Der folgende Text wurde von einem in der Stadt verteilten Flugblatt eingescannt, hierbei können Fehler aufgetreten sein.

Dokumentation:


Repression ist alles, was darauf angelegt oder dazu geeignet ist, Herrschaftsverhältnisse per Zwang und Gewalt oder deren Androhung zu festigen.


Am 09.05. den gesellschaftlichen Verhältnissen und den Nazis die Zähne zeigen!
Lasst es krachen!

Die oben genannte Definition wird sicherlich nicht allen repressiven Techniken gerecht. Sie erfasst diejenigen Techniken nicht, die darauf zielen, Zwang überflüssig zu machen. Ein solches Repressionsregime stellt beispielsweise die Schule dar. Sie erfüllt nämlich neben dem Bildungsauftrag auch den geheimen Lehrplan. Dieser ist darauf angelegt eine unfreiwillige Pünktlichkeit, Leistungsdenken durch die Noten und verschiedenste Hierarchien zu trainieren. Nach Abschluss der Schule sollen sich kritische Staatsbürger entwickelt haben. Hier liegt der springende Punkt: Staatsbürger sollen sie sein und damit ist der Rahmen für Kritik begrenzt. Die Schwäche dieser Definition ist auch ihre Stärke. Repression auf Zwang und Gewalt zu reduzieren, ermöglicht es, sich auf bestimmte und relativ gut abgrenzbare Repressionstechniken zu konzentrieren und sich dabei nicht im Labyrinth der Repression zu verlieren. Zudem interessieren uns die Methoden, mit denen das, was unter dem Schlagwort Innere Sicherheit fällt, durchgesetzt wird: Kameras, Kontrollen durch Polizei und BGS, Innenstadtvertreibung, Razzien, Strafprozesse und vieles mehr. Hier drin sehen wir zum einen die Chance zum weiterdenken und zum anderen die Möglichkeit, sich zu solidarisieren und sich punktuell zu widersetzen.

Innere Sicherheit funktioniert vor allem durch Ausschluss. An den EU-Außengrenzen sind es MigrantInnen, auf der lokalen Ebene werden gefährliche Randgruppen konstruiert: BettlerInnen, Jugendgangs, Junkies; um nur die beliebtesten zu nennen, vor denen der Bürger Angst hat. Besonders auffällig hierbei ist, dass diejenigen, die sich am meisten bedroht fühlen, am wenigsten tatsächlich Opfer von Missetaten werden. Es handelt sich also lediglich um eine gefühlte Bedrohung und nicht um eine reale. Doch gerade deswegen funktionieren diese Konstruktionen so gut: Sie müssen sich gar nicht durch Erfahrungen decken, sondern es genügt lediglich zu glauben an bestimmten Orten, zu bestimmten Zeiten, Opfer werden zu können.

Wenn also ein Außen geschaffen wird, wird gleichzeitig ein Innen geschaffen. Es gibt Leute, die dazugehören und welche, die nicht dazugehören. Somit wird auch eine Norm geschaffen, die - angereichert mit Sozialdarwinismus und Rassismus - das Prinzip nach unten treten und nach oben buckeln bedient. Denn wenn die Verhältnisse nichts mehr verantworten und jeder Schmied seines Glücks ist, dann gibt es eben andere, denen die Verantwortung übertragen wird. Es wird ein Denken bedient, welches in allen Klassen und Milieus auffindbar ist. Somit trifft das Projekt Innere Sicherheit auf breite Resonanz, denn wer sich nicht bedroht fühlt, könnte ja selbst auf der Seite der Bedrohung stehen.

Innere Sicherheit zeigt sich in so vielen Facetten, dass folgende Beispiele nur anreißen können, was in Bochum und ähnlich auch in vielen anderen Orten passiert. Im Zuge von Rasterfahndungen, allgemeiner Terrorhysterie und der damit verbundenen AusländerInnenstigmatisierung werden an allgemeinen Verkehrsknotenpunkten die Kontroll-, Überwachungs- und Abschottungsinstrumente weiter perfektioniert. So werden auch am Bochumer Hbf, legitimiert durch ein konstruiertes Sicherheitsbedürfnisses, regelmäßig rassistische Kontrollen von BGS-Beamten an angeblich ausländisch aussehenden Menschen durchgeführt. Sozial benachteiligte Menschen oder Randgruppen wie Obdachlose oder Drogenabhängige werden aus dem öffentlichen Blickpunkt verdrängt. Der Bochumer Hbf ist ein Beispiel, wo BGS und private Sicherheitsdienste in ihrer Vertreibungspolitik Hand in Hand arbeiten. Doch auch die Deutsche Bahn treibt die Vertreibung im Zuge ihrer Renovierungen aller Bahnhöfe voran. Die Planung, alle Bahnhofsmissionen zu schließen, ist ein Teil. In Bochum ist die Bahnhofsmission eine wichtige Anlaufstelle für verschiedenste Leute. Damit hätte die Bahn einen der letzten Zufluchtsorte innerhalb eines ehemals öffentlichen und bereits weit privatisierten Orts wie dem Bahnhof zerstört. Komplett privatisierte Bereiche wie die Citypassage (gegenüber vom Hbf) sind für diese Menschen zur "No Go Area" geworden.
Denjenigen, denen in der Innenstadt durch Polizei und Ordnungsamt das Leben schwer gemacht wird, können hier, ähnlich wie im Hbf, von privaten Sicherheitsdiensten schon auf Grund von Kleinigkeiten wie Aufwärmen im Winter, Verzehren von Fremdgetränken oder Essen, Hausverbot erteilt bekommen. Das Verteilen von kritischen Flugblättern ist dort sowieso verboten. Zu später Stunde, wenn die Geschäfte geschlossen sind, werden Metallgitter heruntergelassen , um die Passage für die Öffentlichkeit unzugänglich machen.

