Liebe Leute,

hiermit erkläre ich mit sofortiger Wirkung meinen Austritt aus der Partei Bündnis 90 / Die Grünen.
Ich erlaube mir, Euch kurz zu erläutern, was mich zu diesem Schritt bewogen hat:
Für mich sind die Grünen seit ihrer Gründung politische Heimat gewesen, auch wenn ich erst Ende der achtziger Jahre Parteimitglied geworden bin.
Diejenigen, die länger in der Partei sind, wissen auch, dass ich mich immer für eine realpolitische Sicht- und Herangehensweise ausgesprochen habe, wenn es um die Bewältigung und Beantwortung gesellschaftlicher Probleme und Fragestellungen geht. Dies bedeutet aber nicht, dass für mich keine Grundsätze existieren, die mein persönliches Weltbild, meinen Glauben und meine Überzeugungen prägen. Sozialpolitische Fragen spielten dabei für mich immer eine wichtige Rolle.
Ich musste in den vergangenen Jahren zunehmend feststellen, dass bei den entscheidenden FunktionsträgerInnen der Partei wirtschaftsliberale Positionen um sich griffen, die mit meinem Selbstverständnis einer gerechten Gesellschaft nicht im Einklang zu bringen sind und nach meiner Überzeugung auch nicht dabei helfen, die Probleme der Globalisierung zu lösen.
Vielleicht habe ich auch einfach eine andere Definition dessen, was als gerecht bezeichnen werden kann.
Gerade diese wirtschaftsliberalen Positionen sind meines Erachtens inzwischen Mehrheitsposition in der Partei - anders wäre die Unterstützung der Grünen für Hartz IV nicht denkbar gewesen. Dabei schmerzt es mich besonders, dass im Gesetzgebungsverfahren offenbar ausgerechnet Grüne VertreterInnen an vielen Stellen weitergehende Forderungen formuliert haben, die zu noch schlimmeren Ergebnissen für die Hartz IV-Betroffenen geführt hätten, wenn sie Gesetz geworden wären.
Dazu passen auch Äußerungen, wie etwa die von Thea Dückert, die sich in einem Schreiben an das Mieterforum Ruhr zu der sinngemäßen Aussage verstieg, Hartz IV sei doch immerhin der Einstieg in die von den Grünen immer geforderte soziale Grundsicherung. Na ja, unter sozialer Grundsicherung habe ich mir immer etwas anderes vorgestellt.
Da aus Herrn Bütikofer Munde das gleiche Argument kommt, ist klar, dass die grüne Bundesriege Hartz IV tatsächlich als Grundsicherung verkaufen will.
Wenn die Grünen auf Landesebene dazu auffordern, sich nicht auf Montagsdemos zu begeben und ebenfalls den Begriff einer „aktivierenden Grundsicherung“ kreieren, dann ist das ein Signal, das mich dazu veranlasst, mir die Frage zu stellen, ob ich meine langjährige politische Heimat tatsächlich noch bei den Grünen finden kann.
Dies wäre der Fall, wenn ich daran glauben könnte, dass eine deutliche Kurskorrektur innerhalb der Partei möglich ist. Daran glaube ich aber nicht mehr - auch wenn ich es ausdrücklich begrüße, dass der Bochumer Kreisverband deutlich gegen Hartz IV Stellung bezogen hat und damit immerhin ein Signal setzt.
Daher erscheint es mir ehrlicher, die persönliche Konsequenz zu ziehen und meinen Austritt aus der Partei zu erklären.
Euch wünsche ich für die weitere Arbeit in Bochum eine glückliche Hand!
Mit freundlichen Grüßen
Michael Wenzel