnen wegen der Demonstration am Freitagabend
das Bermuda-Dreieck belagern, dann wäre das sicherlich nicht der
Hit.
Zufällig trat Anfang April der neue Rechtsdezernent der Stadt,
Hanspeter Knirsch, sein Amt an. Genau wie Budich ist er politisch bei
den JungdemokratInnen politisch sozialisiert worden. Die beiden kennen
sich seit 25 Jahren. Es gab offensichtlich ein paar Telefonate, und
plötzlich saßen neben Knirsch und Budich noch Wendland und
der Leiter des Ordnungsamtes, der Leiter des Jugendamtes, die Sozialdezernentin
und Dirk Steinbrecher für die Kneipenbesitzer.
Bereits in der ersten Runde war der Deal perfekt. Budich setzte die
Demonstrationen zunächst aus, und Steinbrecher garantierte, dass
niemand mehr vom Platz vertrieben wird, selbst wenn er oder sie dort
mitgebrachte Getränke verzehrt. Auch Wolfgang Wendland zeigte sich
kompromissbereit und kündigte an, seine Kundgebungen in schlichte
Treffen auf dem Platz umzuwandeln, wenn Steinbrecher dies zulässt.
Es wurde schließlich ein Runder Tisch eingerichtet. Hier sitzen
jetzt VertreterInnen der Stadtverwaltung, der Drogenberatung, der IFAK
(eine Einrichtung, die viele Angebote für und mit MigrantInnen
macht), Kneipenwirte, ein Stadtplaner und Leute aus der "Szene"
zusammen. Sie sollen, unter professioneller Moderation, bis zur Sommerpause
Vorschläge entwickeln, wie mit den Konflikten im Bermuda-Dreieck
umzugehen ist. Als Probleme wurden dabei auch ausdrücklich die
Nazi-Präsenz in der Brüderstraße und das Fehlen eines
nicht kommerziellen Treffpunktes in der Innenstadt protokolliert.
Nicht am Runden Tisch sitzen VertreterInnen der Polizei und des Antirassistischen
Zentrums. Polizeipräsident Wenner wollte sich offensichtlich in
keiner Form für die Probleme zuständig fühlen. Die VertreterInnen
des AZ hielten es für eine Zumutung, mit der Stadt auch nur zu
reden, solange der Oberbürgermeister nicht die Anzeigen gegen sie
zurückzieht, die er im Zusammenhang mit dem letzten Besetzungsversuch
Ende Januar erstattet hatte. Diese Kriminalisierung der BesetzerInnen
durch den Oberbürgermeister dürfte eines der größeren
Risiken des Runden Tisches sein. Ein Urteil könnte den Prozess
zum Platzen bringen.
In der Szene herrscht erhebliche Skepsis, ob diese Gespräche tatsächlich
etwas bewirken werden. Gerade im AZ erinnert man sich noch gut daran,
wie "verständnisvoll" im Dezember die Gespräche
mit SPD und Grünen liefen. Dabei blieb es aber auch: warme Worte
im Winter.
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