Bochum, 14.5.2001


An
die Mitglieder des
Rates der Stadt Bochum

Offener Brief
Betr.: Bochums Beteiligung am Europaweiten Autofreien Tag 2001

Sehr geehrte Damen und Herren,

auf der Sitzung am 17.5. wird der Rat der Stadt Bochum über die Art und Weise der Teilnahme am »Europaweiten Autofreien Tag 2001« entscheiden. Wir möchten Sie bitten, sich ein wenig Zeit zu nehmen, um sich über den Hintergrund des Antrages zu informieren.

In der Begründung des Antrages Nr. 20011412/00 zur Ratssitzung am 17.5. heißt es:

»Die Programmgruppe hat in mehreren Sitzungen ein Veranstaltungskonzept erarbeitet und den verschiedenen Agenda-Gruppierungen (so z.B. dem Bündnis Umweltfreundlicher Stadtverkehr und dem Agenda-Arbeitskreis Verkehr) vorgestellt. Es hat sich herausgestellt, dass eine uneingeschränkte Zustimmung dieser Gruppierungen nicht zu erreichen ist.
Insbesondere wurde die Forderung laut, die Veranstaltung auf der Grundlage der Europäischen Charta für den Aktionstag 2001durchzuführen.« Hierzu die Stellungnahme der Verwaltung: [...] Nicht empfohlen werden kann die Unterzeichnung der Charta, weil nach wie vor darin missverständliche Forderungen [...] enthalten sind.«

Dazu möchten wir folgendes klarstellen:

1. Das Bündnis Umweltfreundlicher Stadtverkehr lehnt die bisherigen Planungen der Agenda-Programmgruppe entschieden ab. Dass eine »uneingeschränkte Zustimmung« nicht zu erreichen sei, gaukelt einen nicht existierenden Kompromiss vor und stellt also eher eine Irreführung dar.

2. Die Programmgruppe geht in ihrem Vorschlag sogar so weit, dass sie nicht einmal mehr den Namen oder das Motto der europaweiten Kampagne in Bochum benutzen möchte. Ein solcher Vorgang wird im allgemeinen als Etiketten-Schwindel bezeichnet.

3. Der Rat der Stadt Bochum und der Agenda-Beirat haben beschlossen, sich am »Europaweiten Autofreien Tag« zu beteiligen. Das Bündnis Umweltfreundlicher Stadtverkehr erinnert daran, dass dies selbstverständlich nur möglich ist, wenn dann auch die Leitlinien für diesen Tag gelten. Die in der Charta enthaltenen Forderungen sind dabei keineswegs »missverständlich«, sondern eben nur nicht mehr mit der Bochumer Version des Aktionstages in Deckung zu bringen.

In der Anlage der Beschlussvorlage finden Sie die offiziellen Leitlinien zum »Autofreien Tag«. Wir möchte Sie bitten, Ihre Entscheidung auf dieser Grundlage zu treffen.

Wir würden es sehr begrüßen, wenn der Rat an seinem Beschluss festhält und die Stadt Bochum gerade als Mitglied im Klima-Bündnis am Aktionstag »In die Stadt Ohne mein Auto« teilnimmt. Wir werden dann unseren Teil dazu beitragen, dass dieser Tag erfolgreich wird.

Sollten jedoch die europäischen Leitlinien für diesen Tag in Bochum bewusst unterlaufen werden, sehen wir hierin einen Etikettenschwindel, den wir nicht hinnehmen werden. Eine solche bewusste Irreführung der Öffentlichkeit wird auch überregional dem Ansehen der Stadt schaden. Ein autofreier Tag, dessen Erfolg auf dem »Votum, im Jahr 2001 auf eine Sperrung von Innenstadtstraßen zu verzichten« beruhen soll, wird als in sich widersprüchlich weder der Bevölkerung noch den angesprochenen Verbänden zu vermitteln sein. Die parallel stattfindende Großveranstaltung »Ab in die Mitte« (mit entsprechenden Besucherströmen) lässt zudem erwarten, dass der »Autofreie Tag« praktisch zur Farce degradiert wird, wenn jede Einflussnahme auf die Verkehrsmittelwahl an diesem Tag bewusst vermieden wird.

Wenn die Stadt Bochum dagegen am 22.9. keine Mogelpackung anbietet, sondern einen echten »Autofreien Tag« in Bochum durchführt, dann muss so etwas nicht gegen die Interessen der Geschäftswelt in Bochum durchgeführt werden. Im Gegenteil: Bereits mit einem Teil der voraussichtlich zur Verfügung stehenden 80.000 DM ließe sich an diesem Tag ein Null-Tarif im ÖPNV finanzieren. Es wäre also attraktiv, in die Innenstadt zu kommen. Wenn der Handel als Gegenleistung anböte, dass an diesem Tag schwerere Waren kostenlos (oder zum Preis, der den Kosten für Autofahrt und Parkgebühr entspricht) nach Hause geliefert werden, dann wäre eine wesentliche Idee des autofreien Tages realisiert und es gäbe auf allen Seiten ein prima Klima. Würden dann noch mit einem großen Straßenfest auf der Brückstraße viele Menschen in diesen Bereich gelockt, wären auch die Geschäftsleute, die sich letztes Jahr am stärksten über den »Autofreien Tag« geärgert hatten, mit im Boot.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Eichel