Die völlig überzogene Razzia der Drogenberatungsstelle im Dezember 2002, machte einmal mehr die Unerwünschtheit bestimmter Gruppen deutlich. Betroffen war das offene Café und nicht die eigentlichen Büroräume der Einrichtung. Die Polizei gab als Vorwand an, eine sich ausweitende Drogenszene verhindern zu wollen, sowie illegale Drogen zu beschlagnahmen. Dass allerdings Drogenabhängige Drogen besitzen und konsumieren, liegt in der Natur der Sache. Der Vertrauensverlust bei den BesucherInnen, den die Beratungs- und Aufenthaltsstelle erfahren hat, ist sicherlich größer als der Nutzen der Polizeiaktion. Die Razzia war sicherlich auch nach dem Geschmack einiger Bermuda-Geschäftsleute, die noch vor einem Jahr in einen öffentlichen Brief gegen Drogenabhängige hetzten und sich um ihr Geschäft gebracht sahen.

In der Bochumer Innenstadt werden Punx, alternativ aussehende Jugendliche und DrogenkonsumentInnen von öffentlichen Plätzen vertrieben. So wurden im vergangenen Winter aus fadenscheinigen Gründen Platzverweise im Bermudadreieck verteilt oder Personen, die dort einfach nur rumhängen, wurden zum Beispiel mit lauter Weihnachts- oder Klassikmusik genötigt, sich einen anderen, ruhigeren Ort zu suchen. Auch die Bochumer Polizei leistet ihren Beitrag zur Vertreibung, indem sie die Jugendlichen vom Streifenwagen mit Scheinwerferlicht stundenlang blenden und observieren. Eine weitere Verschärfung der Maßnahmen zur Vertreibung im Sommer ist zu erwarten. Der Pächter des Mandragora der seit ca. 3 Jahren jeden Sommer eine dubiose Sondernutzungsgenehmigung für den eigentlich öffentlichen Konrad-Adenauer-Platz bekommen hat, ist dafür bekannt ,dass er Jugendliche, die nicht in "seinem Biergarten" Getränke kaufen wollen, von seinen eingestellten Securities mit Elektroschockern vertreiben ließ.

Am 30. 04. 2001 gab es in der Bochumer Innenstadt eine Demonstration, die sich gegen die bis heute immer noch bestehenden Formen der Innenstadtvertreibung, gegen die zunehmende Privatisierung von öffentlichen Plätzen und gegen die massive Präsenz von Nazis besonders im Bereich des Bermudadreiecks richtete und ein antirassistisches Zentrum forderte. Nach der Demo wurde die Anmelderin in einem zurecht konstruierten Prozess kriminalisiert. Obwohl es keine Beweise gab, wurde sie dafür verurteilt, auf der Demo zur Vermummung aufgerufen zu haben. Dem Urteil nach soll sie eine Geldstrafe von 200 Euro zahlen und die Gerichtskosten der vier Prozesstage übernehmen, womit sich die Strafe um ein Mehrfaches summiert. Es soll kein Platz für vermeintliche VerliererInnen der Warengesellschaft sowie für Menschen, die sich ihr bewusst verweigern, geschaffen werden. Drogenabhängige/ -konsumentInnen, Obdachlose etc. sollen massiv aus dem gewinnbringenden Bereichen der Stadt verdrängt werden, um ihr ein sauberes und konfliktfreies Image zu verschaffen.

Nicht unerwähnt kann in Bezug auf Bochum die Nazipräsenz bleiben. Im letztem Sommer misshandelten Nazis in ihren Wohnungen stundenlang mehrere Obdachlose.
Ständig tauchen Nazischmierereien auf. Und innerhalb von nur zwei Monaten fanden drei Naziaufmärsche statt. Die Polizei schützte diese Aufmärsche der Neonazis und ging mit großer Härte gegen die GegendemonstrantInnen vor.

Unsere Demonstration richtet sich unter anderem gegen die ausführenden Organe wie Staat, Polizei, Ordnungsämter etc., die reaktionäre Gesellschaftsverhältnisse wie oben beschrieben stützen und fördern. Sie richtet sich gleichzeitig gegen Nazis als selbst ernannte "Volksvollstrecker des Volkswillens".

Um den gesellschaftlichen Verhältnissen und den Nazis die Zähne zu zeigen, gehen wir am 09.05.2003 auf die Straße. Wir schaffen uns öffentlichen Raum, indem wir die Demo nicht anmelden und der Repression aufs Maul hauen.


Werdet kreativ und vor allen Dingen laut!
Bringt Musik und "Krach-Mach-Sachen" mit.
Ohropax nicht vergessen! Jongliert mit Autotüren oder veranstaltet spontane Aufführungen. Überlegt Euch witzige und radikale Aktionen gegen Demodepressionen.

Ort: Bochum Hbf
Datum: 09.05 .2003
Beginn: 18 Uhr


Unangemeldet kommt oft, aber unverhofft!

Die Unangemeldeten

V.i.S.d.P.: Unna G. Meldet, Frieda-Schanz-Str. 100, Bochum



Anmerkung der Redaktion: In der Frieda-Schanz-Str. befindet sich die Alte Feuerwache. Sie war als Antirassistisches Zentrum besetzt und nach wenigen Tagen gewaltsam von der Polizei geräumt worden.